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 9 '  A u f e n t h a l t  zu  Capitanía  und  Reise  zum  Piio  Doge  
 Nähe  sahen  wu'  das  nette  weifse  Haus  einer  Fazenda^  die  einen  gewissen  
 Herrn  P I N T O  zug^ehört.  Wir  kamen  über  den  kleinen  Fkifs  TI/URTTIM  
 (Mtirui)  oder  Passagem^  über  welchen  eine,  gewöhnlich  durch  ein  Thor  
 verschlossene  hölzerne  Brücke  führt,  und  erreichten  dann,  nachdem  wir  
 einige  Mangue-  {Rhizophora^  Conocarpus  und  Avicennia)  Sixm^ie  durchritten  
 hatten,  die  Seeküste.  Wirft  man  hier  den  Bhck  rückwärts,  so  
 unterscheidet  man  nun  deutlicher  die  Gebürgskette  von  Espirito-Santo^  
 die  man,  so  lange  man  sich  unmittelbar  zwischen  den  äufsersten  jener  
 Höhen  befindet,  nicht  übersehen  kann.  Drey  Legoas  von  Capitanía  entfernt  
 fanden wi r  unser Nachtquartier  in  der  kleinen  Povoagao  von  Praya  
 Molle,  
 Hier  auf  einer  über  die  Meereshöhe  nur  wenig  erhabenen  grünen  
 Fläche  liegen  mehrere  Wohnungen  zerstreut.  Wir  fanden  in  einer  derselben  
 eine  sehr  freundliche  Aufnahme,  und  da  alle  Bewohner  derselben  
 sehr  viel  Sinn  für  Musik  hatten,  eine  angenehme  Abend-Unterhaltung  
 durch  Musik  und  Tanz.  Der  Sohn  des  Hauses,  der  sich  recht  gut  
 auf  die  Verfertigung  von  Guitarren  {J^iolas)  verstand,  spielte,  und  die  
 übrigen  jungen  Leute  tanzten  die  Badaca^  wobey  sie  mit  dem  Körper  
 sonderbare  Verdrehungen  machten,  mit  den  Händen  den  Takt  schlugen  
 und  abwechselnd  mit  ein  Paar  Fingern  einer  jeden  Hand  schnalzten  —  
 eine  Nachahmung  der  spanischen  Castagnetten.  Obwohl  die  Portugiesen  
 viele  musikalische  Anlagen  haben,  so  sieht  man  in  Brasilien  auf  dem  
 Lande  doch  kein  anderes  Instrument,  als  die  frióla,  Ist  die  Liebe  zu Tanz  
 und  Musik  unter  den  dortigen  Landleuten  allgemein,  so  ist  es  auch  die  
 Gastfreundschaft,  wenigstens  in  den  meisten  Gegenden.  Wir  erfuhren  
 dies  auch  hier  wieder;  man  bot  alles  auf,  uns  zu  unterhalten  und  uns  
 die  Zeit  zu  verkürzen.  
 Von  Praya  Molle  aus  kamen  wir  am  folgenden  Morgen  zeitig  nach  
 der  Povoa^ao  Carapebagú,  Von  hier  dehnen  sich  längs  des  Meeres  
 A u f e n t h a l t  zu  Capitania  und  Reise  zum  Piio  Doge  IQS  
 vorwärts  Waldungen  aus,  die  Buchten  umkränzend  und  die  Landspitzen  
 bedeckend.  In  diesen Wäldern  flogen  jetzt,  in  der  Hitze  des  angehenden  
 Sommers,  eine  Menge  Schmetterlinge  mancherley  Art,  besonders  Nymphales, 
   Hier  fanden  wir  das  merkwürdige  beuteiförmige  Nest  eines  kleinen  
 Vogels  vom  Geschlecht  der  Plattschnäbel  (Todfa^),  welches  derselbe  
 immer  in  der  Nähe  der  Nester  einer  besondern  Wespengattung  {Marimbondo) 
   erbaut,  um  es,  wie  man  behauptet,  vor  den  Nachstellungen  seiner  
 Feinde  zu  sichern.  Ich  wollte  mich  dem  Vogelneste  nähern,  allein  die  
 Wespen,  welche  sich  wirklich  sogleich  zeigten,  hielten  mich  davon  entfernt. 
   In  den  Gebüschen  längs  der  Küste  hin  wohnen  einzelne  arme  Familien, 
   die  sich  vom  Fischfange  und  von  dem  Ertrage  ihrer  Pflanzungen  
 ernähren.  Es  sind  meistens  Neger,  Mulatten  oder  andere  farbige  Leute;  
 Weifse  findet  man  wenige  darunter;  sie  klagen  dem  Beisenden  sogleich  
 ihre  Armuth  und  Noth,  an  der  nur Trägheit  und  Mangel  an  Industrie  schuld  
 seyn  kann,  denn  der Boden  ist  fruchtbar.  Zu  arm,  um  Sclaven  kaufen  zu  
 können,  und  zu  träge  um  selbst  Hand  anzulegen,  hungern  sie  lieber.  Von  
 hier  aus  nordwärts  gelangt  man  in  eine  Gegend,  wo  man  nicht  mehr  
 Creolen  und Mulatten,  sondern  Indier  im  civilisirten  Zustande  antrifft.  Ihre  
 einsamen  Wohnungen  liegen  zerstreut  in  einem  schattenreichen  Haine  
 von  prachtvollen  Waldstämmen;  dunkle  Pfade  schlängeln  sich  von  einer  
 Hütte  zur  andern;  in  den  crystallhellen  kleinen  Bächen,  worin  die  schönen  
 Gewächse  des  Waldes  sich  spiegeln,  sieht  man  die  nackte,  dunkelbraune  
 Jugend  mit  ihren  kohlschwarzen  Köpfen  scherzen.  In  diesem  reizenden  
 Walde  fanden  wir  schöne  Vögel;  der  goldgrüne  Jacamar  {Galbala  
 magna)  lauerte  am  Wasser,  auf  niedern  Zweigen  sitzend,  auf  Insekten, 
   und  unbekannte  Lockstimmen  tönten  durch  den  einsamen  Wald.  
 Nachdem  wir  4  Legoas  zurückgelegt  hatten,  traten  wir  aus  dem  Walde  
 heraus  und  erblickten  vor  uns  auf  einer  Anhöhe  über  dem  Meere  die  
 T^illa  Nova  de  Almeida*  
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