
Schiffe nach N a n - k in bringen und die Garnison von der Wasserseite
mit Vorräthen versorgen. Während der langen Belagerung
befreundeten sich die Truppen der beiden Partheien und verkehrten
vielfach ganz unbefangen mit einander; vor einem der Stadtthore
war selbst ein regelmässiger Markt eingerichtet, wo kaiserliche den
T a e - piN-Soldaten ihre Vorräthe verkauften. Bis 1859 soll die Besatzung
der Stadt 15,000 Mann, die Cernirungsarmee gegen 30,000
gezählt haben; im Spätherbst genannten Jahres wurde aber letztere
auf 300,000 Mann gebracht, die Stadt durch die verstärkte kaiserliche
Stromflotte auch auf der Wasserseite völlig cernirt, und mit
der Belagerung Ernst gemacht. Schon in den ersten Monaten des
folgenden Jahres litt die Garnison Mangel, und es soll nahe daran
gewesen sein, dass sie Menschenfleisch verzehrte. Der T i e n - w a n
sah nach des T su n - w a n Erzählung den Ereignissen mit unerschütterlichem
Gleichmuth zu: »er beschränkte sich darauf seinen Ministern
einzuschärfen, dass sie den Vorschriften des Himmels nachkämen,
und sagte, der Anblick, der sie umgebe, sei ein Zeichen grossen
Friedens.« Unterdessen suchten die T a e - p i n - Führer ausserhalb
N a n - k in die Cernirungs-Armee durch Diversionen zu theilen. Der
Hülfskönig S i - t a - k a e , — der einige Jahre lang in S e - t s u e n auf
eigene Hand operirte, — rückte jetzt mit Heeresmacht in die Provinz
T s e - k i a n , nahm die Städte K u - t s a u und Y e n - t s a u , und verwüstete
die Landschaften westlich davon. Ein anderes T a e - p i n - Corps überfiel
das reiche H a n - t s a u und besetzte die Vorstädte, musste sich
aber nach verzweifeltem Kampf um die Ringmauer zurückziehen.
Kleinere Abtheilungen nahmen einzelne Plätze in den Nachbarbezirken
; aber die Kaiserlichen konnten überall Truppen genug aufstellen,
ohne die Cernirungsarmee zu schwächen, und wähnten schon
die Uebergabe in wenig Whchen erzwingen zu können. Da zogen
die T a e - p i n in der Nähe von N a n - k in ein starkes Entsatz-Heer
zusammen, durchbrachen am 3. Mai 1860 die Linien der Kaiserlichen,
zerstreuten die ganze Cernirungsarmee und erbeuteten alle
ihre Vorräthe. Auf den T i e n - w a n machte diese Befreiung so wenig
Eindruck, dass er sie weder in seinen Manifesten erwähnte, noch
die siegreichen Feldherren zu sehen wünschte.
Die Cernirungsarmee war so vollständig geschlagen, dass sie
sich gar nicht wieder sammelte. N a n - k in wurde von keiner Seite
bedroht; die kaiserlichen Heere standen in grösser Feme und die
T a e - p i n ergriffen die Offensive. Y i n -W a n , der Heldenkönig, brach
zum Entsätze des hart bedrängten G a n - k in auf; in K i a n - s i bot
der Hülfskönig den Kaiserlichen die Spitze, und T s u n - w a n , der
Treue König rückte in das unberührte reiche Gebiet, das sich östlich
von N a n - k in nach der Flussmündung und der Meeresküste
erstreckt. Er schlug die Kaiserlichen in drei Schlachten, bemächtigte
sich des Grossen Canales auf die Strecke vom Y a n - t s e - k ia n bis
zum T a i - h o -See und bedrohte S u - t s a u . Diese in geringer Entfernung
von S h a n <t - h a e gelegene Stadt galt als die reichste und
blühendste von China. »Oben ist das Paradies, unten Su und H a n « ;107)
»Um glücklich zu leben, muss man aus S u - t s a u . sein«, sagen chinesische
Sprüche. Der Glanz seiner Marmorbauten, seiner Denkmäler,
Brücken, Strassen und Canäle, die Schönheit und Intelligenz seiner
Bewohner, die Vorzüglichkeit seiner Manufacturen waren im ganzen
Reiche berühmt. S u - t s a u galt als Sitz der höchsten Lebensverfeinerung
und Eleganz, Die Stadt selbst soll zwei Meilen Umfang
gehabt haben; ausserhalb dehnten sich vier mächtige Vorstädte
aus; die Bevölkerung wurde auf zwei Millionen geschätzt.
Beim Anrücken des T s u n - w a n liess der in S u - t s a u weilende
Statthalter H o - k w e i - t s i n die Vorstädte anzünden, um die Stadt
zu retten; da ergriff die kaiserlichen Truppen wilde Rauhlust; sie
stürzten sich in die brennenden Strassen, plünderten und übten die
schlimmste Gewalt. Die Auflösung war vollständig. Die T a e - p i n
fanden keinen Widerstand, und das Volk jauchzte dem einziehenden
T s u n - w a n als Retter zu, während auf def entgegengesetzten
Seite die Kaiserlichen beutebeladen ausrückten. Das geschah am
24, Mai 1860.
Im amtlichen Bericht an den Kaiser über diese Ereignisse
steht Folgendes:
»Die Auflösung des vor N a n - k i n gelagerten Hauptkörpers
der Armee war nach der unterthänigsten Ansicht deiner Knechte
dadurch veranlasst, dass H o - . t s u n (der commandirende Mandschu-
General) Vertrauen in Männer setzte, die es nicht verdienten. Daher
Unzufriedenheit unter den Truppen schon von älterem Datum;
während T s a n - k w o - l i a n , verdrossen über -die Unmöglichkeit seine
eieenen Maassregeln auszuführen, sich bei T a n - y a n in den Kampf
stürzte und starb. Darauf gerieth das ganze Heer in solchen
Zustand der Demoralisation, dass es sich auflöste, wo immer der
107) S u - t s a u , H a n - t s a u «
m.