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von der Hitze und der starken Fufsreise ermüdeten Jäger erwartete. Sie
kamen bald, mit mancherley interessanten Thieren bepackt, die sie unterwegs
geschossen hatten.
S. Pedro dos Indios ist ein Indierdorf {Alded), welches die Jesuiten
ursprünglich aus Goaytaca-Indiern gebildet haben sollen Hier befindet
sich zwar eine ansehnliche Kirche und der Ort hat mehrere Strafsen,
aber die Häuser sind mir Lehmhütten, die alle, so wie die meisten einzelnen
Ansiedlung-en der hiesigen Gegend, von Indiern bewohnt werden.
Sie haben hier im Dorfe einen Capitam Mor (so viel als Commandant
oder Schulze) von ihrer eignen Nation, der aber durch nichts als durch
seinen Amtsnahmen ausgezeichnet ist. Aufser dem Geistlichen befinden
sich nur einige wenige Portugiesen hier. Die hier wohnenden Indier
haben noch grofsentheils die reine indische Physiognomie, die schon zu
S, Loiirenzo weiter angegeben ward, hier sich aber noch charakteristischer
ausspricht als dort. Ihre Kleidung und Sprache ist die der niedern
Klassen der Portugiesen, und nur zum Theil kennen sie noch ihre alte
Sprache. Sie haben die Eitelkeit, Portugiesen seyn zu wollen, und sehen
auf ihre noch rohen uncivilisirten Brüder in den Wäldern, die sie Caboclos
oder Tapuyas nennen, mit Verachtung herab. Nach der Sitte der
Portugiesinnen binden ihre Weiber ihr langes, rabenschwarzes Haar oben
auf dem Kopf in einen Knoten zusammen.
In den Ecken ihrer Hütten findet man die Schlafnetze der Familie
aufgehängt; auch fanden wir bey ihnen viele aus grauem Thon verfertigte
Gefäfse. Die Männer sind meist gute Jäger und geübt im Schiefsen
(*) Die Corograßa brazüwa Tom, IL p. 45- giebt folgende Notiz yon der Entstehung
dieses Indierdorfes: Es ward angelegt als SALYADOH CORREA DE SA, die drey Brüder COBRF,
AS GONSAI.0, MAI^UEL W DDARTE, der Capitam MIGUEI. AYBES MALDAI^IADO und
mehrere Andere im April 1629 in dieser Gegend ein grofses Stück Land von den Goaytacases-
Jndianern befreyten, ^velches sie schon im August i553 geschenkt bekommen hatten.
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mit der Flinte , die Knaben schiefsen sehr gut mit dem kleinen Bogen
von Airi-Holz, Bodoc genannt. Die Bogen haben zwey Sehnen, welche
durch ein Paar kurze Stückchen Holz von einander entfernt gehalten
werden; in der Mitte befindet sich eine Stelle, wo die beyden Schnüre
durch ein netzartiges Geflechte vereint sind, um die Thonkugel oder
den kleinen runden Stein {Pelottd) anzulegen. Man zieht hierauf mit
den vordem Fingern der rechten Hand die Schnur und die Kugel zugleich
zurück, und läfst dann jene plötzlich los, wodurch die Kugel
fortgeschnellt wird. Schon Hofrath VON LANGSDORF erwähnt solcher
Bogen, die er zu S. Catharina sah; auch sind sie überall an dieser
Küste gebräuchlich 5 ja dsa Rio Doge führen selbst erwachsene Männer
dergleichen zu ihrem Schutze gegen die Botocuden, wenn sie kein
Feuergewehr besitzen. Sie sind sehr geübt in dieser Art zu schiefsen,
und tödten einen kleinen Vogel auf eine bedeutende Entfernung, ja
selbst Schmetterlinge an Blumen, wie Herr VON LANGSDORF erzählt.
A Z A R A , in seiner Beschreibung Y Paraguay^ sagt (=•'), dafs man dort
mehrere Kugeln zugleich mit diesen Bogen abschiefse. Ich habe auf
der dreyzehnten Tafel Figur 1. ein solches Instrument abbilden lassen.
K O S T E R hat in seiner Reise in der Capitanía von Pernambucco
die entwilderten Indier zu Seara ziemlich richtig , doch in einem
etwas zu ungünstigem Lichte, geschildert; es ist aber möglich, dafs
sie dort auf einem noch geringerm Grade der Bildung stehen als hier.
Auch mufs ich hier zum voraus bemerken, dafs ein Theil der Schuld
der geringen Bildung und des oft schlechten Charakters dieser Indier in
der falschen Behandlung und Bedrückung gesucht werden mufs, welche
sie früherhin von den Europäern zu erdulden hatten , die sie oft kaum
für Menschen erkannten und mit dem Nahmen Caboclos oder Tapuyas
die Idee von Wesen verbanden, die blos geschafl'en Seyen, um sich
(*) AZARA, voyages etc. Vol. II. p. 67.
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