
Sir Hope Grant alle auf den Weg des Botschafters mündenden
Strassen durch englische Truppen besetzen. Hundert Reiter und
vierhundert Mann Infanterie escortirten Lord Eigin und sein Gefolge,
welchem sich viele Officiere zu Pferde und in Sänften anschlossen.
Die Bevölkerung drängte sich neugierig hinzu, und die
chinesische Polizei brauchte fleissig die Peitsche, um den Weg frei zu
halten; doch sah man kein Zeichen der Feindlichkeit oder Missachtung.
In der Ceremonien-Halle empfing, umgeben von vielen Würdenträgern,
der Prinz von K u n den Botschafter mit tiefer Verbeugung;
sie setzten sich zugleich an einen in der Mitte stehenden
Tisch. Rechts nahmen die Engländer, links die Chinese.n Platz. Der
Prinz soll mit finsterer Hoheit auf die Versammlung geblickt haben. —
Zunächst wurden die Vollmachten geprüft; die chinesische lautete:
»Am 7. Tage des 8. Mondes des 10. Jahres der Regierung von
I I i e n - f u n (21. September 1860) hatte das Gross - Secretariat die E h re folgendes
kaiserliche Decret zu empfangen.
W ir ernennen Yi - s in , kaiserlichen P rinz en von Kun, zum kaiserlichen
bevollmächtigten Commissar mit Vollmacht Alles zu th u n , was
für den Austausch von Verträgen und den Friedensschluss erforderlich
sein mag. Achtet darauf.«
Nun wurde die Convention unterzeichnet, welche ausser den
bezeiehneten Artikeln noch Bestimmungen über die Abtretung der
Landspitze K atj- l u n , H o n g - k o n g gegenüber, und über die legalisirte
Auswanderung von Chinesen auf englischen Schiffen enthielt.123) —
123) Der im Auszuge mitgetheilte Entwurf der Convention erlitt folgende Modi-
ficationen. Der 3. Artikel der Unterzeichneten Convention normirt die Kriegs-
Entschädigung auf 7,000,000 Tael, von denen 500,000 bis zum 30. November in
Tien- tsin, 333,333 nach Abzug der für den Neubau der Factoreien vorgeschossenen
Summe bi« zum 1. December 1860 in Kan- ton zu zahlen sind. Zu Tilgung der
Restsumme wird vierteljährlich ein Fünftel der Brutto t Einnahme der Zollämter für
den fremden Handel angewiesen, und die erste Rate am 31. December 1860 für das
dann endende Vierteljahr gezahlt werden. Der 3. Artikel des Entwurfes fallt fort.
— Der 4. Artikel der Unterzeichneten Convention ist der 5. des Entwurfes. — Der
5. Artikel legalisirt die Auswanderung von Chinesen auf englischen Schiffen. —
Durch Artikel 6. wird derjenige Theil des Stadtgebietes von Kau- lun der englischen
Krone als Dependenz der Colonie Hong- kong abgetreten, welcher derselben
durch den General-Gouverneur von Kuan- tun auf ewige Zeiten vermiethet war. —
Artikel 7. ist Artikel 4. des Entwurfes. Der 8. Artikel stipulirt die Publication des
Vertrages und der Convention durch die chinesischen Behörden. Nach dem 9. Artikel
sollen Tsu- san und Pe - kin gleich nach Unterzeichnung der Convention und
Ratificirung des Vertrages geräumt, Kan- ton, Ta - ku, Tien- tsin und die Küste
von Tien- tsin dagegen nach Wahl der englischen Regierung bis zur völligen Tilgung
der Kriegsschuld besetzt bleiben.
Dann schritt man zu Auswechselung der Ratificationen des Vertrages
von 1858. Da aber die chinesische Form der Ratificirung
von der unter europäischen Staaten üblichen wesentlich
abweicht, so ersuchte Lord Eigin den Prinzen, unter seinem Siegel
zu bescheinigen, dass die von ihm angewandte für den Kaiser bindend
sei:
»Der Prinz von K u n , bevollmächtigter Commissar Seiner Maje
stä t des Kaisers der T a - t s i n -Dy n a stie , ste llt hiermit eine Bescheinigung
aus.
Es sei kundgethan, dass der Abdruck des W a n - t i - t Si - p a u
(des 5. der 25 Reichssiegel) ehrerbietig beigefügt diesem Vertrage,
welcher der im Ja h re W u -w u zu T i e n - t s i n abgeschlossene Friedensvertrag
ist Zeugniss giebt von der vollen Zustimmung Seiner Maje
s tä t des Kaisers von China zu allen darin enthaltenen Bestimmungen
und seinem Versprechen, dieselben zu halten, und dass dasselbe eine
ausdrückliche Ermächtigung durch kaiserliche Namensunterschrift
unnöthig macht. — Diese Bescheinigung, wird deshalb dem Vertrage
zu ewigem Gedächtniss angehängt. — Gegeben zu P e - k in am 11. Tage
9. Mondes des 10. Jahres von H i e n - f u n (24. October 1860).«
Dann wurde ein Protocoll über die Verhandlungen aufge-
nominen und von den Bevollmächtigten in doppeltem Exemplar
unterzeichnet.®- Ueber diese Proceduren verging eine gute Weile, so
dass keine Zeit blieb, die angebotene Collation einzunehmen. Während
der Verhandlungen liessen die Chinesen Thee herumreichen.
—- Erst am Abend erreichten die Engländer wieder ihre Quartiere.
Am folgenden Tage fand die feierliche Unterzeichnung der
französischen Convention und die Ratificirung des Vertrages von
1858 in ähnlicher Ordnung statt. In der Convention war die im
Vertrage von T i e n - t s in auf 2,000,000 T a e l normirte Kriegsentschädigung
auf 8,000,000l2t) erhöht, welche unter gleichen Modalitäten
gezahlt werden sollten, wie die Entschädigung an England. Ferner
sollten die während der Christenverfolgungen confiscirten, zu kirchlichen
und wohlthätigen Zwecken bestimmten Gebäude der katholischen
Missionen., welche schon ein Edict des Kaisers T a u - k w a n
(vom 20. März 1846) den früheren Eigenthümern zugesprochen
hatte, behufs Auslieferung an dieselben der französischen Gesandt-
124) 7,(XX),000 T a e l erhielt die kaiserlich französische * Regierung, 1,000,000
wurden zu Entschädigung französischer Unterthanen und Schutzbefohlenen verwendet.
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