
Willen die Ordnung aufrecht zu halten, und die Bevölkerung von
K a n - t o n schien für einige Zeit eingeschüchtert, ln der Umgegend
war es nicht geheuer; das wehrhafte Landvolk bedrohte jeden Fremden,
und diese gingen nur bewaffnet hinaus. Anfang December 1847
wurden sechs Engländer auf einem Ausflug in die Umgegend von
einem Volkshaufen ermordet, nachdem sie mit Taschenpistolen einen
Chinesen erschossen und einen anderen im Unterleib verwundet
hatten. K i - y in traf die wirksamsten Maassregeln zu Verhaftung
der schuldigen Chinesen und liess ungesäumt die vier Rädelsführer
in ihrem Dorfe, wo sie die That verübten, in Gegenwart eines englischen
Militär-Detachements enthaupten. Ueber elf andere berichtete
er an den Kaiser, welcher die gefällten Urtlieile bestätigte.69)
Einige Jahre vergingen nun ohne blutige Reibungen; aber das Ö O Ö Ö o ■
Feuer des Hasses glomm unter der Asche, und die Obrigkeit gewann
ihr Ansehn bei der Bevölkerung so bald nicht wieder. Als
mit dem Jahre 1849 der für die vertragsmässige Freigebung der Stadt
K a n - t o n zuletzt bestimmte Termin eintrat, erklärte die chinesische
Regierung abermals, gegen den Willen der Bewohner nichts aus-
ricliten zu können, und die Engländer kannten die Stimmung zu
gut, um auf Einhaltung der Frist unbedingt zu bestehen.
69) Von diesen elf wurden einer zu Enthauptung, einer zu Erdrosselung, drei
zu schwerer Verbannung auf Lebenszeit, sechs zu leichterer Verbannung und der
Bastonade verurtheilt. In K i - yin’s Bericht an den Kaiser, von welchem Davis sich
eine Abschrift verschaffte, kommt Folgendes vor: »Ich möchte deshalb wünschen
diese hartköpfigen Dorfbewohner mit äusserster Strenge zu züchtigen, damit das
widerspenstige Volk mit ehrerbietiger Scheu erfüllt, damit für die Zukunft unzähligen
Verwickelungen vorgebeugt und den Engländern jede Veranlassung genommen werde,
selbst Vergeltung zu üben. Da es nur ein einziges Dorf ist, das keine Milde verdient,
und auf mehtere Provinzen Rücksicht genommen werden muss, so können die
in dieser einen Ortschaft zur Erbauung von Hunderten vollzogenen Todesstrafen auf
deiner geheiligten Majestät Milde und zärtliche Sorge für das menschliche Lehen
keinen Schatten werfen.«
IV.
DIE T A E - PIN-BEWEGUNG
BIS 1857.
D e r Opiumkrieg erschütterte die Autorität der Mandschu- Regierung
in ihren Grundfesten. So leicht konnte nur ein morscher
Bau ins Wanken kommen; bis dahin arbeitete jedoch die Verwaltungsmaschine
in geordnetem Gange und ohne bedenkliche Storung.
Betrachtete gleich das Volk die Tartaren als fremde Unterdrücker,
so brütete doch der Hass nur im Dunkelen oder ermannte
sich einmal zu hoffnungslosem Ringen. Die im Reiche zerstreuten
Tartaren-Garnisonen genügten zu Aufrechthaltung der Ordnung im
Grossen; das Volk zahlte seine Steuern; die Provinzial-Behorden
konnten Ueberschüsse nach der Hauptstadt senden und der kaiserliche
Schatz war reich gefüllt. Erst der Opiumkrieg stellte die
Schwäche der Mandschu-Herrschaft in helles Licht und fuhr e
mittelbar die grosse T a e - p i n - Bewegung herbei, welche fünfzehn
Jahre lang den Thron bedrohte und über den grössten Theil des
Reiches unsägliches Elend brachte.
Die Geschichte von Cliina’s Eroberung durch die Mandschu
ist in Kurzem folgende: . '
Die letzten M i n -Kaiser waren entartete Sprossen des grossen
Hauses, dessen Gründer 1368 die mongolischen Nachkommen des
D z e n g i s - k h a n nach kaum hundertjähriger Herrschaft aus China
vertrieb; sie lebten, von Eunuchen beherrscht, in tiefster Verweichlichung.
Das leidende Volk scheint sie längst nicht mehr als
echte Himmelssöhne angesehen zu haben und bediente sich reichlich
des -in der Theorie des chinesischen Staates begründeten
Rechtes der Rebellion: die letzten fünfundzwanzig Jahre der Min-
Herrschaft bekämpften kaiserliche Heere unablässig Insurgenten in
den Provinzen und die von Norden und Westen eindringenden