
brachten ihnen auch Thee-Ladungen yor die Flussmündung hinaus;
dem wurde aber bald ein Ende gemacht. Im December publicirte
E in einen kaiserlichen Erlass, welcher alle englischen und indischen
Schiffe und Waaren auf ewige Zeiten verbannte. »Die Engländer,«
hiess es, »sind vogelfrei; wie wilde Thiere sollen sie gehetzt
werden.« Auch die Parsen, Hindu und Mohamedaner mussten als
englische Unterthanen K a n - t o n verlassen. Die anderen Fremden
durften unter den früheren Bedingungen bleiben und ihren Handel
fortsetzen; nur wurden die Zölle erhöht.
Der General-Gouverneur von Ostindien war ermächtigt
worden, China den Krieg zu erklären. Im Mai und Juni 1840 versammelte
sich die englische Flotte bei Singapore und segelte dann
nach H o n g - k o n g ; drei Linienschiffe und vier Dampfer bildeten den
Kern der Seemacht. Auf Transportschiffen kamen 4000 Mann
Landtruppen. Als -englische Bevollmächtigte fungirten Capitän
Elliot und sein Vetter Admiral Elliot. Die Beschwerden der Briten
waren in einem ernst und höflich gefassten Schreiben Lord
Palmerston’s niedergelegt, das später am P e i - i i o übergeben wurde.
L in richtete unterdessen einen mit Drohungen gewürzten Brief voll
sittlicher Entrüstung an die -Königin Victoria, »deren Vorfahren
sämmtlich unterthänig gewesen seien«, und forderte sie zum alten
Gehorsam gegen die ewigen Gesetze des Himmlischen Reiches auf.
Natürlich glaubten die Chinesen, dass ein Reich von über
300 Millionen sich einiger Schiffe und einer Streitmacht von 4000
Mann, die noch dazu Tausende von Meilen von der Heimath entfernt
waren, leicht erwehren könne. In China hatte Niemand, und
am wenigsten der kaiserliche Hof, eine Ahnung von den materiellen
Hülfsmitteln, der Stärke und Thatkraft der westlichen Völker;
die wenigen Kriegsschiffe, welche vereinzelt in langen Zwischenräumen
an den Küsten erschienen, konnten davon keinen Begriff
geben. Die meisten Chinesen hatten niemals Europäer gesehen und
hielten sie für seegeborne Unthiere, die unter Wasser lebten und
nur selten auf festen Boden kämen. So dachten Kaiser T a u - k w a n
und seine Grossen nun wohl nicht; aber sie achteten die Engländer
kaum höher, als der Europäer den Neu-Seeländer und
andere wilde Völker der niedrigsten Stufe. — Die Entrüstung
am Kaiserhofe ist um so begreiflicher, als man dort die Sachlage
nur aus den gefärbten Berichten der Mandarinen in K a n t
o n kannte; denn selbst ohne diese hätten die Ruchlosigkeit
des Schleichhandels und Seeraubes, der freche Trotz gegen
die Obrigkeit, die Thatsache, dass die angesehensten Häuser
an dem sauberen Handel betheiligt waren, dass die englische
Regierung ihn schützte, wohl hingereicht, den Hof von Pe-kin
zu reizen. — Wenn die Erbitterung sich in Kan- t o n selbst
bei der von den Nachtheilen des Schleichhandels nicht betroffenen
Bevölkerung zu unbezähmbarer Wuth steigerte, so ist der Grund
dazu theils in deren anerkannt händelsüchtigem Charakter zu
suchen, theils aber auch in dem Betragen der angesiedelten
K a u fle u te . Bezeichnend ist, dass die englische Land- und Seemacht
während der folgenden Kriege gegen China, wo immer ihre
Landsleute noch unbekannt waren, bei der Bevölkerung nach Ueber-
windung des ersten Schreckens freundliches Entgegenkommen
fanden und zu ihr in das beste Verliältniss traten. . Selbst in
Kan- t o n verschwand der durch Jahrzehnte genährte bittere Hass,
als e n g li s c h e T r u p p e n die Stadt geraume Zeit besetzt hielten,
bis auf die letzte Spur.
Die Chinesen erwarteten einen Angriff auf K a n - t o n und
machten dort grosse Rüstungen. Die Engländer Messen aber nur
wenige Schiffe zur Blockade des Perl-Flusses zurück und segelten
mit dem grössten Theil des Geschwaders nach der Insel T s u - s a n .
An den Küsten von T s e - k ia n und F u - k l a n wurden Recognoscirun-
gen vorgenommen.30)
Die T s u - s a n -Gruppe liegt in der Nähe von N i n - p o ; die
Inseln sind fruchtbar, stark bevölkert und gesund; einen Hafen
30) Elliot wollte inA-Moi eine Note übergeben lassen. Die Fregatte Blonde lief
am 2. Juli in den Hafen ein und sandte eines ihrer Boote an das Ufer, wo ein
grösser Menschenschwarm zusammenlief. Die Mandarinen wiesen die Mittheilung
zurück; Einer aus der Menge schoss einen Pfeil nach dem Dolmetscher, traf aber
nicht. Zur Vergeltung feuerte die Blonde eine Breitseite in den Volkshaufen. Viele
wurden zerschmettert und die Schaar stob auseinander. Der amtliche chinesische
Bericht darüber lautete: »Die Beamten bemerkten ein Barbaren-Schiff mit einer
weissen Flagge; an Bord war Alles ruhig. Plötzlich wurde ein Boot niedergelassen,
das dem Ufer zueilte. Ein Individuum in demselben bat in der Mandarinen - Mundart
um Frieden, brauchte aber unziemliche Ausdrücke. Unsere Beamten hinderten
ihn an das Land zu kommen, worauf an Bord des Schiffes die rothe Flagge gehisst
und die Geschütze abgefeuert wurden. In diesem Augenblick erschoss ein Mandarin
den Dolmetsch mit einem Pfeil, so dass er todt in das Boot fiel, während die Soldaten
sechs Barbaren durch ihr Feuer tödteten. Dann wurde ein anderes Boot niedergelassen,
und einer der weissen Barbaren mit einem Speer durchbohrt. Sechs
Stunden lang hielten unsere Truppen das Feuer der Schiffe aus, durch welches neun
unserer Leute getödtet und viele verwundet ^wurden.«