
neuer Thatkraft zu ermannen. Das Gewissen des Ilimmelssolmes
ist seine inspirirte Neigung, denn über ihm giebt es keinen Richter,
und das Volkswohl rechtfertigt jeden Vertragsbruch gegen Räuber
und Rebellen, wie er die seinem Willen, d. h. der himmlischen
Weltordnung widerstrebenden Barbaren betrachten musste.
Neben der Verletzung des kaiserlichen Ansehns führten dre
chinesischen Commissare in ihren Gesprächen mit Lord Eigin noch
einen anderen Grund gegen die stehende Gesandtschaft in P e - k in an.
Man hatte schlimme Erfahrungen gemacht mit Diplomaten und Con-
suln, deren Eitelkeit, heftiges Temperament und Eigensinn, deren
hochmüthige Trägheit oder Unfähigkeit, den in der chinesischen
Cultur begründeten Institutionen und Anschauungen Rechnung zu
tragen oder sich auch nur darüber zu unterrichten, oft jeden
erspriesslichen Verkehr unmöglich machten. »Die Lehre,« sagt Lord
Eigin in seiner das Gesandtschaftsrecht beleuchtenden Depesche
an Lord Malmesbury ( S h a n g - h a e , 5. November 1858), »dass jeder
Chinese ein Bube, und nur mit Hohn und Trotz zu bändigen ist,
wird häufig etwas zu weit getrieben in unserem Verkehr mit diesem
Volke.« Männer von solchem Schlage fürchteten die Commissare,
wie sie offen bekannten, als Vertretr in P e - k in zu sehen, und besorgten
von deren Anwesenheit unheilbare Verstimmungen.
Lord Eigin hielt nicht für rathsam, das Vertragsrecht,
welches der englischen Regierung überliess, eine stehende
oder vorübergebende Gesandtschaften nach P e - k in zu schicken,
»in einer Weise zu brauchen, welche den Kaiser zu wählen
zwänge zwischen verzweifeltem Widerstande und passiver Duldung
Desjenigen, das er und seine Räthe für das grösste Unheil
ansahen, welches das Reich befallen könne«. Zudem fürchtete der
Botschafter wohl mit Recht, dass K w e i - l ia n und W a - sa n a hingerichtet
würden, und besorgte von solchem Beispiel eine übele
Wirkung auf die künftige Haltung chinesischer Staatsmänner. Endlich
hoffte er durch Nachgiebigkeit in diesem Puncte andere im
Vertrage nicht berührte Zugeständnisse, vor Allem die Erlaubniss
zu erlangen, mit einem Geschwader den Y a n - t s e - k ia n hinaufzugehen,
wozu er vor Unterdrückung der T a e - p i n - Rebellion und
Ratification des Vertrages kein Recht hatte. Lord Eigin wünschte
durch diese Expedition vor dem ganzen Reiche das ihm vom
Kaiser gewährte wichtige Recht der Besichtigung der neuen Häfen
zu constatiren und der englischen Flagge durch Mitführung eines
stattlichen Geschwaders im voraus Achtung zu verschaffen. Nachdem,
er schriftlich versprochen hatte, über das Gesandtschaftsrecht
in dem bezeichneten Sinne an seine Regierung zu berichten, fügten
die Commissare sich ohne Umstände seinem Wunsch und gaben
ihm Mandarinen mit Briefen mit, weiche gute Aufnahme bei den
kaiserlichen Behörden sicherten.
Nachdem auch die Vertreter von America und Frankreich
die von den Engländern .ausgearbeiteten Handelsbestimmungen und
Tarife angenommen hatten, wurden diese am 8. November unterzeichnet.
An demselben Tage trat Lord Eigin auf dem Furious in
Begleitung der Schiffe Retribution und Cruizer und der Kanonenboote
Dove und Lee seine Reise nach den Häfen des Y a n - t s e
an und kehrte in der zweiten Hälfte desDecember nach S h a n g - h a e
zurück.
Der Kaiser hatte die Commissare 'auf ihre Eingabe um Abberufung
des W a n , Generalgouverneurs von K u a n - t u n und Bevollmächtigten
für den fremden Handel, abschläglich beschieden, denselben
gegen den Vorwurf vertheidigt, nach dem 1 riedensschlusse
feindlich gegen die Fremden gehandelt zu haben, und sich jeden
Einspruch in die ihm allein zustehende Beurtheilung desselben verbeten.
Bei einem Zusammenstoss englischer Truppen mit Milizbanden
in der Nähe von K a n - t o n erbeuteten erstere nun im Januar
amtliche Documente aus dem Besitz des Kriegsausschusses, welche
die Mitwirkung des Statthalters deutlich bewiesen. Lord Eigin
drang deshalb nach .seiner Rückkehr abermals auf dessen Abberufung
und-Auflösung des Kriegsausschusses, und meldete den Coin-
missaren, dass er auf strenger Ausführung des Separat-Artikels
über die Kriegsschuld und K a n - t o n bestehen werde. Die Commissare
betheuerten, das Ihre gethan zu haben, dem Kaiser aber
keine Vorschriften machen Zu können; über-K a n - t o n mit ihm zu
unterhandeln, hätten sie bis dahin keine Zeit gefunden. Am 20. Januar
antwortete Lord Eigin, dass er über letztere Frage nicht
mehr mit ihnen correspondiren werde, da sie offenbar zu Beschlüssen
darüber keine Vollmacht hätten; dass er die Comman-
deure der Land- und Seemacht in K u a n - t u n dringend ersuchen
werde, dort mit äusserster Strenge aufzutreten, und dass bei Ratification
des Vertrages in P e - k in angefragt werden solle, ob die
Feindseligkeiten in jener Provinz vom Kaiser gebilligt wären. Die
Commissare äusserten sich darauf in den stärksten Ausdrücken
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