
in dichtbewolinten Gassen ungeheure Schutthaufen, bequeme
Stätten zu Ablagerung aller Undinge, die dort ungestört faulen
dürfen. Aus trüben Pfützen schöpft man das Trinkwasser, das
mit Alaun geklärt und meist als Thee genossen wird; in grossen
Kesseln siedet er auf dem Herde der zahlreichen Kneipen. Im
Gebrauch geistiger Getränke sind die Chinesen mässig; ihr S a m - sü
ist ein aus Reis bereiteter Branntwein; dagegen rauchen sie fast
beständig den im Lande gebauten schlechten Tabak. Die Pfeilen
gleichen den japanischen, haben fusslange Rohre und metallene
Köpfchen, die man in wenig Zügen leert; ein salpetergetränkter
glimmender Fidibus giebt angehaucht eine helle Flamme, und
Pfeife folgt auf Pfeife. — Opiumhöhlen finden sich in S h a n g - h a e
wie anderwärts im Reiche der Mitte für alle Volksclassen. Die
Raucher liegen auf Bänke gestreckt, etwas Opium wird abgeschabt,
gekocht und durch Papier filtrirt, der bräunliche Satz zu einem
Kügelchen gedreht, das der Raucher an der Spitze einer Nadel
über einer Oelflamme schmilzt. Die Pfeife bildet ein fusslanges
Rohr mit seitlich angebrachten Metallnäpfchen, das der Raucher
vor das schmelzende Kügelchen bringt, um den Duft einzusaugen.
Dem Anfänger sollen eine bis zwei Pfeifen genügen, während der
Geübte Stunden, ja Tage lang eine nach der. anderen raucht.
Mässig genossen wirkt Opium kaum verderblicher als Tabak,
und seihst das Uebermaass hat nach gültigem Zeugniss keine
schlimmeren Folgen als Branntweintrunk; niemals soll es so
viehische Zustände erzeugen, führt aber zu Siechthum und frühem
Tode. Der Knochen- und Müskelbau widersteht dem Gifte länger
als das Nervensystem: man sieht Männer mit kräftigen Gliedern, die
ein elendes Dasein hinschleppen und jede Arbeit meiden. — Der
Dunst der Opiumhöhlen ist betäubend.
Die Tempel von S h a n g - h a e sind so schmutzig wie alles
Uebrige. Man tritt durch ein rohbemaltes Thor in den Vorhof,
wo es lustig hergeht: da wird gewürfelt, geflötet, geplaudert, gewahrsagt,
Karten und Domino gespielt. In einem Haupttempel bereitete
man bei unserem Besuch zu Belustigung des Götzen eine
theatralische Vorstellung nebst Concert vor. Die Tempel gleichen
den beschriebenen in Singapore, sind aber meist von roher Bauart,
schmutzig, verfallen, und die Sammelplätze aller obdachlosen
Bummler und Bettler. Die grösseren Tempel umgeben viele Höfe
und Nebengebäude, mit Ausgängen nach verschiedenen Gassen; in
Hallen und Gängen stehen lange Reihen grotesker Bildsäulen, ka-
nonisirte Kaiser, Priester und Weltweise darstellend. Die sonderbarsten
Fratzen, colossale Schreckbilder mit grimmigem Schnurrund
Knebelbart finden sich in den Tempeln der TAO-Secte: das
sind die schicksallenkenden Dämonen, die Spender allen Uebels,
das des Volkes abergläubische Furcht durch Opfer abzuwenden
trachtet.D
er Justizpalast, wo der T s i - h ie n oder Oberrichter wohnt,
ist eben so schmutzig wie die Tempel; zwei Flaggenmaste bezeichnen
die Wohnung des hohen Beamten. Solche Masten, an welchen
bei Festlichkeiten bunte Banner und Laternen prangen, stehen vor
allen grösseren Tempeln; Mandarinen soll diese Auszeichnung zuweilen
durch kaiserliche Gnade verliehen werden.l|f§? Am Thore
des Justizgebäudes sieht man gewöhnlich Sträflinge mit dem
K a n -G o , einem schweren Brett um den Hals, auf welchem ihre
Vergehen aufgezeichnet sind. In den Vorhöfen lungert das grässliche
Geschlecht der Henker und Schergen, das sich von Erpressung
und Grausamkeit, oft gegen unschuldig Eingekerkerte, mästet.
Von Ketten erdrückt, liegen die Gefangenen dicht gedrängt in
engen, dunkelen Verliessen; die von der Regierung gelieferte Kost
läst sie langsam verschmachten; in den Wunden und Schwären der
elenden Gerippe nagen die Würmer. Wahre Jammergestalten sieht
man zum Verhör führen, wo Peitsche und Folter das Geständniss
erpressen. Selbst der flüchtige Anblick weckt Grauen.
Vom Blutdurst der Justiz redet folgender Vorfall, der damals
frisch im Gedächtniss der Ansiedler lebte. Der chinesische
Comprador eines Engländers erschoss beim Putzen eines Revolvers,
den er nicht geladen glaubte, einen Freund, der ihn eben besuchte.
Niemand zweifelte an der Absichtslosigkeit; der unglückliche Thäter
aber floh, da die chinesische Justiz Blut für Blut fordert. Nun
zog der Richter seine Frau und Kinder ein und zwang sie durch
unerhörte Grausamkeit, den Flüchtling unter Mittheilung ihrer
Qualen zur Rückkehr aufzufordern. Der Brief blieb ohne Wirkung,
und nach langer Haft wurde die Familie entlassen. Da trieb
den Flüchtling die Sehnsucht nach S h a n g - h a e , wo die Schergen
ihn bald aufspürten und zur Richtbank schleppten.
Die Stadt besitzt ein reinlich gehaltenes Findelhaus und
andere Anstalten wohlthätiger Vereine. Einer derselben stellte sich
die Aufgabe, Särge, namentlich für Kinder, an Unbemittelte zu