
besitzt nur die grösste. Die Bevölkerung hatte keine Ahnung vom
Kriege mit England; unbefangen fuhren die Eischer dem Feinde
entgegen und boten ihre Dienste an. Bei der Hauptstadt T i n - h a e
legten sich die anwesenden Kriegs - Dschunken vor die Handelsflotte;
die Ufer wimmelten von Menschen als das Geschwader
erschien. Der chinesische Admiral kam an Bord des Flagg-Schiffes
Wellesley, liess sich die Ursachen und den Zweck der Feindseligkeiten
erklären und beklagte sich bitter, dass Unschuldige für die
Fehler der Kantonesen leiden sollten; gegen diese möchten die
Engländer kämpfen. »Wir erkennen euere Uebermaclit; unser Widerstand
ist nutzlos, und doch müssen wir Widerstand leisten. Verlieren
wir gleich das Leben, so haben wir doch unsere Pflicht
ö. Juii 1840. erfüllt.« Am folgenden Morgen waren auf den Uferhügeln Geschütze
aufgestellt; geschäftig lief die Mannschaft durcheinander.
Alle Kriegs - Dschunken lagen vor dem Hafen, ihnen gegenüber
das englische Geschwader. Commodore Bremer wartete bis zwei
Uhr auf friedliche Uebergabe und liess dann Truppen ausschiffen,
die auf der anderen Seite der Insel landeten. Um halb drei fiel
auf dem Wellesley der erste Schuss; sämmtliche Kriegs-Dschunken
und Ufer-Geschütze antworteten. Die- Engländer feuerten nur
neun Minuten und liessen darauf die einzelnen Schüsse der Chinesen
unbeantwortet, denn der Zweck war erreicht. Die Dschunken und
ein Theil der Stadt lagen zerstört, und unter den Trümmern
viele Einwohner begraben. Grosse Volkshäufen. flohen in das
Innere der Insel. Die Engländer konnten ohne Widerstand
T i n - h a e besetzen, hatten aber Mühe, den Diebesbanden zu
steuern, welche die verlassenen Häuser und die öffentlichen Kassen
plünderten. — Der chinesische Admiral wurde schwer verwundet, der
erste Civilbeamte ertränkte sich aus Verzweiflung; andere fielen,
die meisten flohen.
Die Engländer richteten sich auf längere Zeit ein, denn
Tsu- s a n ist , die beste Operationsbasis gegen die Mündung des
Y a n - t s e - k ia n und den Norden. Sie gewannen bald das Vertrauen
der Bevölkerung, die schaarenweise zurückkehrte. Die Mandarinen
des nahe gelegenen Festlandes liessen aber durch Streifbanden
jeden Engländer aufgreifen, der sich aus der Stadt entfernte. Es
war unmöglich, diesem Unwesen gänzlich zu steuern; oft wurden
Soldaten durch verrätherische Freundlichkeit in die Falle gelockt
und grausam ermordet oder fortgeschleppt. Die Mandarinen terrorisirten
auch die ländliche Bevölkerung der Insel dermaassen, dass
die Garnison von T i n - h a e bald Mangel litt an frischen Nahrungsmitteln.
So brachen denn Seuchen aus, welche die Reihen der
Engländer bedenklich lichteten.
Die Statthalter der Küsten-Provinzen wetteiferten unterdess
in grossmäuligen Berichten nachPE-KiN, besonders T e n , der vorher
als Gouverneur von K u a n - t u n dem Opiumhandel thätigen Vorschub
geleistet haben soll, und Y u - k i e n , ein grausamer Mongole,
der sich in Turkestan einen Namen gemacht hatte.31)
Dieser rüstete als Statthalter von K i a n '- s u mit Eifer und
schilderte die Engländer als eine verächtliche Räuberbande, welche
leicht vom Angesichte der Erde zu vertilgen sei. »Ich habe einen
früheren Commandeur der Flottenstation von Tsu- s a n ersucht,«
schreibt er nach der Wegnahme, »die nöthigen Maassregeln zur
Wiedergewinnung der Insel zu treffen. Zu dem Ende wird er sich
verkleidet dahin begeben und die Stellung des Feindes erforschen.
Dieser wird natürlich seine Streitkräfte vertheilt haben, um die
wichtigsten Punkte zu besetzen, und unsre Soldaten können, sobald
ihre Anzahl genügt, in der Stadt über sie herfallen und dieselbe
wieder in Besitz nehmen u. s. w.« Ferner: »Da die Barbaren jetzt
furchtsam in den Meeren von T s e - k ia n herumirren, so werden sie
nach ihrer Niederlage in jener Provinz wahrscheinlich auch unsre
81) »Die Engländer,« schreibt Letzterer, »sind ein verworfenes und geringes
Volk, das nur auf seine starken Schiffe und Geschütze pocht; aber- die. ungeheure
Entfernung vom Vaterlande' wird die Ergänzung der Vorräthe unmöglich machen ;
ihre Soldaten werden nach der ersten Niederlage, der Nahrungsmittel beraubt, den
Muth verlieren. So wahr es ist, dass ihre Kanonen grosse Zerstörungen anrichten,
werden sie doch fiir den Angriff unserer Häfen zu hoch liegen und wegen der
Meereswellen nicht gerichtet werden können. Trotz dem Reichthum der Regierung
ist das Volk zu arm, uni zu den Kosten der Armee auf solche Entfernung beizusteuern.
Gesetzt auch, die Schiffe wären ihre Heimath, ‘und dass sie Wind und
Wetter darin trotzen, so gehen sie doch zu tief und werden ohne chinesische Lootsen
sicher stranden, 'ehe sie den Küsten nahen. Wenn,auch wasserdicht, so sind' sie
doch nicht feuerfest; wir können sie leicht verbrennen. Die Mannschaft wird den
Verheerungen, des Clima’s unterliegen und allinälich aufgerieben werden. Am Ufer
zu kämpfen sind ihre Soldaten zu ungelenk. Wir. müssen die Zugänge in das Innere
des Landes sperrfeü und die grössten Kanonen an die Küsten bringen, um ihren
Schiffen den schrecklichsten Empfang zu bereiten; zugleich müssen wir Fahrzeuge
voll Strauchwerk, Oel, Schwefel und Salpeter bereit halten und sie, unter Leitung
unserer Kriegsflotte, mit Wind und Fluth gegen ihre Schiffe treiben lassen.
Brennen diese -einmal, so können unsere Schiffe auf sie feuern und sie vernichten,
ohne auch nur einen Mann zu verlieren.«