
Durchführung dieser Maassregel geschah so eilig, dass die Compagnie
ihre Schiffe und anderen Besitzthümer in K a n - to n mit Schaden
verkaufen musste. Den dortigen Engländern kam die Nachricht
von dieser völligen Umgestaltung aller Verhältnisse fast eben so
überraschend, als den Chinesen; und bevor noch die nöthigsten
Anstalten für den Wechsel getroffen waren, erschien der Ober-
1834. Commissaral) Lord Napier am 15. Juli 1834 in Macao.
Zum zweiten Mitgliede der Commission war der letzte Handelsvorsteher
(President of the select committee) Mr. Davis ernannt,
als dritter vorläufig Sir George Robinson gewählt worden.
Davis ist gewiss der vorzüglichste Kenner chinesischer Zustände
und ein Mann von klarem besonnenen Urtheil gewesen, wohl geeignet,
die Dinge in die richtige Bahn zu leiten; Lord Napier selbst
wird als ein Staatsmann vom liebenswürdigsten Charakter und den
lautersten Absichten geschildert; aber ihre Instructionen waren so
beengend, den Verhältnissen so widerstrebend, dass jede angemessene
Maassregel unterbleiben musste. — Die Gerüchte von den
ausgedehnten Vollmachten der Commissare beunruhigten die argwöhnischen
Chinesen. Der Regierung war keine Anzeige gemacht
von Lord Napiers Ernennung; »Er selbst,« befahl die Instruction,
»solle dem Vice-König seine Ankunft in K a n - to n schriftlich melden.«
— Am 23. Juli schifften die Commissare sich in Macao auf der
Andromache ein, segelten nach dem Ankerplatz bei T s ü e n - p i , unterhalb
der Bocca Tigris, und fuhren am folgenden Tage im Cutter
der Fregatte nach K a n - to n . Lord Napier richtete an den Vice-König
ein seine Ankunft und amtliche Sendung meldendes Schreiben,
welches an der zu Ueberreichung der Eingaben bestimmten Stelle
eingeliefert, von den Mandarinen aber zurückgewiesen wurde, weil
es die Ueberschrift »Mittheilung« trug. Sie verlangten, dass statt
dessen der Ausdruck »Gesuch« (Petition) gebraucht werde; so
müssen alle von Kaufleuten an chinesische Behörden gerichtete
Schreiben bezeichnet sein. Lord Napier verbot nun seine Stellung,
diesem Ansinnen zu entsprechen und die Mittheilung unterblieb.
Auch der Aufforderung, mit den H on - Kaufleuten zu unterhandeln,
konnte er ohne Erniedrigung nicht nachkommen; das wusste der
Vice-König, der offenbar nur wünschte, die Commissare aus K a n - to n
2l) Chief-commissioner. Die drei Commissare hiessen auch »Superintendant
of trade».
zu vertreiben. Er sperrte den Handel, entzog Lord Napier seine
chinesische Dienerschaft, schnitt ihm die Lebensmittel ab und liess
seine Wohnung mit Soldaten umstellen. Nun ersuchte der Ober-
Commissar den commandirenden Flotten-Officier, mit den Kriegsschiffen
nach W a m - p o a z u kommen. — Am Morgen des /. September
gingen Andromache und Imogen, gegen den Nordwind kreuzend,
an den Batterieen der Bocca Tigris vorbei und brachten deren 1 euer
leicht zum Schweigen , mussten aber der Ebbe wegen unterhalb der
Tiger-Insel ankern. Erst am 9. September wurde der Wind günstig.
Die Werke der Insel liessen alle Geschütze auf die Fregatten spielen,
jede hatte einen Todten und mehrere Verwundete. Sie fuhren,
volle Breitseiten feuernd, auf Pistolenschusswei'te an den Werken
vorüber, deren Trümmer der Besatzung um die Köpfe flogen. Windstillen
verzögerten die Ankunft der Schiffe bei W a m - p o a noch bis
zum 11. September; die Chinesen hatten jeden Verkehr der dort
ankernden Kauflfährer mit K a n - to n abgeschnitten.
Nun forderte der Vice-König als Bedingung für Aufhebung
des Handelsverbotes die Entfernung der Kriegsschiffe aus dem Perl-
Fluss und die Abreise des Lord Napier aus K a n - to n . Letzterer
theilte der englischen Gemeinde mit, dass er alle ihm zu Gebote
stehenden Mittel erschöpft habe, der Commission die ihr zukommende
Stellung zu bereiten, und sich nicht für befugt halte, durch
unfruchtbares Beharren auf seinen Ansprüchen die Interessen des
Handels zu schädigen. — Die Kriegsschiffe gingen nach L i n - t in .
Lord Napier reiste krank auf einem Proviantboot durch die südliche
Flussmündung nach Macao und starb dort nach wenigen
Wochen. Nach seiner Abreise wurden in K a n - to n die Handelsgeschäfte
wieder aufgenommen.
Nach Davis’ öffentlich ausgesprochenem Urtheil wäre diesen
Verwicklungen durch eine an den Hof von P e - k i n gerichtete, den
Behörden in K a n - to n zur Beförderung übergebene Mittheilung der
englischen Regierung von der Ernennung und amtlichen Stellung
der Commissare vorzubeugen gewesen. Auf solche Meldung hatte
die kaiserliche Regierung wohl ein Recht; sie erklärte später
unumwunden, dass sie dieselbe erwarten müsse und sich die Be-
fugniss wahre, die Beziehungen fremder Bevollmächtigten zu den
einheimischen Behörden zu sanctioniren. — Das wäre auch nur dem
Exequatur europäischer Souveräne entsprechend. — Die Unterlassung
dieses Schrittes brachte Lord Napier von Anfang an in eine falsche