
196 Raubzüge 1854 und 1855.
verschiedene Gegenden der Provinz besetzt. Nach diesem Datum
sollen keine T a e - p in mehr nördlich vom Gelben Flusse gestanden
haben.
Die nach dem Po-YAK-See detachirte Abtheilung begann
im Juni 1853 die Belagerung von N a n - t s a n , der Hauptstadt von
K ia n - s i , welche im September von kaiserlichen Truppen entsetzt
wurde. Mehrere T a e - p i n -Corps zogen dann durch die Provinz,
nahmen viele Städte, räumten sie wieder und sammelten Geld und
Vorräthe aller Art, die nach N a n - k in geschleppt wurden. Aehn-
liche Expeditionen in die umhegenden Provinzen unternahmen die
T a e - p in im Sommer 1854 und dehnten ihre Feldzüge südwestlich
bis überTsAN-SA, die Hauptstadt von H u - n a n hin aus, westlich in
H u - f i bis zur Stadt I - t s a n am Y a n - t s e - k ia n . Die Dreistadt
H a n - k a u wurde am 26. Juni 1854 zum zweiten Male genommen
und lieferte neue Schätze. Auf die Nachricht von ihrem Verlust
befahl der Kaiser, den Statthalter der Provinz hinrichten
zu lassen.
Nach dreimonatlicher Occupation räumten die T a e - p in
H a n - k a u und die meisten anderen Plätze jener Gegend und fuhren
beutebeladeu nach N a n - k i n ; aber schon Anfang 1855 nahmen sie
die Dreistadt abermals mit Sturm. Den ganzen Sommer durch
wüthete der Krieg in H u - p i und K i a n - s i ; viele Städte wurden
genommen und wiedergenommen; locale Aufstände mehrten die
Verwüstung. Der jenseit des Gelben Flusses zurückgebliebene
Theil der Nord-Armee insurgirte auf dem Rückmarsch viele Städte
und verstärkte sich durch deren Gesindel; überall stiessen Räuberbanden
zu den T a e - p i n , welche solche Gemeinschaft jetzt nicht
mehr verschmähten. Mehr und mehr verwilderten ihre Heere; die
Berichte von rohen Verwüstungen und Schandthaten wurden immer
häufiger.. »Sie erschlagen die Beamten,» schreibt ein Mandarin aus
G a n - w u i , ¿verfolgen das Volk und zertreten es nach Lust mit den
Füssen. Von G a n - w u i westlich nach H o - n a n hinein, durch ein
Gebiet von 300 Li Breite und 1000 Li Umfang liegen die Dörfer
in Trümmern, Leichname sind in allen Richtungen umhergestreut
Ihre Stärke beträgt nicht ganz 100,000 Mann; sie
breiten sich östlich nach K ia n - su hinein und nördlich bis an die
Grenzen von S a n - t u n aus Die Gewässer des Gelben Stromes
sind neulich beunruhigt worden, und die betroffenen Bewohner,
welche kein Obdach mehr haben, werden verführt, sich diesen
Banden anzuschliessen.« 83) — Die Provinz H o - n a n war überdies
von Hungersnoth heimgesucht und im Zustande der furchtbarsten
Anarchie.
Die blosse Aufzählung dieser Feldzüge, welche, ausgenommen
den gegen Norden, lauter Raubzüge waren, zeigt schon, dass
die T a e - p i n - Bewegung ihre politische Bedeutung verloren hatte.
Die Insurgenten verwüsteten von 1853 bis 1856 immer wieder die
grosse Länderstrecke, welche zwischen I - t s a n westlich und TsiN-
k ia n östlich zu beiden Seiten des Y a n - t s e liegt, und drangen bis
in das Herz der Provinzen G a n - w u i , H u - p i , H u - n a n und K ia n - s i .
Bleibend hielten sie aber nur N a n - k in und die umliegenden Städte
besetzt, wo unermessliche Schätze aufgehäuft wurden. Sie thaten
den Mandschu durch Verwüstung jener Landschaften nur mittelbar
Schaden, sich selbst aber weit grösseren, da ihr Namen gehasst
und verflucht wurde, so weit man ihn kannte. Ueher gewaltige
Mittel verfügend ermannten sich ihre Führer diese ganze Zeit und
auch später nicht zu einem einzigen Unternehmen von politischer
Bedeutung, sondern lebten planlos in den Tag hinein und gingen
lediglich auf Raub und auf die Behauptung von N a n - k in aus, welches
schon in diesem Zeiträume beständig von kaiserlichen Truppen
belagert, wenn auch nicht wirksam eingeschlossen wurde.
Die Lehre des H u ñ - s iu - t s u e n in ihrer ursprünglichen Gestalt
ist in so fern ein merkwürdiges Phänomen, als sie gewisser-
maassen die unvermittelte Wirkung des Alten und Neuen Testamentes
auf den Chinesen darstellt, wobei freilich der sehr unvollkommenen
Uebersetzung von Morrison von vorn herein Rechnung
zu tragen ist. Welchen Eindruck unsere heiligen Schriften ohne
die Unterweisung confessioneller Glaubenslehrer auf den in fremder
Gesittung erzogenen Menschen machen, können wir kaum ermessen;
ein rechtgläubiger Katholik oder Protestant würde schwerlich selbst
bei uns aus freier Durchdringung der Bibel hervorgehen. Das
christliche Dogma in seiner heutigen Gestalt ist unter dem Einfluss
der Anlagen und Anschauungen einer bestimmten Völkerfamilie,
bestimmter historischer Ereignisse erwachsen; unter anderen Lebensbedingungen
würden sich andere Confessionen entwickeln. Jedes
88) In der amtlichen Zeitung von Pe - kin gedruckt.