
Da diese Noten den Empfang von Lord Eigins Schreiben
vom 3. März bestätigten, — in welchem er die Entscheidung der
englischen Regierung über das Gesandtschaftsrecht mittheilte, für
alle anderen Punkte auf den Wortlaut des Vertrages verwies und
den Commissaren Lehewohl sagte, a— so konnte über ihre Bedeutung
kein Zweifel walten: die chinesische Regierung wollte den Vertrag
umgehen. Auf Umwegen suchten die Commissare sogar auszuforschen,
zuerst, ob die Gesandten sich wohl zum Austausch der
Ratificationsurkunden in Shang- hae verstehen würden; dann, ob sie
nicht auf dem Landwege nach Pe -kin reisen möchten. Letzterer
ist der für tributbringende Gesandtschaften vorgeschriebene Weg,
welche auf ihren Reisen ganz in der Hand der chinesischen Regierung
und jeder Demiithigung ausgesetzt sind. — Herr Bruce antwortete
deshalb amtlich, dass er auf seinem Entschluss beharre,
dass jede Erörterung von Bestimmungen des Vertrages bis nach
Ratification desselben zu verschieben sei, dass er die Commissare
in Shang ■ hae nicht empfangen werde und für die möglichen Folgen
ungenügender Vorbereitungen zu seinem Empfänge im Norden
verantwortlich mache. In ähnlichem Sinne äusserte sich Herr von
Bourboulon. Herr Bruce machte Kwei- lian und Wa - sana ferner
darauf aufmerksam, dass vor Shang- hae mehrere Dampfer unter
chinesischer Flagge ankerten, durch deren Benutzung sie noch zeitig
genug zu den Vorbereitungen in Tien- tsin und der durch den
Vertrag an ein bestimmtes Datum gebundenen Ratification ein treffen
könnten. Sie antworteten unter dem 12. Juni, dass sie dazu der
ausdrücklichen Erlaubniss des Kaisers bedürften; sie wollten aber
auf dem schnellsten Wege109) an denselben die Bitte richten, andere
Würdenträger zum Empfange der Gesandten nach Tien- tsin zu
schicken. In neun Tagen könne ihr Schreiben nach P-e -kin gelangen.
»Bei den jetzt zwischen den beiden Nationen herrschenden
friedfertigen Beziehungen wird gewiss nichts geschehen, das nicht
in Einklang mit den Bestimmungen des Vertrages stände; die
Commissare bitten daher Herrn Bruce, sich jeder Unruhe über diesen
Punct zu entschlagen, Er braucht keine Besorgniss zu hegen.
Sie möchte'n wünschen, dass er, vor der Mündung des Tien- tsin-
Flusses angekommen, seine Kriegsschiffe ausserhalb der Barre
109) Dieser Ausdruck bedeutet in den amtlichen Mittheiluugen der Chinesen die
Beförderung durch Couriere, welche alle 24 Stunden 600 Li oder etwa 45 Meilen
zurücklegen.
ankern lasse und dann ohne viel Gepäck und mit mässigem G e f o l g e
zu Auswechselung der Verträge nach P e - k in reise. Da seine
Sendung eine friedfertige ist, so wird er von Seiten der chinesischen
Regierung durchaus höflich behandelt werden; und die Commissare
wünschen aufrichtig, dass die freundschaftlichen Beziehungen sich
von dieser Zeit an befestigen, und dass auf jeder Seite Vertrauen
walte zur Redlichkeit und Gerechtigkeit der anderen.«
Unterdessen redete man in S h a n g - h a e unverhohlen von dem
Widerstande, welchen die Gesandten an der P e ih o - Mündung finden
würden; der Statthalter H o - k w e i - t s in soll erklärt haben, die
Engländer müssten der Regierung noch eine derbe Lection in T i e n t
s in geben, ehe der Kaiser zur Einsicht gelange und sich dem
Frieden bequeme; er selbst möchte nicht nach« dem Norden gehen,
dort gäbe es Streit. — Admiral Hope, der schon ein stattliches Geschwader
versammelt hatte, liess auf diese Gerüchte von H o n g k
o n g noch ein Bataillon See-Soldaten kommen.
Vom Rendez-vous der Flotte bei den S a - l u - t i e n - Inseln
im Golf von P e - t s i - l i ging Admiral Hope am 16. Juni mit der
Fury und zwei Kanonenbooten nach der P e ih o -Mündung, ankerte
vor der Barre, und schickte ein Boot nach den T a - k u - Forts, um
die Gesandten bei den Behörden anzumelden. Ein bewaffneter
Haufen am Ufer hinderte die Engländer am Landen. Der das Boot
befehligende Officier verlangte eine Besprechung mit den Mandarinen,
erhielt aber den Bescheid, es gebe dort weder Civil- noch
Militärbehörden; die Verzäunung im Flusse sei von den Ortsbewohnern
zum Schutz gegen Rebellen, nicht gegen die Engländer
hergestellt; die Garnison bestände in Milizen. Der Wortführer, der
sich für den Ingenieur der Werke ausgab, versprach ein Schreiben
nach T i e n - t s in z u befördern und die Antwort auszuliefern.
Auf diese Meldung sandte Admiral Hope nochmals ein Boot
nach den Forts, mit dem Gesuch, die Flusssperre binnen drei Tagen
zu beseitigen, damit die englischen Schiffe einlaufen könnten.
Das wurde versprochen, 'fk- Admiral Hope kehrte darauf nach den
S a - l u - t i e n -Inseln zurück, erschien am 18. Juni mit dem ganzen
Geschwader vor der P e i - h o -Mündung, und liess der hochgehenden
See wegen die Kanonenboote innerhalb der Barre ankern. Am
20. Juni trafen die beiden Gesandten auf der Rhede ein. Admiral
Hope fuhr selbst nach der Flussmündung, um' sich über den Zustand
derselben zu unterrichten und ein an den Präfecten von