
schon geschlossen; diese Auffassung der Lage sei irrig, da die
Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Ohne Vergeltung' der an den
Gefangenen verübten Schandthaten könne kein Frieden sein zwischen
Grossbritannien und der T s in - Dynastie. Der Sommerpalast werde
von Grund aus zerstört werden; ausserdem habe die chinesische
Regierung 300,000 T a e l als Entschädigung für die überlebenden
Gefangenen und die Verwandten der gemordeten zu zahlen. Der
Convention müsse ein Artikel beigefügt werden, welcher es in das
Belieben der englischen Regierung stelle, T i e n - t s in bis zur gänzlichen
Tilgung der Kriegsschuld besetzt zu halten. Hätte der Prinz
Lord Eigin nicht bis zum 20. October 10 Uhr Vormittags angezeigt,
dass die Summe von 300,000 T a e l am 22. zur Zahlung bereit
liegen solle, dass er am 23. die Convention unterzeichnen und
die Ratificationsurkunden des Vertrages aus wechseln wolle, so
werde Lord Eigin den commandirenden General ersuchen, sich des
kaiserlichen Palastes in P e - k in z u bemächtigen und solche ferneren
Schritte zu thun, als er zu Durchführung dieser Forderungen angemessen
erachte. Sollte der Widerstand der chinesischen Regierung
ihn zu diesem Verfahren zwingen, so werde er zugleich den Com-
mandeur der Flotte ersuchen, Gewaltschritte anzuordnen. Er erinnere
den Prinzen daran, dass bisher die Steuern in Kan- t o n für
kaiserliche Rechnung erhoben seien, dass nur die Truppen der
Verbündeten S h a n o - h a e vor den Rebellen schützten, dass ihre
Flotte sowohl das Meer als die Binnenwässer beherrsche und die
Getreidezufuhren nach der Hauptstadt leicht abschneiden könne.
Kaum 20 Meilen von P e - k in spottete damals ein Insurgenten-
Heer der kaiserlichen Macht; der politisirende Bürger der Residenz
kannte natürlich genau dessen Beziehungen zu den Alliirten, der
Sturz der T s i n -Dynastie bildete das Tagesgespräch. Man glaubte
denselben besiegelt durch die Zerstörung des Sommerpalastes,
welche mit Darlegung der Gründe und Drohungen gegen das Kaiserhaus
den Bewohnern der Hauptstadt in Proclamationen angezeigt
wurde.
Am 18. October marscbirte ein englisches Detachement nach
Y u a n - m in - y u a n und steckte die zahlreichen in meilenweiten Gärten
zerstreuten Paläste, leider auch die Bibliothek in Brand, die reichste
und berühmteste Sammlung von ganz Asien, deren Zerstörung nicht
nur ein unersetzlicher Verlust für die Wissenschaft war, sondern
auch die Europäer in den Augen jedes gebildeten Chinesen zu
rohen Barbaren stempeln musste. Diesen Act des Vandalismus
wird die Geschichte niemals vergessen.122) — Zwei Tage lang wüthe-
ten in Y u a n - m in - y u a n die Flammen; schwarze Wolken hingen auf
der Brandstätte; ein leichter Wind blies den Rauch und glimmende
Funken über die Hauptstadt hin, deren Strassen sich mit feiner
Asche bedeckten. — Während des Brandes, am 19. October, meldete
Prinz K u n , dass er Alles bewillige: in der Geldforderung erkennt
er die wohlwollende Absicht, durch Sühnung der Misshandlungen
das freundschaftliche Verhältniss befestigt zu sehen.
Unterdessen ging in P e - k in ein Gerücht, dass von Westen
starke Truppenmassen anrückten. Prinz K u n , plauderten die Bürger,
wolle den Botschafter in die Stadt locken, ermorden u. s. w.
Englische Reiter - Patrouillen, welche täglich die Gegend nach dem
Gebirge durchstreiften, fanden keinen F’eind. Am 22. October entdeckte
aber Major Probyn mit seinen indischen Reitern ein verschanztes
Tartarenlager dicht unter der westlichen Stadtmauer.
Sonderbarer Weise war es die erste Recognoscirung an dieser
Stelle. Die Tartaren rückten beim Anmarsch der Inder in guter
Ordnung aus, und ein Officier kam geritten, zu fragen, was sie
wollten. Der Commandeur nahm denselben mit, liess ihn aber bald
wieder los, da die Dolmetscher entdeckten, dass die Tartaren ohne
feindselige Absicht die ganze Zeit dort gestanden hatten. S - Grade
als die indische Cavallerie hinausritt, wollte der Prinz von K u n ,
welcher bis dahin ausserhalb P e - k in geweilt hatte, zu Unterzeichnung
der Convention von dieser Seite einziehen. Beim Anblick der
dunklen Reiter wähnte er, es sei auf seine Person gemünzt, kehrte
eiligst um, floh hastig mehrere Meilen weit und schrieb an den
russischen Gesandten General Ignatief, der ihn über die Absichten
der Verbündeten beruhigte.
Am Abend des 22. October wurden die geforderten 300,000
T a e l in die Hände englischer Intendantur-Beamten gezahlt. Die
feierliche Unterzeichnung der Convention erfolgte erst am 24. October
in der »Ceremonien - Halle«, einem grossen Gebäude im Südosten
der Tartarenstadt. Um gegen Ueberrumpelung sicher zu sein, liess
lß2) Die Bibliothek soll den grössten Schatz ungednickter Manuscripte und viele
Unica enthalten haben, welche für die Geschichte nicht blos von China, sondern von
ganz Asien unersetzlich sind. Der Chinese redet von dem Verlust dieser Schätze
etwa wie bei uns von einer Zerstörung des Vaticanes geredet würde; Y u a n - m in -
y u a n soll weitaus die wichtigste Sammlung dieser Art für den ganzen Welttheil
•gewesen sein.