
Der feierliche Empfang geschah in einem vor der Stadt gelegenen
Tempel, wo zunächst die Vollmachten geprüft und von den
dolmetschenden Secretären gültig befunden wurden. Als aber Lord
Eigin nach dem Amtssiegel, dem K u a n - f a n fragte, erwiederten die
Chinesen, dass nur für bleibende Stellungen ein solches verliehen
werde, nicht aber für commissarische Aufträge. Darauf brach der
Botschafter die Unterhaltung ab, -wies die gebotenen Erfrischungen
zurück und verabschiedete sich kurz mit der Bemerkung, dass er
sich schriftlich darüber aussprechen werde. Das ±hat die gewünschte
Wirkung. Auf Lord Eigins amtliches Ersuchen wurde das K u a n -
f a n unverzüglich aus P e - k in herbeigeschafft. Die Commissare baten
nun den Botschafter schriftlich, dass Herr Lay, welcher durch seine
Stellung als Zollinspector in chinesischen Diensten zum Vermittler
besonders geeignet war, sie besuchen und mit seinem Rath unterstützen
dürfe; Lord Eigin aber konnte nur erwünscht sein, dass
derselbe täglich mit ihnen conferirte. — Auch die Gesandten von
Frankreich, Russland und America tauschten mit den chinesischen
Commissaren ihre Vollmachten aus.
Die Verhandlungen, welche von englischer Seite durch Lord
Eigins Bruder, den Botschaftssecretär Honourable Frederick Bruce,
Herrn Lay und Herrn Wade geführt wurden, waren schon im Gange,
als eines Tages der alte K i - y in dem Botschafter seine Ankunft
melden liess. Seit seiner Degradirung nach H i e n - f u n ’s Thronbesteigung
scheint er kein hohes Amt mehr bekleidet und keine
Beziehungen zum Kaiserhofe gehabt zu haben. H i e n - f u n mochte
ihn, wie ein abgelegtes Werkzeug, dessen man nicht schont, in verzweifelter
Lage noch einmal benutzen wollen; er sandte ihn ohne
Vollmacht und amtliche Stellung, nur mit dem Aufträge, bei den
Verhandlungen die chinesischen Interessen zu wahren. Lord Eigin
erstaunte sehr, den alten Freund von Davis und Pöttinger, Welcher
mehr als irgend ein chinesischer Staatsmann das Vertrauen der
Europäer genossen hatte, noch einmal auf der Bühne erscheinen
zu sehen. Eine in Yi’s Archiven gefundene Denkschrift warf aber
einen Schatten auf die Ehrlichkeit seiner Gesinnung, weshalb Lord
Eigin seinen Besuch ablehnte und vorläufig die dolmetschenden
Secretäre zu ihm schickte. Herr Wade und Herr Lay fanden einen
fast erblindeten, hinfälligen Greis, der in Thränen ausbrach über
die Lage von China und seine eigene Mission, welche ihm verderblich
werden müsse. Herr Wade suchte ihn durch die Versicherung;
zu trösten, dass Lord Eigin seine Mitwirkung bei den Vertragsarbeiten
peremtorisch ablehnen werde; das behagte ihm aber nicht.
Er klagte, dass die Engländer China das Messer an die Kehle
setzten, und sprach sich so deutlich aus, dass die Dolmetscher an
seiner Feindschaft nicht mehr zweifelten. Unter den waltenden
Umständen konnten sie in der That keine andere Gesinnung von
einem Manne erwarten, dessen Friedenspolitik und gutes Einvernehmen
mit den Fremden zu seinem I'alle geführt hatte. Er musste
glühenden Barbarenhass zur Schau tragen um sein Leben zu retten,
benahm sich aber kopflos und rannte wirklich in sein Verderben.
K i - y in scheint ohne Ueberlegung und politische Rücksicht
in irrsinniger Angst nur darauf ausgegangen zu sein, um jeden
Preis fremdenfeindlich zu erscheinen. Den schlimmsten Einfluss
übte er auf die Bewohner von T i e n - t s in . Während vorher die
Fremden sich in und ausserhalb der Stadt ohne jede Belästigung
frei bewegt hatten, wurden am Tage nach K i - y in ’s Ankunft der
englische Admiral und mehrere Flottenofficiere in der Stadt vom
Pöbel angefallen, umgerannt und mit Steinen geworfen. Obwohl
das spät ain Nachmittag geschah, so musste doch ein Detachement
Matrosen und Marinesoldaten sofort nach der Stadt marschiren.
Das Thor wurde ihnen vor der Nase zugeschlagen und barricadirt;
die Engländer kletterten jedoch über die Mauer, jagten den Pöbelhaufen
innerhalb mit Fusstritten auseinander und sprengten das
Thor. Dann rückten sie die Hauptstrasse hinauf nach dem Schauplatz
des Tumultes und verhafteten einige Hausbesitzer nebst dem
tartarischen Stadtcommandanten, welche für die Nacht eingesperrt
und erst am Morgen freigelassen wurden. Nach zuverlässigen Mittheilungen
war die Anregung zu feindseligem Auftreten gleich nach
K i - y in ’s Ankunft von den Ortshehörden ausgegangen. Die Fremden
erfuhren auch, dass dieser sich vor den anderen Commissaren
in der stärksten Sprache über die Barbaren äusserte, zu hartnäckigem
Widerstande und Fortsetzung des Krieges drängte. Da nun
K w e i - l ia n und W a - sa n a ihre Schritte zu Erzielung eines glimpflichen
Abkommens überall durchkreuzt sahen, so baten sie den
Kaiser unter dringenden Vorstellungen um K i - y in ’s Abberufung.
H i e n - fu n ' sandte ihm aber jetzt den ausdrücklichen Befehl zu bleiben
und billigte dadurch stillschweigend seine Haltung.
Lord Eigin, welcher wünschen musste, sich des K i - y in um
jeden Preis zu entledigen, schickte am 11. Juni die Herren Wade