
Unterzeichnung jenes Reverses zu vermögen. Dem musste auf jede
Weise vorgebeugt werden; deshalb beschloss Elliot, welcher ohne
getadelt zu werden jede Verantwortung für den Opiumhandel von
sich weisen konnte, die ganze Verantwortlichkeit im Gegentheil auf
seine Schultern zu nehmen. Folgender Erlass desselben wurde dem
kaiserlichen Commissar mitgetheilt:
»Ich, Carl E lliot, Ober - Aufseher des englischen Handels in
China, gegenwärtig mit allen Kaufleuten meines Landes und denen der
anderen fremden Nationen von der Provincial - Regierung gewaltsam eingeschlossen,
ohne Lebensmittel, Bedienung und Verbindung mit dem
Heimathlande, habe von dem kaiserlichen Bevollmächtigten die Weisung
erhalten, ihm aBes Opium auszuliefern, welches im Besitze der Kaufleute
meines Volkes ist. Durch die dem Leben und der Freiheit aller
zu K a n - t o n ansässigen Fremden drohende. Gefahr und andere wichtige
Gründe gezwungen, befehle ich den in K a n - t o n gegenwärtigen Unter-
thanen Ih re r Grossbritannischen Majestät, mir alles Opium auszuliefern.
Ich , besagter Ober-Aufseher des Handels, leiste Bürgschaft im vollsten
Sinne des Wortes und ohne Vorbehalt, Namens der Regierung Ihrer
Grossbritannischen Majestät, für alles Opium, das mir überwiesen wird.
Der Werth desselben soll nach einer von der Regierung Ihrer Majestät
später zu bestimmenden Norm ermittelt und den Eigenthümern erstattet
werden.«
Mit den chinesischen Behörden wurde am 3. April ausgemacht,
dass der zweite englische Commissar mit den Mandarinen
und H on - Kaufleuten den Fluss hinabfahren und 20,283 Kisten
Opium von den Schilfen ausliefern sollte, die zu diesem Zwecke
unterhalb der Bocca Tigris versammelt wurden. In der Zwischenzeit
hielt L in die Blockade der Fremden aufrecht, erlaubte ihnen
aber zum Einkauf von Lebensmitteln auszugehen und suchte durch
Drohung und Bestechung die Ausstellung jenes Reverses zu
erzwingen, welcher ihr Leben und Eigenthum in die Hände der
chinesischen Obrigkeit gegeben hätte. Sie blieben aber einig. —
Dieser Zustand dauerte fast sechs Wochen; erst am 4. Mai, als
alles Opium abgeliefert, von den Chinesen mit Kalk gemischt und
in das Wasser geschüttet worden war, erhielten die Engländer bis
auf sechszehn Kaufleute die Erlaubniss zur Abreise. Capi'tän Elliot
blieb in K a n - t o n , bis am 25. Mai auch diese mit der Weisung,
niemals zurückzukehren, aus der Haft entlassen wurden. Nun
waren keine englischen Unterthanen mehr gefährdet.
In K a n - to n wurden alle chinesischen Kaufleute und Ladenbesitzer,
die ohne ausdrückliche Ermächtigung mit den Fremden
gehandelt hatten28), entfernt, ihre Strassen gesperrt, die Factoreien
mit Palisaden eingefriedigt, Terrassen eingerissen, und die Fremden
gleichsam zu Gefangenen in ihren eigenen Wohnungen gemacht.
Die Americaner liessen diese Beschränkungen über sich ergehen; „
die Engländer berührten sie nicht, denn Elliot hatte seine Schutzbefohlenen
angewiesen, sich ausserhalb des Perl-Flusses zu begeben,
wenn sie nicht auf eigene Gefahr in K a n - t o n bleiben wollten. Er
verbot auch die Unterzeichnung eines von allen in die Flussmündung
einlaufenden Schilfen geforderten, mit jenem ersten fast
identischen Reverses, durch welchen die Fremden ihr Leben und
Eigenthum in die Hand der chinesischen Justiz und der kaiserlichen
Beamten geben sollten. L in verweilte noch in K a n - t o n , denn seine
Aufgabe war nicht eher gelöst, bis nicht nur der Schleichhandel
ausgerottet, sondern auch der gesetzliche Handel o ’ o in seine alte Bahn
zurückgeführt wäre. Sein dringendes Verlangen danach spricht
aus mehreren an die Engländer gerichteten Aeusserungen. Aber
auch auf den Schleichhandel übte seine Strenge nicht die erwartete
Wirkung. Trotz der auf den Gebrauch des Opium gesetzten Todesstrafe
stieg die Nachfrage in unerhörtem Maasse. Der Schleichhandel
wendete sich nach den Küsten östlich von K a n - t o n , wo
ein Labyrinth von Inseln und Buchten jede wirksame Beaufsichtigung
vereitelt. Mit dem Preise des Opium steigerte sich auch die
Anfuhr aus Indien; der Schleichhandel artete in die wildeste Seeräuberei
aus, welcher die englische Regierung ruhig zusali. Es ist
kaum zu verwundern, wenn die Chinesen, ohnmächtig, diesem Unwesen
zu steuern, als Repressalie den gesetzlichen Handel der
Fremden drückten.
Die meisten Engländer hatten sich in Macao niedergelassen20);
auf der sicheren Rhede von H o n g - k o n g , einer damals
fast unbewohnten Felsen-Insel, ankerte das zahlreiche Geschwader
der englischen Kauffahrtei-Schiffe. Dort wurde in einem Zusammen-
stoss britischer und americanischer Matrosen mit Chinesen einer
2?) Die fremden Kaufleute, welche in ausgedehnter Geschäftsverbindung mit jenen
standen, kamen dadurch sehr zu Schaden.
29) Die Portugiesen hatten alle ihr Opium nach Manila eingeschifft; L in bestand
aber auf Herausgabe eines gewissen Quantums und drohte im Weigerungsfälle die
Festungswerke von Macao besetzen zu lassen.