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gesehen von dem bewiesenen Mangel an Wahrheitsliebe, die von
ihnen vorgeschützte Nothwendigkeit, aus Pe - kin die Bestätigung
aller ihrer Schritte einzuholen, einen Zeitverlust herbeiführe, dem
er sich nicht aussetzen wolle. Er habe deshalb die Oberbefehlshaber
der Truppen ersucht, eine Streitmacht bereit zu stellen, mit
welcher er unverzüglich nach T u n - t s a t j auf brechen könne. Vor
Ankunft in dieser Stadt werde er weder ihren Besuch empfangen,
noch auf Abmachungen zu Herstellung des Friedens eingehen.
Die Commissare versuchten nun in einem amtlichen und
einem halbamtlichen Schreiben das Aeusserste, um Lord Eigin zurückzuhalten:
sie hätten über die mit den dolmetschenden Secre-
tären erörterten Fragen sofort an den Thron berichtet und erwarteten
in zwei Tagen die Antwort; man müsse bei Friedensverhandlungen
doch etwas Geduld und Nachsicht üben; nur drei Tage
möge Lord Eigin warten u. s. w. — In welcher übelen Lage sie
waren, bewies nachträglich das im Sommerpalast erbeutete Fragment
eines Decretes in Zinoberschrift, datirt vom 7. September
1860, das wahrscheinlich auf K w e i - l ia n ’s Bericht erlassen wurde
und die Absichten des Kaisers wie seine unklaren Begriffe in
deutliches Licht stellt.
»Was die Aeusserung angeht, dass T i e n - t s i n schon in der
Barbaren Händen is t, und dass-es deshalb nichts ausmacht, ob ihnen
d e r H andel do rt versprochen wird oder n ic h t, ferner dass die B arbaren
sich d e r W e rk e am Zusammenfluss des Canals mit dem Flusse bemächtig
ten , so w ird , wenn sie nach u n d nach eine grosse Streitmacht
' herauf b rin g en , nichts übrig bleiben, als sie im offenen Felde zu bekämpfen.
K örper von Fleisch Schiffen und Kanonen entgegen zu stellen
ist ganz unmöglich.
Unsere erste Ansicht war u n d ist noch die richtige. K w e i - l ia n
u n d seine Collegen hätten bei diesem Anlass den Barbaren T i e n - t s in
nicht versprechen sollen. Wollten sie Krieg, so musste man sie weit
(in das Land) hinein fuhren und dann nach einer Todesschlacht sie
kla r bedeuten, dass von den neuen Bedingungen keine Rede sei und
dass der alte V ertrag Geltung haben möge. Ging das nicht, so konnte
d e r Handel in T i e n - t s i n sta tt des Aufenthaltes in der Hauptstadt bewilligt
werden. Da diese Minister den Handel gewährt h ab en , so
wird der einzige W eg se in, dem Artikel, wie er da steh t, beizustimmen
u n d (die Barbaren) für je tz t festzuhalten; u n d wenn die Unterhandlung
ganz u n d gar zusammenbricht, K w e i - l i a n u nd seine Collegen
zurückzurufen oder zu degradiren u n d , nach Maassgahe des Punctes,
Fragment eines kaiserlichen Decretes. 327
zu welchem die Dinge gediehen sein mögen, solche weiteren Einrichtungen
zu treffen, wie die Lage bedingt.
W a s ihre Forde rung der Kriegskosten betrifft, so brauchten sie
viele Listen um uns in die Enge zu treiben, und wollten uns keinen
anderen Ausweg lassen als -uns ihren Vorschriften zu fügen. Aber abgesehen
von der U nmöglichkeit,.die zwei Millionen in d e r anberaumten
F ris t zu erlegen, stände die Sache ganz ausser F rage, auch wenn
die Summe aufzubringen wäre. Es gilt seit alter Zeit für schmachvoll,
unte r der eigenen Stadtmauer F rie d en zu schliessen; und wenn man
abermals mit beschämtem Antlitz Gaben austheilen so ll, — wird dann
noch Jemand glauben, dass China noch einen Mann hat?
In Betreff seiner Begleitung durch T ru p p en zu Auswechselung
der Verträg e , auf Grund der durch den gegenseitigen Argwohn gebotenen
Vorsicht: — was braucht er noch Haufen von Soldaten mitzubringen,
nachdem die Versöhnung einmal bewirkt ist? Brächte er
Haufen von Soldaten m it, so bewiese da s, dass e r irgend einen verborgenen
Zweck hätte. W ü rd e dem Vorschläge zugestimmt, so käme
e r , in der Hauptstadt angelangt, sicher mit anderen Forderungen
heraus, die man kaum gewähren könnte; und es wäre dann eben so
.unmöglich zu kämpfen, als unpassend, das Verlangte zu gewähren,
wenn man auch dazu geneigt wäre. F e rn e r möchten sich Abtheilungen
von B a rb a ren -T ru p p en eine nach der anderen einschleichen, so dass
man sie auch mit Kriegsmacht nicht wohl aufhalten könnte. -Auch
stände nicht in unse rer !Macht, das Gesindel, das ihnen folgte, durch
noch so strenge Befehle an E rregung von Alarm u n d Unruhen zu hindern.
Eine gefährliche Krankheit dränge auf den K ö rp e r ein, und,
nachdem e r einmal davon ergriffen wä re , müsste das Herz im
Innern zerspringen. W ü rd e man dann noch von dem wichtigsten aller
Orte, von d e r H au p tstad t, reden?
Haben K w e i - l i a n u n d seine Collegen sich so wahnsinnig verir
r t, dass sie die beiden letzten Puncte auf eigene Verantwortung zuzugeben
wagten, so verletzten sie nicht n u r unsere geschriebenen Befehle
u n d zeigten F u rch t vor den B a rbaren, sondern sie haben einfach
das Reich genommen und es in deren H ände gelegt. W ir wollen sofort
dem Gesetze Geltung verschaffen durch Hinrichtung dieser Minister,
und es dann mit den Barbaren ausfechten.
W a s die Zulassung des Häuptlings P a (Parkes) in die Haupts
ta d t,b e trifft, so muss, nachdem einmal F rieden zwischen den beiden
Ländern geschlossen is t, gewiss der betreffenden Abtheilung sofort
geboten werden, Einrichtungen zu treffen für Lieferung alles E rforde rlichen.
W a s b e d a r f e s d e n n ( P a ’ s ) persönlicher Besichtigung? Ausser