
möchten nur kommen. Für die Nacht ankerte aber die Flottille
ausser Schussweite. Am 20. Morgens um acht Uhr übergaben die
Flaggenofficiere das Ultimatum der Admiräle, welches für die Räumung
der Werke eine Frist von zwei Stunden gewährte. Um zehn
Uhr nahmen die Schiffe Stellung: drei grössere Kanonenboote sollten
die Werke am nördlichen, drei andere diejenigen am südlichen
Flussufer engagiren; hinter ihnen lagen die kleineren mit den Landungsmannschaften
im Schlepptau. Auf das Zeichen zum Angriff
schoss das Kanonenboot Cormorant vorwärts, durchbrach die aus
fünf siebenzölligen Bambuskabeln gefügte Sperrkette und lief in den
Fluss ein; die anderen folgten. Im Augenblick eröffneten die Werke
ein heftiges Feuer. Das der Nordforts verstummte nach achtzehn'
Minuten,, auf die südlichen Werke dagegen, machte das schwere
Geschütz der Schiffe wenig Eindruck. Gegen elf gingen die Admiräle
mit den Landungstruppen den Fluss hinauf, landeten oberhalb
der südlichen Batterieen und liessen sie in der Flanke stürmen.
Als der erste Matrose hineinsprang, liefen die Chinesen so schnell-
füssig davon, dass die Engländer nicht folgen konnten. Die Werke
gewährten der Besatzung vollen Schutz gegen j eden. Angriff von der
Wasserseite, waren aber damals sämmtlich nach der Landseite offen
und wurden nun schnell besetzt. Der Commandant entleibte sich.
Die Garnison der Nordforts hatte sich auf zwei verschanzte Lager
zurückgezogen, welche eine starke Batterie deckte. Französische
Mannschaften stürmten diese in der. Flanke, und nun war in den
Lagern, wo auch Cavallerie stand, kein Halten mehr. Die Truppen,
besetzten noch an demselben Abend den grossen Flecken T a - k u auf
dem Südufer und fanden freundliche Aufnahme bei den Bewohnern.
Viele Dschunken waren hier quer über den Fluss geankert ■ und
sperrten den Kanonenbooten den Weg; chinesische Soldaten gab
es weit und breit nicht mehr.
Am 21. Mai war Ruhetag. Am Morgen des 22. durchbrachen
die Kanonenboote' den Dschunkenknäuel und gingen den Fluss hinauf.
Die erschrockene Bevölkerung fasste bald Vertrauen und zeigte
sich sehr dienstfertig. Die Admiräle liessen alles am Ufer aufgehäufte
Stroh verbrennen, damit es nicht zu Herstellung von Brandern
diene, und sandten alle Dschunken auf die Rhede hinaus,
damit sie den Fluss nicht sperrten. Eine Reiterschaar, die sich in
einiger Entfernung vom Ufer zeigte, erhielt einige Granaten und stob
auseinander. Berittene Mandarinen winkten den Kanonenbooten
vielfach vom Ufer, um Mittheilungen zu machen, wurden aber nicht
beachtet. .
Die Vertreibung der Dschunken aus dem Fluss raubte viel
Zeit; erst am 26. Mai gelangten die Admiräle nach T i e n - t s in . Eine
Deputation der angesehensten Bewohner machte sogleich ihre Aufwartung
und erbot sich zu Handelsgeschäften. Von einer politischen
Macht ausserhalb China hatten sie keine Ahnung, hielten alle Fremden
für Kaufleute und baten um Waaren- und Preisverzeichnisse;
sie wollten trotz dem Verbot der Regierung Alles kaufen und reichlich
bezahlen; dafür möchte man die Stadt schonen. Herr Lay,101)
der die Admiräle als Dolmetsch begleitete, machte mit Mühe begreiflich,
dass man keinen Handel, sondern kaiserliche Bevollmächtigte
wünsche, und dass der Stadt T i e n - t s in Unheil drohe, wenn
solche nicht erschienen; worauf Jene betheuerten, so lange an den
kaiserlichen Palast in P e - k in klopfen zu wollen, bis der Himmelssohn
sich erweichen liesse: sie hofften, dass Ihre erhabenen Excel-
lenzen bis dahin dem angebotenen Mundvorrath zusprechen wollten,
liessen eine Ochsen-Heerde an den Fluss treiben und schlachteten
sie gleich als Friedensopfer.
Das Erscheinen der Engländer in T i e n - t s in that die gehoffte
Wirkung. Am .29. Mai erhielt Lord Eigin auf dem Furious ein
Schreiben d e r . Commissare T a u ; T su n und Wb mit folgendem
kaiserlichen Decret als Einschluss: ,
»Wir befehlen dem Haupt-S ta a tsse c re tä r K w e i - l i a n , u n d W a »
9 1 S a n a , Präsidenten des Ministerium d e r Civilverwaltung, sich auf
dem Postwege nach T i e n - t s i n z u verfügen zu Untersuchung und E rledigung
der Geschäfte. Beachtet Dieses.«
K w e i - l ia n konnte nach Yu als der erste Mann im Reiche
gelten; auch W a - sa n a zählte unter die vornehmsten Staatsdiener.
Noch am Abend des 29. Mai fuhren Lord Eigin und Baron Gros
nach T i e n - t s in hinauf, wo unterdessen Vorbereitungen für ihren
Aufenthalt getroffen waren. Der russische und der americanisehe
Gesandte folgten am 3 0 . Mai und erliessen in T i e n - t s in sofort eine
Proclamation, dass sie in friedlicher Absicht kämen. Am 3 . Juni
meldeten die chinesischen Gommissare ihre Ankunft und zeigten
sich bereit, schon- am folgenden Tage die Verhandlungen zu beginnen.
101)' Herr Lay stand damals als Director des Zollamtes für den fremden Handel
in S h a n g - h a e in kaiserlich chinesischen Diensten.