
aus Erinnerungen an Kapitel der Offenbarung Johannis in L ia n - a - e a 's
Buch. — Allmälicli genas H u k - s iu - t s u e n : »sein Aeusseres und sein
Charakter waren ganz umgewandelt. Er betrug sich umsichtig, offen
und freundlich, und nahm zu an Höhe und Gestalt. Sein Schritt
wurde fest und gemessen, seine Anschauung frei und grossartig.«
Von seinen Visionen pflegte er als einer sonderbaren aber keineswegs
wichtigen Sache zu reden. , Er trat wieder in sein Amt als
Schulmeister und unterzog sich abermals vergebens der Staatsprüfung
in Kan- t o n .
Erst nach dem Frieden von N a n - k in scheint H u n - s iu - t s u e n
auf die Fremden des Westens aufmerksam geworden zu sein, deren
Religion er, in den Grundsätzen der heiligen Schriften China’s
erzogen, für finsteren Aberglauben halten musste. Jetzt las er,
durch einen Freund veranlasst, das Buch des L i a n - a - e a mit
Aufmerksamkeit: »Er fand darin mit Erstaunen den Schlüssel zu
seinen Visionen Er erkannte, dass der ehrwürdige Alte auf
dem höchsten Platze, den alle Menschen anbeten sollten, Gott, der
himmlische Vater, der Mann in mittleren Jahren aber, der ihn bei
Ausrottung der bösen Geister unterwiesen und gestärkt hatte,
Jesus, der Welterlöser sei. Die Dämonen mussten die Götzen sein;
seine Brüder und Schwestern die Menschen auf Erden. H u n - s iu -
t s u e n glaubte aus einem langen Traum zu erwachen; er freute
sich den richtigen Weg zum Himmel und sichere Hoffnung auf
ewiges Leben und Glückseligkeit gefunden zu haben.« So erzählt
Hamberg nach dem Bericht des'HuN-DziN.
H u n - s iu - t s u e n glaubte sich nun berufen, die Welt, d. h.
China, zu Anbetung des wahren Gottes, des § a n - t i , zurückzuführen
, welchen der erste Herrscher der ruhmwürdigen TsAU-Dynastie
verehrt hatte. Denn das früheste chinesische Zeitalter kannte einen
persönlichen Gott; dieser Begriff ging erst in den Lehren des Con-
fucius, im Buddismus und T a o ism u s unter. — Der Glauben an
S a n - T i musste den Fremden den Sieg über die götzendienerischen
Mandschu verliehen haben. H u n - s iu - t s u e n und sein Freund Li
tauften sich selbst und begannen in ihrem Dorfe nach dem Beispiel
L ia n - a - e a zu predigen, dessen Missionsthätigkeit in seinem Buche
beschrieben war. — Wie weit damals schon die Schwärmerei
des H u n - s iu - t s u e n mit Ehrsucht versetzt war, lässt sich nicht
ermessen. Seine Haltung in späteren Jahren zeigt, dass diese
Leidenschaft sogar zu maasslosem Grössenwahn in ihm ausartete
und alle anderen Regungen verschlang. Aber das steht fest,
dass er Jahre lang seine Lehren ohne selbstsüchtiges Streben predigte,
den Götzendienst ohne Menschenfurcht verfolgte, eine grosse
Gemeinde um sich sammelte und seine Schaaren zu unerhörten
Erfolgen führte. Seine unbedingte Herrschaft über die Geister lässt
sich kaum anders erklären, als aus der Tiefe und Festigkeit seiner
Ueberzeugung und dem Glauben an seine göttliche Sendung.
Einer der eifrigsten Convertiten des H u n - s i u - t s u e n war
F ü n - y u n - s a n , Schulmeister eines Nachbardorfes. Da Beide die
Gedächtnisstafeln des Confucius aus ihren Schulstuben entfernten,
so verödeten diese bald gänzlich. H u n und F u n mussten nach
neuem Broderwerbe umschauen und zogen mit Pinseln und Tusche
hausirend durch das Land. Anfang 1844 gelangten sie, durch die
Provinz K u a n - s i wandernd, in das Gebiet der M ia o - t s e , unabhängiger
Bergbewohner, auf deren Bekehrung sie grosse Hoffnungen
netzten, mussten aber wegen Unkunde der Sprache umkehren
und fanden Zuflucht bei einem Verwandten des H u n - s i u - t s u e n im
Bezirke K w e i , w o sie fünf Monat blieben und eine Gemeinde von
etwa hundert Seelen stifteten. F u n - y u n - sa n trat darauf die Rückreise
an, begegnete aber einigen ihm bekannten Erdarbeitern und
begleitete sie nach dem »Distelberge« im K w e i - e i n -Bezirk. Hier
schleppte er mit ihnen Erde und bekehrte in kurzer Zeit nicht nur
viele der Tagelöhner, sondern den Arbeitgeber selbst zu der neuen
Lehre. Er blieb mehrere Jahre in dieser Gegend und gründete am
Distelberge Gemeinden von »Gottesverehrern«, welche spater der
Kern der politischen Bewegung wurden.
Einen Monat nach F u n verliess auch H u n - s iu - t s u e n seinen
Verwandten W a n in K u a n - s i und wanderte nach derHeimath, wo
eT während der Jahre 1845 und 1846 predigte, religiöse Oden und
Aufsätze schrieb. Im Sommer 1847 soll er nach K a n - t o n gegangen
und dort von dem americanischen Geistlichen Roberts zwei Monate
lang unterrichtet worden sein. Dann schien er sich im Dienst der
fremden Missionare dem Predigtamte widmen zu wollen und
verlangte die Taufe, wurde aber abgewiesen, weil er zugleich um
Unterstützung b a t,73) und verliess darauf K a n - t o n . Erzo g wieder
I Er soll'dazu von neidischen Genossen angestiftet worden sein. Roberts fand
a.m-ls nichts an ihm, das ihn von änderen Leuten seiner Ciasse unterschieden hatte.
Dass Hun- siu - t s u e n es wirklich war, der dessen Unterricht genoss, beweist die
Aufnahme, welche Roberts später in N a n - k i n bei ihm fand.