
erklärt Yi für ganz unmöglich wegen der Thatkraft und Erbitterung
des Volkes, und warnt vor ernsten Misshelligkeiten, die daraus
entstehen könnten. Er schliesst mit einigen Schmeicheleien und
drückt sein festes Vertrauen auf die Weisheit, Unparteilichkeit
und Rechtsliebe Lord Eigin’s aus, der nur von übelwollenden
Menschen aufgehetzt sei. Er bezieht sich dann auf dessen Worte,
dass der Handelsverkehr wieder aufgenommen werden solle und
erklärt sich damit einverstanden. Es sei nicht Schuld der Chinesen,
dass seit dem Oetober des vergangenen Jahres kein fremdes Schill’
da gewesen sei; Lord Eigin werde sich durch Wiederherstellung
des Handels die Kaufleute aller Nationen verbinden.
Am 15. December wurde die K a n - t o n gegenüberliegende
Insel H o - n a n von 400 englischen Seesoldaten und 150 französischen
Matrosen ohne Widerstand besetzt. Mehrere Kriegsschiffe
gingen kaum zweihundert Schritte von den Geschützen der Stadtmauer
im Flusse vor Anker, ohne dass die Chinesen Anstalten der
Abwehr trafen. Die Bevölkerung schien sorglos ihren Beschäftigungen
nachzugehen. Haufen von Neugierigen sahen vom Ufer aus
den Arbeiten der Engländer auf dem Inselchen Dutch Folly zu,
wo eine Mörserbatterie gebaut wurde. Nur die in K a n - t o n nach
Hunderttausenden zählende Flussbevölkerung verschwand; Boote
und schwimmende Häuser trieben gemächlich den Strom hinab,
um eine stille Bucht aufzusuchen. Am 17. December kam Lord
Eigin auf dem Furious nach W a m - p o a hinauf und beschloss mit
Baron Gros, der Bevölkerung noch einige Tage zum Auswandern
und zum Bergen ihrer Habe zu geben. Riesenplacate in weithin
leserlichen Schriftzeichen wurden überall an den Stromufern angeschlagen,
machten jedoch wenig Eindruck.
Am 24. December richtete Lord Eigin eine kurze Note an
den Vice-König: er entdecke in dessen Schreiben keine Willfährigkeit,
seinen mässigen Forderungen nachzukommen, und mache ihn
nochmals auf die für diesen Fall vorausgesagten Folgen aufmerksam.
Er habe die Commandeure der Flotte und der Landmacht
ersucht, die Feindseligkeiten gegen K a n - t o n mit erneuter
Kraft wieder aufzunehmen und behalte sich das Recht vor, »seitens
der britischen Regierung solche Zusatzforderungen an die Regierung
von China zu stellen, als die veränderte Lage in seinen Augen
rechtfertigen werde«. Aehnlich drückte Baron Gros sich aus.
Die Obercommändeure der Land - und Seemacht meldeten dem
Vice-König an dem demselben Tage, dass sie angreifen würden,
wenn die Stadt sich binnen 48 Stunden nicht ergäbe.
In seiner Erwiederung an Lord Eigin erörterte Yi nochmals
die Lorcha-Angelegenheit, bestritt die ihm vorgeworfene Unwillfährigkeit
und berief sich abermals auf Bonharn, der nach erschöpfender
Discussion auf die Zulassung in K a n - t o n verzichtet
habe. Die beiden Nationen stäuden auf freundschaftlichem Fuss,
deshalb hindere nichts an gemeinsamer Berathung, auf welchem
Wege die von Lord Eigin gewünschte Herstellung des Handels zu
bewirken sei.
Der Furious mit der englischen und der Primauguet mit der
französischen Gesandtschaft gingen nun auch bis unter die Mauern
von K a n - t o n hinauf, wo die anderen Kriegsschiffe ankerten. Erst
am 27. wurden die Vorbereitungen zum Angriff vollendet. Am
28. December früh landeten die Truppen unterhalb der Stadt; zugleich
begann das Bombardement und währte 27 Stunden lang
ohne Unterbrechung. Die alliirten Truppen rückten fast ohne
Widerstand gegen die nordöstliche Ecke der Stadt und besetzten
L in ’s Fort, ein Aussen werk, dessen Garnison beim Platzen der ersten
Granate davonlief; sie drangen, die Chinesen vor sich hertreibend,
noch weiter nordwestlich vor und lagerten für die Nacht theils in
L in ’s Fort, theils im freien Felde. Die Geschütze der Stadtmauer
feuerten lebhaft, aber zu hoch, und verletzten niemand. — Am
folgenden Morgen schoben, die Alliirten ihren rechten Flügel noch
weiter vor und rückten zugleich unter die Stadtmauer, deren Geschütze
sie auch jetzt nicht trafen, während das Feuer der eigenen
Schiffe, das erst um neun Uhr schwieg, einigen Verlust brachte.
Vor der nordwestlichen Ecke der Stadt wurden Kanonen zur Be-
schiessung von Magazine-hill aufgefahren, eines die Stadt beherrschenden
Hügels, über welchen die Ringmauer läuft. Nun kam
das Corps der chinesischen Kuli’s , 98) welches die ganze Zeit gute
98) Das Chinese - Commissariate - Corps, welches die Engländer für diese Feldzüge
organisirten, bestand meist aus H a k k a - Chinesen, welche zerstreut in K u a n - t u n
wohnen, einem eingewanderten Stamm wie dieKEi-KiA in K u a n - si. Ein englischer
Ofiicier von diesem Corps giebt ihnen folgendes Zeugniss: »Im Feuer betrugen
sich alle standhaft, und einige verrichteten Thaten, die jedem Engländer das Vic-
toria-Kreuz eingebracht hätten. Ihre Zähigkeit ist wunderbar; ich sah sie zehn bis
zwölf Stunden in der heissen Sonne arbeiten, und sie murrten nicht, wenn ihnen
noch so starke Zumuthungen gemacht wurden. Ihr Fluch ist das Opium, und ich
halte nicht für möglich, diejenigen zum Aufgeben desselben zu veranlassen, die sich