
T s u - s a n die Küstenstadt T s i - p u an, wo eine Strandbatterie gestürmt
und die Besatzung verjagt wurde. Der Phlegeton verwüstete
einen anderen Ort, wo kurz vorher ein englischer Seemann aufgehoben
war, den Y u - k ie n grausam hinrichten liess. Diesem
scheint jetzt unheimlich geworden zu sein. »Es sind Gerüchte verbreitet,
« schreibt er dem Kaiser, »als hätte ich zwei Barbaren
lebendig geschunden; ich habe aber nur einen Gefangenen gehabt,
den ich hinrichten liess; es ist abgeschmacktes Gerede, dass die
Engländer dafür Rache nehmen wollen. Sie haben aber irgend
einen unergründlichen Plan, und es ziemt uns auf der Hut zu sein.
Da T s u - s a n und T s i n - h a e stark befestigt sind, so werden sie
wahrscheinlich an irgend einem anderen Orte Störungen bereiten.
Deshalb bin ich nach S h a n g - h a e gegangen, um die nöthigen
Rüstungen anzuordnen, damit wir nicht die Vertheidigung des
einen Ortes über die des anderen versäumen. Es ist sehr wichtig,
die bedürftigen Bezirke mit Reis zu versehen; darum erhielten die
Kaufleute Erlaubniss, solchen auszuführen. So hoffe ich jeden
Anflug von Unzufriedenheit zu verwischen und bin überzeugt, dass
die getroffenen Maassregeln jede Besorgniss verbannen werden.«
Y u - k ie n ’s Streben nach Popularität war sehr unfruchtbar; denn
Jeder kannte seine Willkür, Grausamkeit und jähzornige Rachsucht.
Er liess auch die öffentlichen Gelder ungern in die Taschen Anderer
fliessen und hatte daher selbst unter den Mandarinen wenig Anhang.
Auf die Nachricht vom Erscheinen der englischen Flotte
vor T s u - s a n versank Y u - k ie n in dumpfes Brüten; Niemand durfte
ihm nahen; er ass und schlief mehrere Tage und Nächte nicht.
Endlich ermannte er sich zu einem polternden Aufruf an das Volk,
sandte aber nach der bedrohten Insel keine Verstärkung.
Die Besatzung von T i n - h a e soll zehntausend Mann betragen
haben. Als die Dampfer Nemesis und Phlegeton recognoscirend
in den Hafen liefen, feuerte der commandirende General mit eigener
Hand den ersten Schuss und berichtete nach Abfahrt der Schiffe
an Y u - k i e n , er habe das eine in den Grund gebohrt, dem anderen
den Mast weggeschossen. Dieser machte in seinem Schreiben an
T a u - k w a n einen ¿vollständigen Sieg daraus: die feindliche Vorhut
sei gänzlich vernichtet.'16) — Erst in den letzten Tagen des September
war die englische Flotte vor T s u - s a n versammelt; der An-
4“) Der Kaiser beförderte den General und verlieh ihm die Pfauenfeder; als
diese Auszeichnungen aber eintrafen, war der Tapfere längst gefallen.
griff erfolgte am lJ October. Zum Sturm auf das grosse Erdwerk
am Hafen schifften die flachgehenden Dampfer Truppen aus, die
von der rechten Flanke eindrangen und die Besatzung aufrollten.
Ernster Widerstand wurde an wenigen Stellen geleistet; der Commandirende.
fiel im Handgemenge. Eine auf ein Inselchen postirte
Batterie säuberte die Hügel und warf mit den dicht am Ufer
geankerten Schiffen Granaten in die Stadt; bald waren auch die
Höhen in den Händen der Engländer, welche nun über einen in
die Stadt einschneidenden Felssporn die Mauern stürmten. Sie
hatten 2 Todte, 27 Verwundete. Die Chinesen beklagten sich
bitter über den unbilligen Angriff auf die ungedeckte llanke des
Erdwerkes, dessen V orderfronte allerdings stark genug war.
Ihr Ober-General war’gefallen; zwei andere entleibten sich.'17)
Von den Bewohnern auf das freundlichste empfangen machten
die Engländer bekannt, dass ihr Aufenthalt voraussichtlich
mehrere Jahre dauern würde, und bannten dadurch alle Furcht vor
den Mandarinen. Sie. ordneten die Communal- und Justiz-Verwaltung
unter Aufsicht ihrer eigenen Beamten und organisirten aus
den Truppen eine Sicherheits-Polizei, welche dem Unwesen des
Wegfangens Einzelner nach Möglichkeit steuerte. Der Aufenthalt
der englischen Garnison auf T s u - s a n dauerte bis 1847, und das
Verhältniss gestaltete sich immer freundschaftlicher; Handel und
Wandel blühten auf, und die Insel erfreute sich bald eines nie
gekannten Wohlstandes, den sie dem Gelde der Engländer verdankte.
An frischen Lebensmitteln fehlte es während dieser Occupation
keineswegs, und der Gesundheitszustand war vortrefflich.
Y u - k ie n ’s Bericht über den Fall von T s u - s a n war noch
lügenhafter als alle früheren: neunundzwanzig englische Schiffe
waren zurückgeschlagen worden; viele trieben als Wracks ohne
Mannschaft und Geschütze auf dem Meere. Hunderte der Landen-
«) Der höchste Civil - B'eamte floh mit so viel Geld als er tragen konnte, und
warf, um den Glauben an seinen freiwilligen Tod zu erwecken, bei einem Canal
die Kleidung ab; später wurde er .entdeckt und in P e -k in zuerst zum Tode, dann
zu Verbannung verurtheilt, endlich aber zu einer Geldbusse begnadigt. In seinen
neuen Stellungen zeigte er sich sehr thätig für die Landesvertheidigung, erklärte
aber freimiithig, dass alles Mühen fruchtlos sei. Bei späteren Unterhandlungen
erschien er mehrfach als gern gesehener Vermittler im englischen Lager; er hatte
gegen englische Gefangene die grösste Schonung bewiesen und mehreren das Leben
gerettet. Nach der späteren Räumung von T s u - s a n erhielt er dort seinen alten
Posten wieder.