
zu Tage. Wurde das Haus eines verhassten Beamten nieder-
gebrannt, so handelte das Volk genau nach Vorschrift seiner
Führer, enthielt sich der Plünderung und schützte alle an die
Brandstätte grenzenden Gebäude. Die obersten Behörden liessen
solche Excesse ungerügt oder bestraften ohenein den unbeliebten
Beamten. Das Volk, zur Abwehr der Briten und der heimischen
Banditen bewaffnet, liess die Obrigkeit seine Macht fühlen und
bestritt ihr auch in der Umgegend von K a n - t o n das Recht der
Steuererhebung. Anfangs hatte K i - y in die Bewaffnung empfohlen,
erkannte aber bald seinen Irrthum und warnte den Kaiser. T a u -
k w a n aber wiegte sich in den Friedensjahren wieder in Träume
von China’s Ueberlegenheit und lieh der Reaction sein Ohr. Er
glaubte, dass die Macht der Engländer im Sinken, ihre Stellung
auf H o n g - k o n g gefährdet, ihr Handel im Abnehmen sei, und
sprach von ihnen als viehischen Geschöpfen, die keiner Beachtung
werth, keiner anderen Leidenschaft fähig wären als der Habgier.
Die Einfuhr englischer Baumwollenzeuge war ihm ein Dorn im
Auge; der Gebrauch des Opium, hatte er sich einreden lassen,
werde bei gänzlicher Ignorirung in wenigen Jahren von selbst aufhören.
An der Bewaffnung des Volkes hatte T a u - k w a n besondere
Freude und glaubte nicht, dass es jemals andere Rechte beanspruchen
könne, als die auf uraltem Herkommen fussenden oder
vom Himmelssohne gnädigst gewährten. Er hielt K i - y in für zu
ängstlich, rief ihn 1848 nach P e - k in zurück und schickte den Siu-
k w a n - t s in nach K a n - t o n , der zu seiner Freude in einem Monat
hunderttausend Mann auf die Beine brachte und mehrere hunderttausend
T a e l z u ihrer Unterhaltung sammelte; so lautete wenigstens
dessen Bericht.
K i - y in erhielt eine ehrenvolle Stellung bei der Person des
Kaisers, der in den letzten Lebensjahren auf seinen Rath wenig
gehört zu haben scheint. Nach T a u - k w a n ’s am 25. Februar 1850
erfolgtem Tode gab ihm dessen Wittwe durch den Befehl zur Leitung
der Exequien ein Zeichen des höchsten Vertrauens. Nach
der Thronbesteigung des kaum zwanzigjährigen H i e n - f u n 71) gewann
aber die Reaction grössere Macht. Gegen die Ansichten K i - y in ’s
und M u - t s a n - g a ’s , welcher seit dem Opiumkriege die Seele der
Regierung und K i - y in ’s stärkste Stütze in P e - k in gewesen war,
liess der junge Kaiser eine zu seiner Beglückwünschung geschickte
71) E r w ar d e r vierte Sohn des T a u - kwan.
englische Gesandtschaft in T i e n - t s in zurückweisen und trat ihrem
auf endliche Freigebung der Stadt K a n - t o n gerichteten Antrage
mit schroffer Weigerung entgegen. Als darauf keine Gewaltschritte
folgtenj wähnte des Kaisers Umgebung, durch abwehrendes
Verhalten die Barbaren auch ferner schrecken zu können.
»Des Reiches Würde sollte hergestellt, die unglückliche Wirkung
des Krieges beseitigt, die Verträge sollten umgangen werden. Die
Barbaren an des Reiches Grenzen müssten zu ihrer früheren Ehrfurcht
vor der himmlischen Macht zurückkehren und, wie sonst,
dem Himmelssohne unbedingten Gehorsam leisten.« M u - t s a n - g a ,
K i - y in und andere um den Abschluss und die Ausführung der
Verträge verdiente Männer wurden degradirt und schimpflich bestraft.
Der Erlass des jungen Kaisers lässt T a u - k w a n als gut-
müthigen Schwächling erscheinen und bezeichnet K i - y in als
schamlos und lasterhaft, frech, reuelos, feige, unpatriotisch und
unfähig. »In K u a n - t u n hat er den Barbaren zu Gefallen das Volk
unterdrückt. Das IV ohl des Staates kümmerte ihn niemals, was
sich besonders bei den Verhandlungen über den Eintritt der Barbaren
in die Stadt K a n - t o n deutlich zeigte. So fremd war er
allen Grundsätzen der himmlischen Gerechtigkeit und allen menschlichen
Gefühlen, dass Feindseligkeiten entstanden, wo sie gar nicht
erwartet werden konnten. Zum Glück erkannte des hingeschiede-
nen Kaisers Majestät die Zweideutigkeit des Mannes und befahl
ihm nach der Hauptstadt zu kommen. So oft K i - y in im Laufe
dieses Jahres vor uns beschieden wurde, sprach er immer von der
Furchtbarkeit der englischen Barbaren; man müsse sich bei allen
Differenzen ihren Wünschen fügen. Er wollte mit diesen Reden
nur seinen Verrath bemänteln, sein Amt und sein Einkommen
wahren u. s. w.«7i) M ü - t s a n - g a wurde einfach seines Amtes enthoben,
um niemals wieder angestellt zu werden, K i - y in in die
fünfte Beamtenclasse degradirt und als überzähliger Schreiber einem
Ministerialbureau zugewiesen.
In K u a n - t u n und den angrenzenden Landschaften wuchs
seit K i - y in ’s Entfernung 1848 das gesetzlose Treiben, wozu das
unkluge Benehmen des neuen Vice-Königs beitrug. Räuberbanden
des Dreifaltigkeitsbundes lebten in beständigem Krieg mit den
besitzenden Classen und ergänzten sich aus der Zahl der Beraubten.
ra) Der ganze Erlass steht bei Neumann, Ostasiatische Geschichte, S. 106.
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