3 2 A u f e n t h a l t in Rio de Janeiro
nöthig und falsche übereilte Angaben würden in einem solchen Gemähide
unvermeidlich seyn und seine Zuverläfsigkeit sehr gefährden. Gewifs
haben wir indessen in kurzem von den vielen gegenwärtig dort lebenden
Europäern interessante Darstellungen dieser Königsstadt zu erwarten.
Ich trat im Winter des tropischen Glima^s in Rio ans Land, bey
einer Temperatur, die der Hitze unserer wärmsten Sommermonate
gleich war, und erwartete Regen in diesem amerikanischen Winter
allein ich hatte mich zu meiner Freude geirrt: es regnete nicht; ein
Beweis, wie ungegründet die gemeine Sage ist, dafs es in dem heifsen
amerikanischen Clima in der kalten Jahreszeit beständig regne. Meine
Empfehlungsbriefe verschafften mir in einigen Häusern sehr zuvorkommende
Aufnahme. Ich mufs hier mit innigem Dankgefahle des schwedischen
General-Consuls W E S T I N , des russischen Consuls VON LANGSD
O R F F , des englischen Charge d'affaires CHAMB E R LAIN, und des russischen
S w E R T S K O F F erwähnen. Diese Herren bestrebten sich um die
W e t t e , mir meinen Aufenthalt angenehm zu machen, und mein Landsmann,
der Ingenieur-Major F E L D N E R , überhäufte mich mit Beweisen
seiner Güte. Ihnen verdanke ich mehrere unterhaltende Landparthien,
welche mich die schöne Gegend um Rio kennen lehrten. Unter diesen
war eine für mich vom höchsten Interesse, da sie mir die erste Ansicht
der Urbewohner Brasiliens verschaffte. Das Dörfchen 5. Loiirenzo ist in
der Nähe von Rio de Janeiro der einzige Ort, wo sich noch Ueberreste
der ehemals so zahlreichen eingebornen Stämme dieses Landes erhalten
haben. Um diese näher kennen zu lernen, verliefsen wir in angenehmer
Gesellschaft die Stadt, geführt von dem der Gegend kundigen
Capitain F E R R E I R A , und überschifften einen Theil des Busens von Rio,
Das schönste Wet ter begünstigte uns und jeder Augenblick brachte mir
Freude durch die neuen Ansichten und Naturscenen, wozu die reizenden
Gebüsche an den Ufern , die aus den schönsten Formen zusammen-
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gesetzt, von dem lieblichsten Golorit belebt, und durch die grellsten
Lichter gehoben sind, unendlich viel beytrugen. Wir landeten unweit
5. Lourenzo und erstiegen mäfsige Höhen auf einem Pfade, der durch
dunkles Buschwerk von den schönsten Gewächsen hinauf führt. Lantanen
{Lantana) mit ihren feuerfarbenen , hochrothen oder rosenrothen Blumenköpfchen
bilden hier, mit Helikonien (T/eZzcoma) und anderen zierlichen
Pflanzen gemischt, ein dichtes Gesträuch. Auf der Höhe liegen
die Wohnungen der Indier zerstreut in Wäldchen von finster-schattigen
Orangen-, Bananen-, Melonen-und anderen Bäumen, die mit herrlichen
Früchten beladen sind. Hier würde der Mahler Gelegenheit haben, seinen
Pinsel an der tropischen Pflanzenfülle und an den ländlichen Scenen
einer erhabenen Natur zu vervollkommnen. Wir fanden die Bewohner
in ihren Hütten sämmtlich mit Verfertigung irdener Geschirre aus einer
dunkelgrauen Thonart, die sich nachher röthlich brennt, beschäftigt.
Sie bereiten daraus grofse Gefäfse, blos mit den Händen, ohne Töpfer-
Scheibe, und glätten sie mit einer kleinen Seemuschel, die sie mit dem
Munde anfeuchten; Jung und Alt safs dabey auf der Erde. Die Männer
arbeiten im Dienste des Königs auf den Schiffen. Der gröfste Theil dieser
Menschen hat noch unverkennbar seine ächt indische Gesichtsbildung,
andere hingegen schienen schon etwas vermischter Abkunft. Die unterscheidenden
Züge der brasilianischen Menschenrace, die ich hier zuerst
beobachtete, später aber immer bestätigt fand, sind ein mäfsig grofser,
öfters kleiner, wohlgewachsener Körper, bey den Männern untersetzt
und muskulös; eine röthlich oder gelblich braune Farbe; ein sehr starkes,
hartes, langes, kohlschwarzes, schlichtes Haar; ein breites, etwas stark
knochigtes Gesicht, oft mit etwas schief gestellten Augen, jedoch häufig
wohlgebildet, mit starken Zügen und meist etwas dickem Munde; Hände
undFüfse klein und zierlich; bey den Männern ein gewöhnlich dünner,
harter Bart.