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3 5 4 A u f e n t h a l t am Rio Grande de Belmonti
Ochsen dorthin fortziischafTen, doch so weit geht in diesen Wi ldnissen die
Industrie der Menschen nicht. Es ist zu hoffen , dafs die in der spätem
Zeit allg-emein laut gewordenen Klagen über den schlechten Zustand
eines g^rofsen Theils dieser Strafse, endlich eine sorgfältig^e Untersuchung
und eine gi^ündliche Verbesserung derselben veranlassen werden.
Ich blieb den folgenden Tag am Salto und unternahm früh Morgens
eine Wanderung nach dem nicht weit entlegenen Wasserfall, der sich
• durch sein Geräusch schon von fern ankündigt. Man mufs grofse, wild
durcheinander gerollte Felstrümmer überklettern , um die Ansicht desselben
zu geniefsen. Der sehr eingeengte Flufs stürzt tobend und schäumend
über Felsen in den tiefer liegenden Kessel hinab ^ und verbreitet Dampf
und einen feinen Staubregen um sich her; etwas tiefer hinab macht er
einen zweyten noch stärkern Fall über eine ansehnliche Felsstufe hinunter.
Ich erneuerte hier mit Vergnügen die Erinnerung an den Genufs, den
mir vor acht Jahren die noch ungleich bedeutenderen Wasserfälle in den
Gebürgen unserer Schweiz gewährten. Manche Cascaden in dem Beimonte^
besonders die Cachoeira clo Inferno, mögen wohl dem Raudal
von Atures und Maypures im Kleinen ähnlich seyn, von welchen Herr
V O N H U M B O L D T eine so interessante Schilderung gegeben hat("), nur
sind sie nicht so zusammengedrängt imd aneinander hängend, als in dem
colossalen Orinoco. In den Felstrümmern, w^elche der Staubregen des
Salto benetzt, wachsen einige schöne Straucharten, unter andern ein
Myrthus mit schmalen Blättern, der jetzt sehr angenehm blühte.
Ein zweytes Anliegen, welches mich hier noch einen Tag zu verweilen
bewogen hatte, war die Hoffnung, eines Botocuden-Schädels habhaft
zu werden. Am Qaartel dos Areas war ich an der zu diesem
Zweck beschlossenen Ausgrabung eines Leichnams gehindert worden ;
hier war ich glücklicher. In geringer Entfernung von den Gebäuden
(*) Ansichten der Natur S. 3i2.
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hatte man in dem dichten Urwalde unter rankenden schön blühenden
Gewächsen, einen jungen Botocuden von 20 bis 3o Jahren begraben,
der einer der unruhigsten Krieger dieses Stammes gewesen war. Wir
begaben uns, mit Hacken versehen, zu dem Grabe, und befreyten den
merkwürdigen Schädel aus seiner Gefangenschaft. Er zeigte auf den ersten
Anblick eine osteologische Merkwürdigkeit; das grofse Holz der Unterlippe
hatte nehmlich die untern Vorderzähne nicht nur hinweggeschoben,
sondern sogar schon an diesem noch jungen Schädel die Alveolen der
Zähne zugedrückt und verwischt, welches sich sonst nur bey sehr alten
Leuten zu finden pflegt. Azar a sagt in seinen Reisen in Süd-Amerikap),
dafs die Köpfe der Amerikaner weit eher verwitterten, als die der Europäer.
Dies stimmt nicht überein mit der Aussage des OviEDobey Sou-
WO es heifst, dafs die spanischen Klingen nichts gegen die
Härte der amerikanischen Schädel vermochten; beyde Aeufserungen mögen
wohl gleich ungegründet seyn. Ob ich gleich alle mögliche Sorgfalt
angewandt hatte, diese Nachgrabung geheim zuhalten, so verbreitete
sich doch das Gerücht davon schnell auf dem Qaartel, und erregte
grofses Aufsehen unter den ungebildeten Menschen. Von Neugierde getrieben,
und doch mit einem heimlichen Grausen, kamen mehrere an
die Thür meiner Wohnung, und forderten den Kopf zu sehen, den ich
aber sogleich in meinen Koffer verborgen hatte, und so schnell als
möglich nach der f^illa de Belmonte hinab zu senden suchte. Doch
hatten, wie ich jetzt beobachtete, die Botocudos weniger Anstofs an
meinem Unternehmen genommen, als die Soldaten des Quarteis, von denen
auch mehrere sich geweigert hatten, bey der Ausgrabung die gewünschte
Hälfe zu leisten. Nachdem ich an diesem interessanten Orte meine Absichten
erreicht hatte , kehrte ich nach dem Landungsplatze zurück, und
( * ) AZARA voyages etc. "Vol. II. p. 5Q.
(**) SOUTH Evs history of Brazil Vol. I. p. 63o.