
L in - T s e - t s iu war ein Mann von seltenen Gaben des Charakters,
der eingefleischte Vertreter der altchinesischen Gesittung.
Von unbedeutendem Herkommen, hatte er sieh durch wohlbestandene
Prüfungen, geschickte Verwaltung, Energie und Zuverlässigkeit zu
den höchsten Aemtern emporgeschwungen; seine Integrität und
Gewissenhaftigkeit standen über jedem Zweifel.” ) Er blieb seinen
Anschauungen selbst dann und bis an sein Ende treu, als er die
Macht der Barbaren kennen lernte, und wegen CT schlechten ErfolOges
seiner Politik in Ungnade fiel. In das Privatleben zurücktretend
strebte er mit rastlosem Eifer, durch literarische Studien sich über
die Fremden zu unterrichten, um die Wege zu ihrer Vernichtung
zu finden, und liess aus eigenen Mitteln einen Truppenkörper
zu ihrer Bekämpfung ausbilden. Eurclitlos sagte er auch im Unglück
dem Himmelssohne seine Meinung; Tüchtigkeit, Treue der Gesinnung
und unbeugsame Thatkraft erhielten ihm Anselm und Einfluss
bis an sein Lebensende; er blieb trotz seiner Degradirung
eine politische Grösse. L in war die Verkörperung der a l t c h in e s
is c h reactionären Parthei, welche im Gegensatz zu der den Umständen
grössere Rechnung tragenden, zur Vergleichung neigenden,
damals besonders durch t a r t a r is c h e , Staatsmänner vertretenen
Richtung die Aufrechthaltung unbedingter Oberhoheit und Unterdrückung
der Barbaren durch unversöhnlichen Krieg bis aufs
Messer wünschte.
L in begnadigte nach seiner Ankunft in K a n - t o n alle des
Schleichhandels verdächtigte Eingeborne, drolde aber den H on-
Kaufleuten mit der äussersten Strenge, wenn sie sich zweideutig benähmen.
An die Fremden richtete er einen Erlass, in welchem
ihnen zunächst die Wohlthaten und der grosse Gewinn vorgehalten
würden, deren sie im Handel mit China durch die Gnade des Himmelssohnes
genössen. Dann kommen Vorwürfe über den unverzeihlichen
durch schmachvolle Einführung des Opium bewiesenen Undank.
»Da ihr euch im Lande der Ueberausreinen Dynastie befindet, so
müsst ihr, ebensogut wie die Eingeborenen, den Gesetzen gehorchen.
Ich höre, dass die bei L i n - t in ankernden Schiffe viele tausend
Kisten Opium an Bord haben, die eingeschmuggelt werden sollen.
Nun höret meinen Befehl, und mögen die fremden Kaüfleute ihn
27) L in ist Familiennamen, T s e - t s iu Elirenbenennung, »die Muster-Würde«.
Er war 1785 geboren,
eiligst befolgen, sobald er ihnen zu Gesicht kommt: sie müssen
der Regierung das auf ihren Schiffen lagernde Opium bis auf die
letzte Kiste ausliefern, ohne auch nur eine Spur davon zurückzubehalten.
— Zugleich müssen die F'remden in chinesischer
und in ihrer eigenen Sprache das schriftliche Versprechen geben,
dass ihre Schiffe in Zukunft kein Opium mehr bringen, und wenn
es heimlich geschähe, dem Staate die ganze Ladung verfallen sein
sollte; dass die an der Einführung Schuldigen das Leben verwirken
und sich der Strafe willig unterziehen wollen.« Nun folgen Ver-
heissungen und Drohungen. »Ich schwöre, dass ich diese Sache
bis zum Ende verfolgen, und nicht einen Augenblick auf halbem
Wege stehen bleiben will. Die Volksstimmung ist so deutlich gegen
euch, dass, sollte das Ohr sich der Reue verschliessen, die vernich tende
Wirksamkeit unserer Land- und Seemacht gar nicht auf-
geboten zu werden braucht. Es bedarf nur eines Aufrufes an
die wehrhafte Bevölkerung, um euer Leben in meine Hand zu
liefern u. s, w.«
Capitän Elliot fuhr, von den Vorgängen unterrichtet, in der
Gig des englischen Kriegsschiffes I.arne den Fluss hinauf und traf
am Abend des 24. März 1839 bei den Factoreien in Kan- t o n ein,
wo die furchtbarste Aufregung herrschte. L in verlangte peremto-
risch, dass einer der angesehensten Kaufleute, Launcelot Dent, in
die Stadt kommen und vor ihm erscheinen solle. Dieser weigerte
sich, ohne Bürgschaft für seine Sicherheit Folge zu leisten und blieb
gegen alle Vorstellungen der Hon- Kaufleute taub. Er war im
eigenen Hause in grösser Gefahr; Elliot führte ihn deshalb noch
am Abend seiner Ankunft persönlich nach der englischen Factorei,
und erbot sich, Herrn Dent in seiner Begleitung nach der Stadt
gehen zu lassen, aber nur gegen die vom kaiserlichen Commissar
besiegelte Zusicherung, dass Jener seinen Blicken nicht einen Moment
entzogen würde. — Noch in derselben Nacht wurden die
chinesischen Diener der Fremden entfernt und die Zufuhr abgeschnitten.
Auf dem Flusse cernirte man die Factoreien durch eine
Kette von Booten; die Plätze vor und hinter denselben füllten sich
mit bewaffneten Haufen; vor den Thoren hielten die Hon-Kaufleute
und ein Detaehement Soldaten Tag und Nacht mit gezogenen Säbeln
Wache. — Die Fremden schwebten in grösser Gefahr. L in ’ s Absicht
scheint gewesen zu sein, durch Einschüchterung und Verhaftung
einzelner Kaufleute die Gesammtlieit zum Nachgeben und zu