
 
        
         
		h ^  
 7 0  P i e i s e  von  Rio  de  Janeiro  nach  Cabo  Frio  
 Engenho  zum  Nachtlag^er  an,  als  wir  ihm  aber  unsern  Portaria  (Pafs  vom  
 Minister)  vorzeig^ten,  ward  er  sehr  höflich  und  lud  uns  in  seine  Wohnung 
   ein;  diese  Einladung-  nahmen  wir  indessen  nicht  an,  weil  wir  bey  
 unsern  Leuten  zu  bleiben  >vünschten.  Tiririca  ist  eine  ansehnliche  
 Zuckerfabrik  in  einer  angenehmen  Lag^e  5  das  Zuckerwerk  Hegt  am  
 Fufse  eines  grünen  Hügels,  auf  dessen  Höhe  das Wohnhaus  des  Besitzers,  
 von  ung-efähr  20  kleinen  Hütten  seiner  Leute  und  Negersclaven  umringt,  
 erbaut  ist.  Die  grofsen  Zuckerpflanzungen  umgeben  die  Fazenda-,  jenseits  
 derselben  erheben  sich  dichte,  hohe  Waldungen,  und  nahe  vor  dem  
 Zuckerwerke  lag  eine  Wiese  voll  Sümpfe  und  Pfützen,  von  Wasserund  
 Sumpfvögeln  belebt,  die  man  aus  den  Fenstern  erreichen  konnte.  
 Nachdem  wir  am  folgenden Morgen  mit  unserm  gefällig-en  Hauswirthe  das  
 Frühstück  eingenommen  hatten,  vertheilten  wir  uns  in  die  Waldungen.  
 Herr  S E L L O W  und  ich  durchgingen  die  Zuckerpflanzungen  und  einige  
 andere  kleine  Fazendas  ^  welche  von  niedlichen  Orangenwäldchen  umgeben  
 sind,  und  vertieften  uns  dann  in  einen  der  finster  verflochtenen  
 Urwälder,  welche  mir  während  meines  Aufenthalts  in  Brasilien  immer  
 den  reichsten  Genxifs  gewährten.  Hohe,  abgestorbene  Bciumstämme  am  
 Saume  desselben  zeugten  noch  von  dem  Brande,  wodurch  man  diese  
 Gegend  urbar  gemacht  hatte.  Der  Wald  selbst  wai^  eine  dunkle  Wildnifs  
 von  colossal - schäftigen  Urstämmen  ;  hier  wuchsen  die  Mimosa-^  
 Jacaranda-^  Bombaac^  Bignonia  -  und  andere  Bäume,  auch  das  Pao  
 Brazil  {Ccesalpinia  hrasiliensis)^  auf  ihnen  wieder  eine  Menge  Cactus^  
 Bromelia  ^ Epidendram^  Passiflora^  Baahinia^  Banisteria  und  andere  
 Geschlechter,  deren  rankende  Stämme  unten  an  der  Erde  wurzeln,  
 deren  Blätter  und  Blumen  aber  blos  die  höchsten  Baumkronen  einnehmen; 
   man  kann  sie  daher  nicht  anders  untersuchen,  als  wenn  man  
 diese  Püesenbäume  niederhaut,  wobey  aber  oft  wegen  der  Härte  des  
 Holzes  das  Eisen  der  besten  Axt  zerbricht.  Schlinggewächse  verbinden  
 ;  
 R e i s e  von  Piio  de  J a n e i r o  n a c h  C a b o  F r ri o  7  
 die  Bäume  auf  das  wunderbarste.  Unter  ihnen  zeichnet  sich  eine  Bauhinia  
 aus,  dej-en  feste  holzigte  Ranken  stets  in  abwechselnden  Bogen  
 wachsen;  die  Goncavität  Jedes  Bogens  ist  so  künstlich  ausgehöhlt,  als  ob  
 der  Hohlmeisel  eines  Bildhauers  dazu  gebraucht  worden  wäre,  und  auf  
 der  entgegengesetzten  convexen  Seite  steht  ein  kurzer,  stumpfer  Dorn.  
 Dieses  sonderbare  Gewächs,  das  man  leicht  für  ein  Kunslprodukt  ansehen  
 könnte,  steigt  bis  in  die  höchsten  Baumkronen.  Sein  Blatt  ist  
 klein  und  zweylappigt  {hilohum),  die  Blüthe  aber  ist  mir  nie  zu  Gesicht  
 gekommen,  obgleich  die  Pflanze  sehr  gemein  ist.  Andere  Arten  von  
 Schhngbäumen  zeichnen  sich  durch  besonders  starken,  theils  angenehmen, 
   theils  unangenehmen  Geruch  aus.  Die  Cipo  Crano  riecht  sehr  angenehm, 
   etwa  wie  Gewürznelken;  eine  andere  hingegen,  von  der  schon,  als  
 am  Amazonenflusse  wachsend,  LA  CONDAMINE("9  redet,  riecht  wie  
 Knoblauch.  Viele  dieser  sonderbaren  Gewächse  senken  lange  Zweige  
 herab,  die  wieder  Wurzel  schlagen,  und  so  dem  Wanderer  den  Weg  
 versperren.  Man  ist  genöthigt  sie  mit  dem  Facäo  abzuhauen,  um  fortkommen  
 zu  können;  hängende  Zweige  der  Art,  die,  wenn  der Wind  oder  
 ein  anderer  Umstand  sie  bewegt,  dem  Reisenden  an  den  Kopf  schlagen,  
 finden  sich  auf  allen  Waldwegen  Brasiliens.  Ueberhaupt  ist  in  diesen  Zonen  
 die Vegetat ion  so  üppig,  dafs  jeder  alte  hohe  Baum  das  Bild  einer  
 kleinenWek  ist,  ein  botanischer  Garten  von  oft  schwer  zu  erhaltenden  
 und  gewifs  grofsentheils  unbekannten  Gewächsen.  Wir  erlegten  hier  
 manchen  schönen  Vogel.  Der  gelbbauchige  Surucuä  {Trogon  viridis,  
 L I N N . )  war  sehr  gemein;  überall  erschallt  seine  Stimme,  ein  oft  wiederholter, 
   von  der  Höhe  zur  Tiefe  herabsinkender  Pfiff.  Wi r  hatten  ihn  bald  
 nachahmen  gelernt,  und  konnten  ihn  so  leicht  locken.  Mit  leisem^schnellem  
 Fluge  kommt  er  herbey  und  setzt  sich  in  der  Nähe  auf  einen  niedrigen  
 Zweig,  wo  man  ihn  ohne  viel  Mühe  herabschiefst.  Eben  so  häufig  
 (*)  S.  DK  r,A  CorfDAMiNB  voyage  etc.  p.  74.  
 *