
doch die Pflichten des Menschen gegen den Menschen kennt und
längst Disciplin in ihre Armee gebracht hat, während ihre Truppen
muthwillig den Gartenpalast geplündert und verbrannt haben, die
Commandeure beider Armeen und der britische Gesandte Unkennt-
niss dieser Ereignisse vorschützen? Vom Standpuncte des Rechtes
müsste der britische Gesandte in seiner Antwort deutlich erklären,
was für Strafe gegen die Truppen verhängt, was für Entschädigung
geleistet werden solle. Heut aber erhielt der Prinz zu
seiner Ueberraschung ein Schreiben von Seiner Excellenz Sir Hope
Grant, meldend, dass Derselbe sich des GAN-TiN-Thores zu bemächtigen
wünscht und als Vorspiel dazu Batterieen baut; und
dass er im Weigerungsfälle ain 29. dieses Mondes (13. October)
die Stadt angreifen'will.« - g Nun folgt ein unverständiges Durcheinander
von Erklärungen und Argumenten: der Vertrag und die
Convention sollen angenommen werden; dass der Gesandte eine
Escorte dazu mitbringt, steht schon in der Convention; diese spricht
aber nur von des Gesandten Eintritt in die Hauptstadt; die Stadt-
thore stehen unter Obhut hoher Officiere, welche deren Oeffnen
und Schhessen bewachen; werden sie jetzt plötzlich geöffnet, »der
Dienst der Bewachung und Visitirung rücksichtslos vernachlässigt«,
so wird das Gesindel des Platzes alle Art Unfug stiften; deshalb
muss man Schutzmaassregeln treffen. Da nun Erieden sei
zwischen beiden Nationen, so könne das Thor wohl auch von englischen
Truppen besetzt werden; doch müssten in der Antwort auf
diese Note die Anordnungen speeificirt sein. Nach Eintreffen dieser
Antwort könne man einen Tag zu Unterzeichnung der Convention
u. s. w. bestimmen, damit Anstalten dazu getroffen werden. — Am
Schlüsse rühmt der Prinz seine Milde gegen die Gefangenen und
die Treue, mit welcher er Wort gehalten habe. Dazu lieferte der
Zustand der neun mit dieser Note ausgelieferten Franzosen und
Inder einen passenden Beleg. Der Prinz mochte um deren Misshandlung
nicht wissen.
Am 13. October Morgens um zehn schickte Sir Hope Grant
ohne Rücksicht auf jenes Schreiben Herrn Parkes unter angemessener
Bedeckung ab, die unbedingte Auslieferung des Thores zu fordern.
H a n - k i • suchte Ausflüchte und' Aufschub. Die Bresche-
Geschütze waren geladen und gerichtet; — da öffneten sich wenige
Minuten vor zwölf die Thorflügel, und die Truppen zogen ein. Die
Engländer besetzten die Mauerstrecke vom G a n - t i n bis zum Ti - sin -
Thore, die Franzosen die andere Seite bis zur südöstlichen Ecke
der Tartarenstadt. Die Sieger brachten über die. breiten Rampen
ihre Feldgeschütze mit Leichtigkeit auf die Mauer und richteten sie
auf die Stadt. P e - k i n lag zu ihren Füssen.
Am nächsten Tage wurden die letzten überlebenden Gefangenen
und die stark verwesten Leichen der Uebrigen ausgeliefert.
Die lebenden litten an den furchtbarsten Wunden und verloren
zum Theil den Gebrauch ihrer Glieder. Lord Eigin ahnte nicht
diese Unmenschlichkeit, als er am 7. October seine letzten Forderungen
stellte. Im Heer der Verbündeten gährte wilde Erbitterung;
die Führer mussten bedacht sein auf einen Act exemplarischer Vergeltung,
der den intellectuellen Urheber der- Misshandlungen mit
besonderer Härte träfe. Auch sollte die Bevölkerung von P e - k i n
erfahren, dass die Verbündeten wirklich Herren der Situation seien,
damit nicht in gewohnter Weise die geübte Schonung als Schwäche
und Ohnmacht gedeutet würde. In P e - k i n selbst öffentliche Gebäude
zu zerstören, hinderte Lord Eigin sein gegebenes Wort.
Die Zahlung einer grossen Summe Geldes hätte nur das Volk, nicht
den Fürsten getroffen und wäre zudem eine unwürdige Sühne der
verübten Verbrechen gewesen. Die Auslieferung der wirklichen
Urheber war nicht zu hoffen; man hätte sie auch kaum zu strafen
gewusst. Deshalb beschloss Lord Eigin die völlige Zerstörung der
eigentlichen Residenz der T s in - Dynastie, des Sommerpalastes,
welche den Kaiser persönlich am härtesten treffen und auf die Bevölkerung
von P e -k in den tiefsten Eindruck machen musste. Baron
Gros und General Montauban lehnten jede Theilnahme an dieser
Maassregel ab*
Am 14. October hatte der Prinz yon Kun eine Note an
Lord Eigin gerichtet, in welcher er die Disciplin seines »Gefolges«
— er wollte nicht sagen der »Truppen« — lobte, und meldete, dass
H a n - k i mit Verabredung der für Unterzeichnung der Convention
u. s. w. zu treffenden Anstalten beauftragt sei. Lord Eigin antwortete
in einem sehr ernsten Schreiben. In ungeschmückter Sprache
hält er dem Prinzen den Verrath von Tun- tsau, die verbrecherische
Misshandlung der Gefangenen und seine falschen Berichte
über deren Wohlergehen vor. Die Versprechen der Alliirten seien
in der Voraussetzung gegeben, dass die Erklärungen des Prinzen
auf Wahrheit beruhten, würden aber durch deren Grundlosigkeit
null und nichtig; Der Prinz 'gehehrde sich, als sei der Frieden