
184 Gefahr fü r S h a n g - h a k .
Jahren fast durchgängig aus eben so schlechtem Gesindel, wie die
kaiserlichen, und wetteiferten mit diesen in allen Verbrechen.
Als die Rebellen N a n - k in genommen hatten, begann die Bevölkerung
der in dem Landstrich zwischen T s in - k ia n und dem
Meere gelegenen Städte mit ihrer fahrenden Habe auszuwandern;
S h a n g - h a e füllte sich mit Flüchtigen. Der Weg dahin stand dem
Insurgentenheere offen und wäre ihm von kaiserlichen Truppen
kaum bestritten worden. Die fremden Ansiedler organisirten sich
zu einem Freicorps und Hessen Erdwerke zum Schutz der Niederlassung
aufwerfen, denn man fürchtete das Schlimmste. Wu, der
Präfect von S h a n g - h a e , ein Kantonese, welcher sein Amt erkaufte,81)
hatte sich schon früher um die Rüstungen bemüht und die kaiserliche
Flotte im Y a n - t s e durch eine Anzahl Lorchas verstärkt,
welche, beweglicher und besser bemannt als die Kriegsdschunken,
der T a e - p i n -Flotte hei T s i n - k ia n kurzen Widerstand leisteten.
Jetzt meldete Wu dem englischen Consul, er wünsche die vor
S h a n g - h a e ankernde Corvette Lily zu miethen, und hat, über
die Unziemlichkeit solchen Antrages belehrt, dass für die Operationen
im Y a n - t s e einige Kriegsdampfer aus H o n g - k o n g verschrieben
würden. Vergebens wiederholte er sein Gesuch um Beistand,
als der englische Bevollmächtigte Sir George Bonham am
21. März 1853 mit den Dampfern Hermes und Salamander vor
S h a n g - h a e eintraf. Im Verein mit dem Präfecten von N i n - p o
hatte. Wu unterdessen eine Anzahl grösserer Lorchas aus Macao
gerüstet und americanische Schiffe gekauft, welche mit Seeleuten
aller Länder bemannt wurden. Der hohe Sold verführte selbst
Matrosen der Kriegsschiffe zur Desertion. Um die Bevölkerung zu
beruhigen und die T a e - p in z u schrecken, verbreiteten die Mandarinen
in der Provinz, dass die Fremden die kaiserliche Flotte
8I) Wu hatte sich im Handel mit den Fremden emporgearbeitet, sprach das gebrochene
Pidgeon-Englisch, die Verkehrssprache zwischen den Fremden und den
Kantonesen, welche sich im Laufe der Zeit zu einem feststehenden Jargon ausgebildet
h a t, und war dadurch, obgleich er keine Prüfung bestanden und keine Spur von
litterarischer Bildung hatte, obgleich er nicht einmal den Mandarinen - Dialect — was
so viel sagen will wie bei uns hochdeutsch — reden konnte, zu der Stellung in
Shang- hae besonders geeignet. Erwar fähig, thätig und opferte für die Rüstungen sein
eigenes Vermögen, wurde aber dennoch später wegen des schlechten Erfolges degradirt.
Sir George Bonham vor N a n - k i n . 185
mit ihren Schiffen unterstützen würden. Diese Nachricht, verbunden
mit der Anwesenheit fremdgetakelter Schiffe im Strom, konnte
die T a e - p in gegen die Ausländer reizen. Um nun Jenen die Neutralität
der Briten anzuzeigen und Kenntniss vom Stande der Dinge
zu gewinnen, beschloss Sir George Bonham auf dem Hermes nach
N a n - k in hinaufzugehen.
Die Fahrt war glücklich. Am 26. April 1853 ankerte der
Hermes bei der »Silberinsel« unterhalb T s i n - k ia n . Als er darauf
bei dem durch die americanischen Schiffe verstärkten Geschwader
vorbeifuhr, folgten ihm diese und griffen die Werke der Rebellen
an, welche deshalb auch auf den Hermes schossen. Ohne zu antworten
dampfte die Corvette weiter und ankerte am Morgen des
27. April vor der nördlichen Ecke von N a n - k in . Die Ufer-Batte-
rieen feuerten mehrere Schüsse, schwiegen aber sobald die Engländer
durch unterwegs aufgegriffene Chinesen den T a e - p in ihre
Friedfertigkeit schriftlich meldeten. Einige Officiere brachten die
Antwort, worauf Sir George Bonham den Secretär Herrn Mea-
dows nach dem Ufer sandte. Lieutenant Spratt begleitete denselben.
Am Landungsplatz liefen viele Soldaten zusammen.
Meadows fragte nach dem höchsten Beamten,; zu welchem Zutritt
zu erlangen sei, und wurde nach einem Hause der nördlichen Vorstadt
geleitet. Aus der Thür traten zwei Männer in gelbseidenen
Gewändern. Die Spalier bildenden Soldaten schrieen den Engländern
zu , sich niederzuwerfen; Meadows aber grüsste europäisch
und sagte den Beiden seinen Auftrag, eine Zusammenkunft des englischen
Bevollmächtigten mit dem höchsten Würdenträger in N a n -
k in zu verabreden. Die Gelbgekleideten traten aber schweigend
in das Haus zurück, wohin Meadows und Spratt ohne Umstände
folgten. — Draussen gab es Tumult: Der den Engländern als Führer
gedient hatte, bekam von den Anderen Schläge. — Die Gelben
waren, wie sich später zeigte, der König des Nordens und der
Hülfskönig. Ersterer fragte, nachdem sie sich niedergelassen, Herrn
Meadows, ob er Gott den himmlischen Vater anbete. Auf die Antwort,
dass die Engländer das seit achthundert Jahren thäten,
wechselten die Beiden zufriedene Blicke und liessen Stühle bringen.
Nun entspann sich zwischen Meadows und dem Nordkönig ein Gespräch:
Jener forschte nach dem Rang und der Stellung der T a e -
piN-Häupter, meldete den Wunsch der englischen Regierung, beim
Kampfe derselben mit den Mandschu vollkommen neutral zu bleiben