
Die Engländer blieben nur kurze Zeit in A - m o i , Hessen aber
eine Besatzung auf der gegenüberliegenden Felseninsel K u - l a n - s u ,
welche Stadt und Hafen vollkommen beherrscht. Hier blieb die
kleine Garnison den ganzen Krieg hindurch und noch einige Zeit
nachher in ruhigem Besitz; die Bewohner von A - m o i zeigten keine
Spur von Feindseligkeit, versahen im Gegentheil die Engländer mit
guten Lebensmitteln und behandelten sie wie ihre Beschützer. Der
Dschunken-Handel mit Formosa wurde, ohne Belästigung von den
englischen Schiften, wie im tiefsten Frieden betrieben. — Nachdem
die Stadt geräumt war, schickten die Mandarinen einen Siegesbericht
nach P e - k in : die Barbaren seien nach wiederholten Angriffen
der Miliz geflohen. » A - m o i ist nun wieder in unserem Besitz,
und die wenigen Schiffe auf dem Wasser flössen keine Besorgniss
ein.« Von K u - l a n - su sagt der Bericht kein Wort. Nach einiger
Zeit muss die Wahrheit bekannt geworden sein, denn der Gouverneur
litt strenge Bestrafung.
Für die Kriegsparthei war der Fall des stark befestigten
A - m o i ein harter Schlag; man musste nun auch für andere Plätze
fürchten. Dazu die Forderungen an den Staatsschatz! Der sparsame
T a u - k w a n hatte im ersten Zorn befohlen, dass nicht gespart
werden solle; das liessen sich die Mandarinen nicht zweimal saeen.
Während früher aus allen Provinzial-Kassen namhafte Ueberschüsse
nach P e - k in flössen, forderte jetzt F u - k ia n allein 3,000,000 T a e l ,
eine benachbarte Landschaft 5,900,000 T a e l aus dem kaiserlichen
Schatz. In T s e - k ia n waren 1,500,000 T a e l verausgabt, eine
Million noch erforderlich.
Die ohnmächtige Wuth der kriegslustigen Räthe machte die
abgeschmacktesten Vorschläge: man sollte die feindliche Flotte in
dichte Rauchwolken einhüllen, dann in der Verwirrung angreifen;
Taucher sollten die Steuerruder verderben und den Rumpf der
Schiffe anbohren u. s. w. Das grösste Vertrauen setzte der Kaiser
auf Y u - k i e n , der versprochen hatte, die Briten »lebendig zu schinden
und auf ihren Häuten zu schlafen«.41) Der Hass des Mon-
41) Er führte diese Drohung wörtlich an dem einzigen Engländer aus, der in
seine Hände fiel. Der Master eines direct nach T s ü - s a n bestimmten Truppenschifies
landete an einem Vorgebirge des Festlandes der Insel gegenüber, wurde
dort aufgefangen und gebunden vor Y u - k ie n geschleppt, welcher seinen Fang in
grossen Worten nach P e - k in berichtete und dafür die Pfauenfeder mit doppeltem
Auge erhielt. Der Gefangene, Mr. Stead, wurde auf offenem Markt an einen Pfahl
gebunden und, nachdem man ihm langsam die Haut abgezogen hatte, in Stücke geschnitten.
golen artete in Raserei aus und steckte seine Umgebung, an; Jeder*
war sein Freund, der ihnen Schaden zufügte; wer nur entfernt an
Vergleichung dachte, fiel als Opfer seines Zornes. Am meisten
hasste er I - l i - f u , der es verschmähte, seine Hände mit dem Blute
der Gefangenen zu besudeln, und in richtiger Würdigung seines
Nachfolgers dieselben den Engländern auslieferte.52)
Der Umstand, dass Y u - k ie n kurz vor Räumung von T s ü - sa n
zum kaiserlichen Commissar für die Küsten-Vertheidigung ernannt
wurde, mag seine aufgeblasene Ueberhebung gesteigert haben; der
Schrecken seines Namens, schrieb er, habe die Flucht der Barbaren
beschleunigt. Y u - k ie n betrieb die Rüstungen mit grossem Eifer
und gab für Vermehrung der Truppen, in welche das schlechteste
Gesindel eingestellt wurde, so viel Geld aus, dass selbst T a u - k w a n
Reductionen verlangte. Am Hafen von T in - h a e 43) wurde ein grosses
Erdwerk erbaut und mit bronzenen Geschützen armirt. Eine Menge
Soldaten sollten sich, als Kaufleute verkleidet, auf den Schiffen
einschleichen und sie in ihre Gewalt bringen.44) Alle Kunde von
Operationen der feindlichen Flotte wies Y u - k ie n als eiteles Gerede
zurück und spottete öffentlich der Ohnmacht der Barbaren: sie
hätten zu seinem Verdrusse niemals gewagt, sich mit ihm zu
messen. Dem Kaiser schmeichelte er durch grossmäulige Berichte,
welche jede Spur von Gefahr fortdemonstrirten4ä) und
ein gläubiges Ohr gefunden hätten, wenn der Traum der Sicherheit
nicht durch den Verlust von A - m o i gestört worden wäre.
Dennoch war Y u - k ie n der Held des Tages, der Retter von China;
das lange. Zögern der durch widrige Winde aufgehaltenen englischen
Flotte bestärkte die Zuversicht.
Der flachgehende Dampfer Nemesis lief auf dem Wege nach
“ ) Aus I -L i-rtr’s Bericht über die Räumung von T s ü - s a n geht hervor, dass er
von seiner Abberufung damals schon wusste.
43) T i n - h a e ist die Hauptstadt von T s u - s a n .
44) Von einem gestrandeten Fahrzeug erbeuteten die Chinesen zwei Carronaden
und sahen die Inschrift darauf für ein kabalistisches Zeichen an, durch welches sie
sicher ihr Ziel träfen. Y u - k ie n liess sie genau nachgiessen; aber die Copieen platzten
beim ersten Schuss. •
45) Die Küsten, schrieb Y u - k i e n , seien so flach, dass die Truppen nur in
Booten landen könnten; diese würden von den Strandbatterieen unfehlbar vernichtet
werden. Auch seien die Engländer so fest in ihre Uniformen eingeknöpft, dass sie
sich am Lande nicht rühren und leicht zu ganzen Regimentern niedergemäht werden
könnten.