R e i s e vom Rio Doge bis zum FUisse Alcobaga
Qaartel liegt auf der Sandküste unmittelbar an der See, nahe dahinter
dehnt sich die schmale JLagoa aus imd jenseits derselben erhebt sich
finsterer Wald, in welchem wir eine Menge wilde Cocospalmen unterschieden.
Dort in der Nähe haben die Soldaten einige Pflanzungen angelegt,
wo sie hinlänglich für ihren Bedarf Mandiocca, Mays und selbst
schöne Wassermelonen {MelangicCs) bauen. Sie haben dabey Canoe's und
vermehren ihren Unterhalt durch Jagd und Fischerey. Wir fanden hier
einen alten merkwürdigen Mann, einen gewissen Simam (Simon) der
schon viele Jahre in völliger Einsamkeit in einem kleinen Häuschen in
der Nähe dieses Quarteis lebt, und nicht die mindeste Furcht vor den
Wilden hat. Obgleich dieser Mann schon sehr alt ist, so besitzt er
dennoch einen seltenen Grad von Körperkraft und Munterkeit, weswegen
ihn alle Nachbarn lieben. Er baut seine Pflanzungen selbst, ist ein
erfahrner Jäger und Fischer, und kennt die umliegende Gegend genau.
W i r besuchten ihn mehreremal in seiner kleinen Eremitage und fanden
ihn, bey seinen beschränkten Bedürfnissen, nicht nur völlig zufrieden
mit seiner Lage, sondern auch so aufgeräumt und lustig, dafs seine
Heiterkeit sich über die ganze ihn umgebende Gesellschaft verbreitete.
E r beschenkte uns mit dem Felle des grofsen Ameisenbären {Myrmecophaga
jahata^ Linn.) hier Tamandua Cavallo genannt, den er kürzlich
getödtet hatte. Zu Monserra erhielten wir noch mehrere naturhistorische
Seltenheiten, wie z.' B. den Scarabceus Hercules^ den gröfsten Käfer
von Brasilien, den ein Soldat gefangen hatte und noch lebendig brachte.
Späterhin brachte uns einmal auch ein Mann vier oder fünf Köpfe von
diesem seltenen Käfer, und als ich ihn wegen der kläghchen Verstümmelung
dieses interessanten Gegenstandes befragte, erfuhr ich, dafs die
Damen diese Köpfe an manchen Orten um den Hals gehängt als Putz
zu tragen pflegen. Um durch eine wüste, von Menschen unbewohnte
Wildnifs, 18 Legoas weit nach S, Maithceus, das erforderliche Geleit
R e i s e vom Rio Doçe fois zum Flusse Alcobaça 2 1 9
zu erhalten, hatten wir den Herrn Alferes, unsern Begleiter, um zwey
Soldaten gebeten, da die Papiere, die wir vom Minister Cö/ii^e dVVgui a r
erhalten hatten, uns ausdrücklich diese Unterstützung in Anspruch zu
nehmen erlaubten. Diese Papiere hatten wir dem Gouverneur zu Capitania
vorgezeigt, und ihn um die nöthigen Leute zur Fortsetzung der
Reise ersucht. Wir erhielten hierauf ein Schreiben von ihm an den
ALferes zw Linhares ^ worin er diesem befahl, uns einen einzigen Soldaten
zu bewilligen. Bey der Weite des We g e s S. Matlhceus und
der Unsicherheit desselben, schien es indessen dem Oilicier selbst bedenklich,
den einen Mann bey seiner Rückkehr der Gefahr auszusetzen; unser
Zureden bestimmte ihn völlig-, und wir erhielten zwey Soldaten zu Begleitern.
Später erfuhren wir aber, dafs ihn der Gouverneur mit einem
langen Arrest sehr unbillig bestraft habe, und wir bedauerten es herzlich,
diesem braven Mann eine so ungerechte harte Behandlung zugezogen
zu haben.
Nachdem wir von unsern gütigen Reisegefährten Abschied genommen
hatten, folgten wir der einförmigen Seeküste heute noch 6 bis 7
Legoas. Unsere beyden Soldaten, ein Neger und ein Indier, hielten
sich sehr oft auf, um Schildkröteneyer aus dem Sande hervor zu graben,
womit sie ihre Tornister anfüllten. Ob uns dies gleich unangenehm war,
weil sie durch ihr Zurückbleiben unsere Reise aufhielten, so hatten wir
Abends dennoch alle Ursache uns darüber zu freuen. Das Gebiet vom
Rio Doge bis zum S, Matthceus ist, wie schon gesagt, eine menschenleere
öde Wüste, wo selbst an den meisten Plätzen kein Trinkwasser
zu finden ist, man darf daher die wenigen Stellen, an denen man
dieses nöthige Bedürfnifs finden kann, nicht verfehlen und aus dieseni
Grunde ist hier ein des Weges kundiger Führer sehr nothwendig.
Leider hatte noch keiner unserer Soldaten diese Reise gemacht! Den
ersten Wasserplatz, Cagimba de S. Joäo genannt, verfehlten wir;