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in Brasilien zweckmäfsiger, lieber die noch ^anz unbekannte oder vielmehr
noch nicht beschriebene Ostküste zu wählen. Hier leben mehrere
Stämme der Urbewohner noch in ihrer Originalität und unangefochten
von den sich überall nach und nach ausbreitenden Europäern. Der hohe
nackte Rücken des mittlem Brasiliens, der Provinzen von Mmas Geraes,
Gojraz und Pernambiicco ^ wird von der Ostküste durch einen breiten
Strich hoher Urwälder getrennt, die von Rio de Janeiro bis in die
Gegend der Bahia de todos os Santos, etwa 11 Breitengrade, 198 Legoas ,
( i 6 5 geographische Meilen) weit sich ausdehnen, und von den portugiesischen
Ansiedlern noch nicht in Besitz genommen sind; denn nur
einige wenige Strafsen an und auf den sie durchströmenden Flüssen hat
man mit Mühe bis jetzt eröffnet. Hier in diesen Wä lde rn, wo dem
sonst überall bedrängten Urbewohner ein ruhiger Aufenthalt bis jetzt
gesichert war , kann man diese Menschen noch in ihrem ursprün^hchen
Zustande finden. Wi e hätte nicht eine solche Geg^end für den Reisenden
vor allen andern anziehend seyn sollen, der nicht gesonnen war ,
viele Jahre in diesen heifsen Regionen unserer Erde zu verleben?
Die Stämme der Urbewohne r , welche diese Wildnisse bevölkern,
sind selbst dem Namen nach bey uns in Europa iinbekannt, Portugal
vielleicht ausgenommen. Die Jesuiten und unter ihnen V A S C O N C E L L O S
in seinen Noticias curiosas do Brazil, theilten alle Stämme der Wilden,
welche sowohl die Küste, als jenen Strich der Urwälder bewohnten, in
zwey Klassen, nehmlich in solche, welche die Küste bevölkerten und von
den Portugiesen, besonders den Jesuiten, der europäischen Bildung näher
gebracht wurden, Indios mansos, tind in solche, welche als rohe unbekannte
Barbaren die Wä lde r und innern Wildnisse bewohnten, Tapuyas,
und diese letztern sind es , welche noch heut zu Tage im rohen Zustande
der Natur existiren und es wohl verdienen, näher gekannt zu
werden. Wenn wi r von diesen Strichen der aneinander hängenden
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Küstenwälder auch durch die Schriften der Jesuiten und mehrerer alten
Reisenden einige wenige Notizen hatten, so wa r dennoch dies alles
äufserst unvollkommen imd durch fabelhafte Zumischungen verunstaltet;
auch geben sie uns keine naturhistorischen Nachrichten. Wi r wufsten
also von den hier noch im Zustande der Natur lebenden Urbewohnern,
so wie von der belebten und leblosen Schöpfung dieser Gegenden
wenig oder gar nichts, und dennoch giebt es hier so unendUch viel
Merkwürdiges und Neues , besonders für den Botaniker und Entomologen.
Allein auf eben so zahli'eiche grofse Beschwerden und Hindernisse,
zum Beyspiel Mangel an Lebensmitteln, an We ide für die Thiere,
Schwierigkeit des Transports der Naturalien, anhaltende Regenzeiten,
Feuchtigkeit und dergleichen, miifs der Reisende sich zum voraus gefafst
machen. Die bedeutendste Unannehmlichkeit bey den Reisen in Brasilien
ist indessen unstreitig der gänzliche Mangel an brauchbaren Landkarten.
A R R O W S M I T H S Karte ist voll von Irrthümern, ja es fehlen ansehnliche
Flüsse an der Ostküste; dagegen sind deren an Stellen angegeben, wo
gar keine existiren; und so ist die beste bis jetzt vorhandene Karte von
Brasilien dem Reisenden beynahe unnütz. Diesem Mangel abzuhelfen
hat unlängst die portugiesische Regierung den Befehl zur genauen Aufnahme
der Küste g e g eben, um alle dem Seefahrer drohende Gefahren
genau bestimmen zu können ; auch hat man mit dieser gemeinnützigen
Arbeit bereits den Anfang gemacht und geschickte Mai-ine-Offiziere,
Capitain-Lieutenant J O S É D A T R I N D A D E und A N T O N I O S Y L V E I R A D E
A R A U J O haben die Küste von Macuri, St. Matthceus^ P^icoza^ Caravellas
bis Porto Seguro und Cruz aufgenommen.
Der Liberalität und der aufgeklärten Denkungsai't der portugiesischen
Regierung habe ich es gleichfalls zu verdanken, dafs ich mich im
Stande sehe, meinen Landsleuten diese Nachricht einer Reise längs der
Ostküste vom 23ten bis zum i3ten Grad südlicher Breite vorlegen