
nach K u a n - s i und hörte dort erst bei seinem Verwandten W a n
von den Gemeinden der Gottesverehrer am Distelberge, wohin er
sich unverzüglich begab. Die Gesellschaft zählte damals im K w e i -
p i n - Bezirk schon über zweitausend Mitglieder, und die Lehre verbreitete
sich schnell über die angrenzenden Bezirke.74) Obwohl
F u n - y u n - sa n die Gemeinden gegründet hatte, wurde doch die
Ueberlegenheit seines Lehrers sofort von Allen anerkannt. Dessen
Wahn seiner göttlichen Sendung und seine in K a n - t o n erworbene
Bibelkenntniss mögen ihm die Autorität gesichert haben.
Meadows hat mit Recht darauf hingewiesen, wie sehr
namentlich die Apostelgeschichte auf die Chinesen wirken musste;
die bürgerlichen Verhältnisse hatten mit denen des römischen
Reiches grosse Aehnlichkeit. Da gab es Gilden und Handelszünfte,
welehe selbstständig auftraten und Feste zu Ehren ihrer Schutzgötzen
feierten; da kam der Bezirkshauptmann gleich dem Stadtschreiber
von Ephesus in seinem Tragstuhl und redete zum Volke.
Der gröbste Aberglauben beherrschte die Menge. Begriffe wie
Teufelsbeschwörer, Geisterbanner, Zauberer, böse Geister und
Götzen, mit denen wir keine lebendige Vorstellung mehr verbinden,
sind der Anschauung des heutigen Chinesen so geläufig wie sie dem
alten Römer waren. H u n - s iu - t s u e n mag sich dem Apostel Paulus
verglichen haben und ahmte ihn nach im Feuereifer gegen den
Götzendienst. Er drohte den Ungläubigen die schlimmsten Höllenstrafen:
»Zu viel Geduld und Demuth passen nicht in unsere
Zeiten, denn damit könnte man dieses verstockte Geschlecht nicht
zügeln.« Er zerstörte ein in K u a n - s i weit berühmtes Götzenbild
und veranlasste einen wüthenden Bildersturm, welcher die Gottesverehrer
zuerst mit der Obrigkeit in Collision brachte. Ein reicher
Mann aus der Classe der Studirten, W a n , trat öffentlich als Ankläger
auf und beschuldigte die Gottesverehrer rebellischer Absichten.
F u n - y c n - sa n und einer seiner Gefährten wurden eingekerkert; die
Bestechungen des fanatischen W a n machten ihre Lage bedenklich.
H u n - s iu - t s u e n eilte nach K a n - t o n um den Schutz desKi-YiN anzuflehen.
Dieser war jedoch kurz zuvor abgereist und H u n - s iu - t s u e n
kehrte nach K u a n - s i zurück.
74) Hün-dzin b eh a u p te t, dass viele in d e r e rs te n u n d zweiten P rü fu n g Gräduirte
u n d einflussreiche M än n e r u n te r d en Bek eh rten gewesen seien. Die sprachkundigen
F rem d e n , welche sp ä te r mit d en T a e - p i n verk eh rten , fanden ab e r n u r Män n er von
geringer Bildungsstufe -u n te r ihnen.
Unterdessen war F u n - y u n - s a n ’s Gefährte im Kerker an Misshandlungen
gestorben, er selbst unter Bewachung zweier Polizeidiener
nach seiner Heimath abgeschickt worden. »Auf der Reise
aber sprach F u n in seiner gewöhnlichen Art mit grösser Ueber-
zeugung und Beredsamkeit von der wahren Lehre, und sie waren
nicht viele Meilen gegangeu, als die beiden Wächter sich bekehren
liessen.« Sie setzten ihn nicht nur in Freiheit, sondern folgten ihm
auch zum Distelberge und wurden bei der Gemeinde als Taufbedürf-
tige eingeführt. Auf die Nachricht von H u n - s i u - t s u e n ’s Reise nach
K a n - t o n folgte ihm F u n dahin, fand ihn aber nicht mehr und kehrte
in sein Heimathdorf zurück. Auch H u n - s i u - t s u e n kam im November
1848 wieder in sein Dorf. Er pflegte dort mit seinen älteren
Brüdern die Heerde der Gemeinde zu hüten und traf an den Grenzmarken
oft mit F u n zusammen, der ein ähnliches Hirtenleben führte.
Sie lasen ihren Gefährten auf freiem Felde häufig Abschnitte aus
dem Alten und dem Neuen Testamente vor: »viele der jüngeren
Burschen«, erzählt H u n - d z in , »welche ihre Ochsen auf den Weideplatz
trieben, sammelten sich um Beide und horchten mit Spannung
ihren Lehren.«
Im Juli 1849 kehrten sie nach dem Distelberge zurück, wo »
sich »während ihrer Abwesenheit in K u a n - t u n bei der Gemeinde
der Gottesverehrer allerlei Merkwürdiges zugetragen hatte, das
Zwietracht unter den Brüdern erregte. Zuweilen geschah es nämlich,
dass, wenn sie versammelt zum Gebet niederknieten, Einer
oder der Andere plötzlich einen Zufall bekam, so dass er niederstürzte
und sein Körper sich über und über mit Schweiss bedeckte.
In solchem ekstatischen Zustande stiess er dann, vom Geiste getrieben,
Worte der Ermahnung, des Vorwurfs oder der Weissagung
aus. Die Sätze waren oft unverständlich, und meistens rhythmisch
geordnet. Die merkwürdigsten dieser Aeusserungen hatten die
Brüder in einem Buche niedergeschrieben und legten sie nun H u n -
s iu - t s u e n vor, der die Geister nach der Wahrheit der Lehre be-
urtheilte, und entschied, dass die Reden der Verzückten theils
wahr, theils falsch seien. Er bestätigte damit die von Y a n - s i n - t s in
schon ausgesprochene Ansicht, dass sie theils von Gott und theils
vom Teufel, seien.«
Y a n - s i n - t s in war ein Mann von geringem Herkommen und
grösser Begabung, der sich dem Bekehrungswerke eifrig gewidmet
und damals schon bei den Gemeinden Einfluss gewonnen hatte.