
22 Die Niederländer.
souen; sie bezweckten keine Umgestaltung des Systemes, keine Er-
kämpfung von Rechten für die Unterthaneii. Und was den Söhnen
des blumigen Reiches niemals eingefallen war, das wollten jetzt die
fremden Barbaren erzwingen! Der Kaiser sollte nicht mehr unumschränkter
Gebieter sein, und Fremdlinge waren es, die ihm Gesetze
vorsehrieben! Das war unerhört und widersinnig!
Die Niederländer, welche zunächst nach den Portugiesen
kamen, hatten wenig Erfolg mit ihren Handelsunternehmungen nach
1624. China, bis von Batavia aus 1624 eine Niederlassung auf der Südwestküste
von Formosa gegründet würde. Die dort angelegte
Festung nannte man Zeeland. Das Aufblühen dieser Colonie sahen
die Spanier und Portugiesen mit grossem Neide; sie hatten alle
Versuche der Niederländer, in China Fuss zu fassen, offen und
heimlich hintertrieben, und die chinesische Regierung verbot denselben
auch jetzt noch den Handelsverkehr. Die Holländer scheinen
nun aber von Zeeland aus die chinesische Schiffahrt so lange
gestört zu haben, bis man ihnen die gewünschten Zugeständnisse
machte. Dagegen mussten sie die Pescadores-Inseln räumen und 0 . 0
sich auf die Festung Zeeland beschränken, wo sie Verbindungen
mit den Eingeborenen anknüpften und die angrenzenden Landstriche
anbauten. Nach dem Sturze des M in -Hauses flüchteten zahllose
Chinesen in das Ausland; 25,000 Familien sollen sich damals auf
T a e - w a n oder Formosa niedergelassen haben. Die Holländer begünstigten
anfangs die Einwanderung in der Nähe ihrer Colonie; in
der Folge wuchs sie ihnen über den Kopf und förderte wesentlich
ihre Vertreibung von der Insel.
Sonderbarer Weise scheint der Festung Zeeland von den
1654. holländischen Gesandten, welche 1654 von Batavia nach der chinesischen
Hauptstadt gingen, in ihren Verhandlungen mit den
kaiserlichen Räthen niemals gedacht worden zu sein. Die
Tartaren mögen, damals ganz neu in der Herrschaft, von der Geographie
des Landes wenig gewusst, vielleicht auch nicht geahnt
haben, dass die batavischen Sendboten und die Ansiedler auf Formosa
demselben Barbarenstamme angehörten. Jene aber mussten
sich freuen, dem Usurpator gegenüber von der Colonie zu schweigen
; denn das frühere Abkommen war noch mit Beamten des Min-
Kaisers geschlossen worden. — Die Gesandtschaft wurde in K a n - to n
Niederländische Gesandtschaften. 23
mehrere Monate aufgehalten, ehe sie die Reise nach P e - k in an-
treten durfte; unterwegs empfingen die tartarischen Behörden sie
überall höflich. In P e - k in sollen ihr die Jesuiten entgegengewirkt
haben; die Gewährung von Handelsprivilegien, nach welcher sie
strebten, hätten die Holländer auch ohne das wohl kaum erreicht,
trotz allen Demüthigungen, welche sie duldeten. Man scheint
sie gefoppt und verspottet zu haben10). Sie verrichteten willig den
knechtischen Gruss des Ko-xo nicht nur vor der Person des Kaisers,
sondern auch vor den ihnen von seiner Tafel zugetheilten
Bissen. Die Sitte des Ko-xo besteht darin, dass der Grüssende
sich auf beide Knie niederwirft, die Hände auf den Boden stützt
und mit der Stirn dreimal die Erde berührt. Dreimaliges Niederwerfen
und neunmaliges Kopfstossen ist der Gruss der tributpflichtigen
Vasallen; als solche bekannten sich die Niederländer durch
Vollziehung dieser Form, als sie mit den Gesandten abhängiger
Staaten vor den Kaiser geführt und gleich diesen behandelt wurden.
Trotz aller Willfährigkeit und der reichen Bestechung der
kaiserlichen Rätlie mussten sie P e - k in ohne das geringste Zugeständ-
niss oder Versprechen verlassen; das kaiserliche Geschenk von
300 Unzen Silber für den Statthalter von Batavia mag gegen die
Kosten der Sendung kaum in Anschlag gekommen sein.
Der Vertreibung der Holländer aus Formosa durch den chinesischen
Seehelden K u o - S jn oder Coxinga, welcher 1662 die Festung
Zeeland nahm, ist schon im I. Baude dieses Werkes gedacht.
Coxinga hatte mit seiner starken Flotte den Tartaren in Mittel-
China lange Widerstand geleistet, musste sich aber nach einer
Niederlage bei N a n - k in an die Küste von F u - k ia n zurückziehen
und betrieb von da aus die Eroberung von Formosa. Er gründete
dort ein eigenes Reich, welches erst sein Enkel 1683 den Mandschu-
Herrschern übergab.
Eine zweite holländische Gesandtschaft, welche 1667 nach
P e - k in ging, scheint nicht besser behandelt worden zu sein und
hatte eben so wenig Erfolg als die erste. ■— 1795 schickte die
batavische Regierung abermals eine glänzende Gesandtschaft unter
Titsingh nach der chinesischen Hauptstadt. Man glaubte in der
10) Es erregte Anstoss, dass sie nicht Gesandten eines Monarchen waren; den
Begriff der Republik konnte man nicht fassen, und als Vertreter einer Handelsgesellschaft
durften die Holländer sich am wenigsten ausgeben. Adam Schall hat über
diese Gesandtschaft berichtet.
1667.
1765.