
erhebt; es sind oSene Gallerieen mit geschweiftem, vorspringendem
Dachstuhl; der oberste läuft in eine kunstreich geschmiedete eiserne
Spitze aus, von welcher Kletten nach seinen hornartig aufwärts gekrümmten
Ecken herabhangen. Im Mittelpunct des untersten Stockwerkes
sitzt ein vergoldeter Budda. Leiterartige Treppen führen
bis zur obersten Gallerie, wo uns die unabsehbare grüne Fläche
im herrlichsten Sonnenschein zu Füssen lag; hier und da ein Dorf
mit blühenden Piirsichbäumen, die in dieser Gegend der Verwüstung
entgangen waren; der schlängelnde Fluss von tausend Segeln
belebt, in der Ferne der Mastenwald von S h a .\ g - ha i: , am äusser-
sten westlichen Horizont zwei inselartig aufsteigende Höhen.
Die niedrigen Häuser des umgebenden Dorfes dienen dem
luftigen, leider stark verwitterten und der Zerstörung preisgegebenen
Bau als io lie ; die Gassen sind wo möglich noch enger,
schmutziger und parfümirter als in S h a n g - h a e . Vor kurzer Zeit-
hatten die T a e - p in hier gehaust; viele Häuser lagen in Schutt und
verkohlten Trümmern, im Tempel die Götzen gestürzt und zerschlagen;
um eine grosse hölzerne Puppe, die offenbar bekleidet
■war, hatte das Gesindel Feuer gemacht; schwarz und klumpig sass
der Rumpf auf dem Fussgestell. Uebrigens erzählten die wenigen
Dorfbewohner, welche unter den Trümmern noch ein elendes
Dasein fristeten, die kaiserlichen Soldaten hätten eben so schlimm
gewüthet.
Den Rückweg machten wir zu Fuss, um das Missionshaus
der Jesuiten in S i- k a - b e z u besuchen; man wandelte durch blüthen-
duftende Bohnenfelder. Die Anstalt liegt einsam im freien Felde,
etwa dreiviertel Stunden von der Pagode und zwei von S h a n g - h a e
entfernt.
S i - k a - b e ist ein Erziehungshaus unter Obhut von sechs
Jesuiten-Patres, welche den Gesandten und seine Begleiter freundlich
empfingen; wie alle Missionare dieses Ordens trugen sie chinesische
Kleidung und den langen Zopf. Einige Patres bereisen die
Provinzen K i a n - s u und T s e - k i a n , w o in kleinen zerstreuten Gemeinden
76,000 chinesische Katholiken wohnen. Sowohl in der
Hauptanstalt S i - k a - b e als in den anderen unter Obhut ansässiger
Seelsorger stehenden Schulen werden nach Verhältniss des Raumes
und der Mittel alle Knaben aufgenommen, die sich melden, gleichviel
ob von christlichen Eltern oder nicht. Chinesische Lehrer er-
theilen ihnen diejenige Erziehung, welche die erste Staatsprüfung
fordert. Daneben besteht der Katechumenen-Unterricht für die
jungen Christen, welchem die heidnischen Zöglinge beiwohnen dürfen,
aber nicht müssen: viele vertiefen sich aus Neugierde in die
Glaubenslehren; oft sollen beim Unterricht solche Schüler junge
Christen verbessern, die ihre Lection nicht können. Nur die sich
freiwillig melden, werden getauft; die Zahl der Katholiken mehrt
sich aber in diesen Provinzen ansehnlich, denn Lockenderes giebt
es kaum für den Chinesen, als die classische und wissenschaftliche
Bildung, welche den Weg zu Staatsämtern, zu den höchsten
Würden öflnet.
Bei unserem Besuch zählte S x- k a - b e 96 Zöglinge, die in der
Anstalt wohnten; dem Alter und den Fortschritten nach waren sie
in drei Classen getheilt; nur die Wohlhabenden bezahlten einen Erziehungsbeitrag.
Alle schienen wohlgenährt und munter, "der gesunde
Glanz ihres Auges sprach von körperlicher Frische. Trotz
der späten Nachmittagsstunde waren die Schulstuben noch gefüllt:
in jeder Ecke sass ein Lehrer mit höchstens zehn Schülern, die er
einzeln vornahm, während alle anderen, nach chinesischer Art den
Körper wiegend und die Beine schlänkernd, ihre Lection mit
singender Stimme sagten. Die Patres beschränkten sich auf
den Unterricht in der Religion und im Französischen; letztem gemessen
nur die besten Schüler als Belohnung; der Mehrzahl wäre
die fremde Sprache Balläst.
Die Anstalt ist äusserlich musterhaft gehalten; in den Ess-
und Schlafsälen, den Schulstuben, der Bibliothek, dem Garten,
der Apotheke, überall die grösste Ordnung und Reinlichkeit. Die
Altäre der Kirche schmücken Oelgemälde, von Zöglingen nach
kleinen Heiligenbildchen ausgeführt; wir trafen solchen jungen Maler
bei der Arbeit; die Zeichnung war gut, der Ausdruck des
Kopfes zart und innig, nur fehlte jede Spur malerischer Wirkung.
Den Hauptaltar hat nach französischer Zeichnung ein Zögling
meisterhaft in Holz geschnitzt.
Die anwesenden Missionare machten den Eindruck von Männern,
die der Welt entsagten und in Erfüllung ihres Berufes die
höchste Befriedigung finden. Innere Heiterkeit und Seelenruhe
ohne jeden Anstrich von Frömmelei redete vorzüglich aus dem Vorsteher
der Anstalt, dessen männliche Lebenserfahrung und feiner
Ton vermuthen liessen, dass er nicht immer in der Kutte steckte.
Wer die Jesuiten in fernen Welttheilen sah, kann sich dem Ein