
Seine Verzückungen und die eines anderen »Bruders« S ia o - t s a o - w u i
bezeiclineteHüN-siu-TSTJEN als gottgesandt. Y a n - s in pflegte im Namen
des himmlischen Vaters zu reden, S i a o - t s a o im Namen Jesu. Des
Ersteren Worte waren ernst und furchtbar; er weissagte künftige
Ereignisse, ermahnte zur Tugend, brandmarkte das Laster und heilte
oft Kranke durch Gebet. S i a o - t s a o redete milder und gütiger. —
So berichtet H u n - d z in im Einklang mit den viel späteren Mittheilungen
der T a e - p i n - Fürsten z u N a n - k i n , unter welchen jene Beiden
selbst die vornehmsten waren.
Trotz seiner längeren Abwesenheit und trotz den Verzückungen
des Y a n und des S ia o sahen die Gottes Verehrer H u n -
s iu - t s u e n beständig als ihr Haupt an. Er zählte jetzt siebenund-
dreissig Jahre und hatte sich sehr verändert. Ernst und zurückhaltend
in seinem Wesen und rein von Sitten strafte er rücksichtslos jeden
Fehler der Seinen, und Alle duldeten es ohne Murren. Einige Monat
nach dem Tode des Kaisers T a u - k w a n— im Juni oder Juli 1850 —
sandte er drei Brüder der Gemeinde nach seiner Heimath, um seine
ganze Familie holen zu lassen. Nach H u n - d z in ’s Erzählung hätte
er damals schon den Gedanken der Auflehnung gegen die Mandschu
gefasst. Die Zahl seiner Anhänger war dermaassen gewachsen und
ihr Bekenntniss stritt so heftig gegen die bestehende Ordnung, dass
die Nothwendigkeit des Kampfes zu Tage lag. Die Aussichten einer
Erhebung schienen günstig; denn in K u a n - s i war das Ansehn der
Dynastie tief erschüttert; überall boten Rebellenschaaren den kaiserlichen
Truppen offenen Trotz, und die angesessene Bevölkerung
hasste letztere weit mehr als die Aufrührer. Dazu kam eine natürliche
Spaltung in der Bevölkerung von K u a n - s i . Neben den in die
Berge gedrängten M ia o - t s e wohnten dort Chinesen, deren Vorfahren
in zwei weit von einander entfernten Perioden aus K u a n - t u n
einwanderten. Die Nachkommen der älteren Colonie hiessen P u n - t i ,
die der jüngeren K e i - k ia . Die P u n - t i müssen sehr früh nach Khan - si
gekommen sein, denn das Wort bedeutet »eingeboren«-. Sie besitzen
die wohlhabendsten Städte und Dörfer und bilden das conservative
Element der Bevölkerung. Die K e i - k i a , »Fremden«, wohnen auch
schon seit mehreren Generationen in K u a n - s i und haben dort Städte
und Dörfer; ihr Dialect gleicht aber dem von K u a n - t u n viel mehr
als der der P u n - t i , mit welchen sie immer in Spannung lebten.
Alle Dreifaltigkeitsbündler in K u a n - s i gehörten zu den K e i - k ia ,
ebenso alle »Gottesverehrer« der Gemeinden des H u n - s iu - t s u e n ,
Nun entspann sich im Sommer 1850 zwischen den P u n - t i und
K e i - k ia um den Besitz eines Mädchens eine heftige Fehde, in
welcher die Obrigkeit auf Seite der ersteren trat. Zu schwach
oder zu indolent ihnen thätig zu helfen, scheint sie die P u n - t i zur
Selbsthülfe getrieben zu haben, und veranlasste einen Bürgerkrieg,
welcher die ganze K e i - k i a -Bevölkerung zum Aufstande trieb.
So bedurfte es nur der Concentrirung um einen Führer,
um den Kaiserlichen gleich mit gewaltiger Masse entgegenzutreten;
aber dazu scheint H u n - s iu - t s u e n die bewegende Thatkraft und
militärische Begabung gefehlt zu haben. Hatte er die Absicht die
Mandschu zu stürzen, so liess er sich doch von den Ereignissen treiben
und blieb auch in der Folge nur das geistliche Haupt der Bewegung.
Während die militärische und politische Leitung in die Hände Anderer,
vorzüglich des Y a n - s in - t s in überging, fuhr H u n - s i u - t s u e n
fort sich der Ausbildung seiner Lehre zu widmen und sittlich auf seine
Schaaren zu wirken, welche er mit puritanischer Strenge discipli-
nirte und durch Erweckung des Glaubens an göttliche Hülfe unüberwindlich
machte. Dass damals Entschlüsse in ihm reiften, beweist
der Umstand, dass er im Sommer 1850 seine Anhänger zum Verkauf
aller liegenden Habe und Ablieferung des Geldes in die gemeinschaftliche
Kasse antrieb, aus der alle genährt und gekleidet wurden.
Aller Besitz sollte gemeinsam sein, Keiner etwas Eigenes
haben. Wie gross sein Ansehn gewesen sein muss, lässt die Durchführung
dieser radicalen Maassregel erkennen.
Im Spätsommer 1850, um dieselbe Zeit, als die K e i -
k ia aufstanden, waren auch die Gottesverehrer am Distelberge
wieder in Conflict mit der Obrigkeit gerathen. Ein wegen Bildersturmes
eingekerkerter Verwandter des H u n - s i u - t s u e n starb
an Misshandlungen; er selbst und I u n - y u n - s a n sollten verhaftet
werden als Gründer einer Gesellschaft, »die nicht nur
beschuldigt sei, den Gottesdienst Anderer zu stören, sondern
auch die Banditen zu begünstigen und insgeheim verbrecherische
Absichten gegen die Obrigkeit zu hegen«. H u n und F u n flüchteten
mit wenigen Begleitern nach dem Hause eines Freundes in
enger auf einem einzigen schmalen Pfade zugänglicher Gebirgsschlucht.
Die Mandarinen erkundeten ihre Zuflucht und besetzten
den Pass mit Soldaten; F Iu n und die Anderen wurden dort ausgehungert
oder gefangen, wenn nicht Hülfe kam. Da zeigte Y a n -
• s i n - t s in zum ersten Male seine Kraft und Fähigkeit. Von der Ge