
156 Rebellionen im Anfang des 19. Jahrhunderts.
die, wo sie keinen Sold erhielten, sich oft zu den Insurgenten
schlugen. Von 1805 bis 1810 hot eine Piratenflotte, die nach
Gützlaff aus achthundert Dschunken und tausend Booten mit
einer Bemannung von siebzigtausend Seeleuten bestand, an den
südöstlichen Küsten der Regierung offenen Trotz, schlug alle
kaiserlichen Flotten und konnte erst, nachdem Zwietracht unter
den Führern gesät war, durch Compromisse gebändigt werden.70)
1812 veranlasste Misswachs im Norden des Reiches einen Aufstand,
der sich über fünf Provinzen verbreitete; diese Rebellen nannten
sich T i e n - l i (himmlisches Recht) und gingen offen auf den Sturz
der Mandscliu aus. Am Kaiserhofe selbst müssen sie Theilnehmer
gehabt haben; K i a - k in wurde 1813 in seinem Palast überfallen und
entging dem Tode mit genauer Notli. Er befahl damals die
strengste Verfolgung aller Geheimbünde durch das ganze Reich; 1816
sollen über 10,000 Menschen zum Tode verurtheilt in den Kerkern
geschmachtet haben.
Misswachs, Erdbeben und Deberschwemmungen verwüsteten
das Reich gegen das Lebensende des K i a - k in . Sein Nachfolger
T a u - k w a n muss ein ehrlicher Charakter gewesen sein; er stellte
am Hofe ein sittliches Leben her, brachte Ordnung in die Finanzen
und strebte nach dem Zeugniss der Zeitgenossen mit Ernst seinen
Beruf zu erfüllen. Der Zustand des Reiches besserte sich; in den
™) Die Streitmacht der Piraten war vollständig organisirt; sie gehorchte nach
dem Tode des Führers lange Zeit dessen Wittwe, welche für den activen Dienst
ilire Stellvertreter ernannte. Zwei Engländer, Glaspoole und Turner, die längere
Zeit bei ihnen gefangen waren, haben einen merkwürdigen Bericht veröffentlicht,
Die strengste Mannszucht soll unter den Piraten geherrscht haben. Die Ehe
war ihnen heilig, jeder unsittliche Verkehr und jede Gewaltsamkeit gegen Frauen
streng verpönt. Alle Dschunken, die ihre Oberhoheit anerkannten, erhielten Geleitspässe;
alle anderen Chinesen, besonders die in kaiserlichen Fahrzeugen gefangenen,
behandelte man mit furchtbarer Grausamkeit. Man erhob Contributionen von den
Küstenstädten; selbst europäische Boote konnten nicht ohne Schutz zwischen
K a n - t o n und Macao verkehren, denn die Piraten beherrschten alle Mündungen des
T s u - k i a n . Die Regierung machte grosse Anstrengungen, und die Portugiesen in
Macao stellten 1809 gegen eine Subvention von 80,000 T a e l sechs bewaffnete Fahrzeuge
zum Dienst gegen die Seeräuber. Das Alles hätte aber kaum gefruchtet,
wenn nicht Zwietracht zwischen ihnen entstanden wäre. Sie theilten sich in ein
rothes und ein schwarzes Geschwader, die' sich eine blutige Schlacht lieferten, Die
Rothen siegten. Die Schwarzen benutzten nun die von der kaiserlichen Regierung
für die fügsamen Piraten erlassene Amnestie; ihr Führer erhielt sogar Rang und
Würden. Sie wurden gegen die von der Wittwe des früheren Hauptmannes befehligten
Rothen verwendet, schnitten diesen die Zufuhr ab und zwangen sie, ebenfalls
die Amnestie anzunehmen.
ersten zwanzig Jabren seiner Regierung gab es nirgends beden -
liehe Unruhen. Dann aber kam der Opiumkrieg. au- k ,
dessen ältester Sohn ein Opfer des Giftes geworden sein soll trat
anfangs dem Uebel scharf entgegen und gelohte ein über das
andere Mal, das »Barbaren-Auge« vom Antlitz der Erde zu vertilgen,
musste sieh aher statt dessen den härtesten Bedmgun-
S°n ^ ¿ “e Mandschu-Truppen, auf deren Ruf der Unbesiegbarkeit
die Sicherheit der Dynastie wesentlich beruhte, kämpften zwar
todesmuthig, fielen aber wie schwaches Rohr vor den fre®den
Waffen Die Finanzen zerrüttete der Krieg au a rz .
27 Millionen Dollars 'erhielten im Ganzen die Engländer; die
Rüstungen und Unterschleife verschlangen aber viel grössere Summen
Die Beeinträchtigung des Handels machte sich im Ausfall
der Zölle fühlbar.' In der -Grundsteuer, welche eine Hauptquelle
des chinesischen Staatseinkommens ist, konnte der Kaiser
bei aller absoluten Gewalt keine Aenderung der uralt-hergebrachten
Normen treffen. Tau-kwan wusste sich nicht zu helfen
und griff zu dem revolutionären Mittel des Stellenverkaufes,
der unter K i a - k in nur vereinzelt, jetzt systematisch betrieben
H ° Neben der tiefen Wunde, welche diese Einrichtung der
Ulasse der Studirten schlug, erzeugte sie noch andere Uebelstande.
Zunächst die schwere Bedrückung des Volkes, an welchem der
durch Geld zu Amt und Würden gelangte Mandarin sich durch
Erpressungen schadlos hielt. Dann das Uebergewicht des Geldes
über das Verdienst, welches der sittlichen Anschauung des Chinesen
auf das schärfste widerspricht, nun aber vom Hiinme s-
soline öffentlich anerkannt wurde. Für den gesitteten Chinesen verlor
das käufliche Amt jeden Nimbus der Autorität; die besseren Volkselassen
verachteten den neuen Beamtenstand; die Regierung musste
an Ansehn einbüssen, was sie an Gelde gewann. Verdiente Männer
welche ihre Aemter der eigenen Arbeit und Redlichkeit
dankten, wurden ungerecht, daraus verstossen. Denn als die
Käuflichkeit der Stellen aufkam, drängte sich eine TJeberzah
dazu; die Regierung nahm das Geld der Candidaten und ga
ihnen Anwartschaft für die nächste Erledigung. Bald aber fand
sich dass die meisten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
kaum in zehn Jahren Platz finden würden; sie schneller zu be