
An die Wahrheit dieses Ausspruches darf man nicht glauben; aber
das geht aus den von der englischen Regierung veröffentlichten
Documenten hervor, dass sie nicht mehr, wie früher, der Krisis auf
jede Weise vorzubeugen strebte.
Die folgende Darstellung gründet sich ausschliesslich auf
englische Berichte, grösstentheils auf amtliche Schriften und das
Buch des Herrn Oliphant, welcher Lord Eigin als Privat-Secretär
begleitete.
In englischen Colonieen besteht die Einrichtung, dass fremde
Eahrzeuge gegen Erlegung von Gebühren in die englischen Schiffsregister
eingetragen werden, englische Legitimations - Papiere erhalten
und unter englischer Plagge fahren dürfen. Viele chinesische Schiffe
aus H o n - k o n g und K a n - t o n bedienten sich dieses Vortheils, nicht
1866. immer zur Ehre der englischen Plagge. — Als Anfang Octoher 1856
die Lorcha Arrow, unter deren Bemannung sich notorische Piraten
befanden, vor K a n - t o n lag, war die Gültigkeit ihrer englischen
Schiffspapiere schon seit zwei Monaten erloschen. So unglaublich
es nun ist, dass der englische Consul die Führung der Flagge unter
seinen Augen einem Fahrzeug gestattete, dessen abgelaufene Papiere
er in Händen hatte, so wurde diese Thatsache doch durch Zeugenberichte
constatirt. Selbst Engländer scheinen an deren Wahrhaftigkeit
gezweifelt zu haben und die Chinesen leugneten sie hartnäckig;
die englischen Behörden legten aber schweres Gewicht
darauf, dass die Flagge auf der Lorcha geweht, habe und von
chinesischen Polizeibeamten niedergeholt worden sei, welche am
8. Octoher deren chinesische Bemannung verhafteten. Unbedingt
hatte die Lorcha kein Recht auf die englische Flagge, und man
kann schwerlich den Behörden irgend eines Landes die Befugniss
absprechen, eine unrechtmässig geführte Flagge von einem ihm an-
gehörigen Schiffe zu entfernen. Die Lorcha war aber notorisch
Eigenthum eines chinesischen Unterthanen.
Consul Parkes beschwerte sich bei dem Vice-König Yi über
die vermeintliche Beschimpfung und verlangte peremtorisch die
unbedingte Auslieferung der Mannschaft. Yi erklärte, die Lorcha
sei kein englisches Fahrzeug, die Flagge von den Häschern nicht
niedergeholt, sondern im Schiffsraum gefunden worden; mehrere
von der Besatzung seien Seeräuber, die übrigen neun wolle er ausliefern.
Herr Bowring billigte das Verfahren des Consuls und wies
ihn an, von Yi eine schriftliche Entschuldigung und feierliche
Zurücksendung der g a n z en Mannschaft an Bord der Lorcha zu
verlangen. Sollten Einige davon an die chinesischen Behörden auszuliefern
sein, so müsse das durch Vermittelung des Consuls geschehen.
Yi bestand auf seinen Aeusserungen, versprach, sich
niemals an fremden Lorcha’s zu vergreifen, und ersuchte die Engländer,
das Recht auf ihre Flagge nicht an chinesische Schiffseigner
zu verkaufen. Unterdessen hatte Sir John Bowring den Vice-König
schon mit Feindseligkeiten bedroht und eine Handelsdschunke wegnehmen
lassen, die man für eine kaiserliche hielt. — Am 15. Octoher
unterrichtete Consul Parkes den Vice - König von dieser Beschlagnahme
und von der Anwesenheit englischer Kriegsschiffe bei den
Werken der Bocea Tigris. Am 21. October stellte er, dazu angewiesen,
eine Frist von vierundzwanzig Stunden für Erfüllung der
bezeichneten Forderungen und drohte wieder mit Gewalt. Eine
Stunde vor Ablauf dieser Frist wurden die zwölf verhafteten Chinesen
nach dem englischen Consulat geschickt, aber ohne Begleitung
eines höheren Beamten und ohne schriftliche Entschuldigung. Consul
Parkes bestand auf Erfüllung dieser Förmlichkeiten. Unterdessen
hatte Yi noch am 21. October ein Schreiben an denselben gerichtet,
in welchem er alle seine Argumente wiederholte und sich gegen die
Wegnahme jener Dschunke verwahrte. Am 22. antwortete Consul
Parkes und forderte nochmals die feierliche Auslieferung der Verhafteten
durch einen hohen Beamten und schriftliche Entschuldigung.
Zugleich meldete er durch Circular den Fremden in K a n - t o n das
drohende Beginnen der Feindseligkeiten. Die Engländer beschlossen,
sich der die Stadt beherrschenden Werke zu versichern. Am
23. October nahm Admiral Seymour die vier Festungen an der
Bocca ohne Verlust und fast ohne Widerstand, und verkündete Yi
seine Absicht, die Feindseligkeiten gegen die- öffentlichen Gebäude
und kaiserlichen Schiffe so lange fortzusetzen, bis ziemende Genug-
thuung erfolgt sei. »Die Antwort Seiner Exeellenz« — berichtete
der Adminal — »war sehr unbefriedigend.« Am folgenden Tag
wurden zwei Werke weiter stromaufwärts, Birdsnest und S a -m ie n ,
genommen und eine Garnison in die Factoreien gelegt, welche man
in Vertheidigungszustand setzte. — Eine Abtheilung americanischer
Seeleute übernahm den Schutz der americanischen Gemeinde.
Am 25. October besetzten die Engländer das vor K a n - t o n
gelegene befestigte Inselchen »Dutch Folly« und beschlossen damit
eine Reihe von Operationen, von denen sie mit Unrecht grosse