
Am 4. December vertrieben die Engländer die Chinesen nochmals
von dem Inselchen French Folly, das diese wieder besetzt
hatten, und litten dabei einigen Verlust. In den folgenden Tagen
hess der Admiral hin und wieder eine Bombe in die Stadt werfen.
Am 14. December »hegt er noch die feste Hoffnung auf Wirksamkeit
seiner Maassregeln«. Am folgenden Tage aber brannten die
Chinesen die Factoreien nieder; nur die Kirche und ein als Kaserne
dienendes Haus blieben stehen. Am 17. December verschanzt sich
der Admiral im Garten der Factoreien und legt dreihundert Mann
als Besatzung dahin. — ,Yi setzt unterdessen seine Hetzjagd fort.
Alle Kaufleute und Soldaten werden fortgeschleppt, wo sie einzeln
betroffen werden.84) Einige Chinesen lassen sich, wie täglich geschah,
als Passagiere an Bord des Dampfers Hustle aufnehmen,
ermorden unterwegs die elf Mann starke Besatzung und nehmen
deren Köpfe mit. Das H o n g - k o n g gegenüber liegende Festland
hört auf Lebensmittel zu liefern; aller Handel mit den Engländern
ist verboten; kein Chinese darf bei schwerer Strafe in ihrem Dienst
bleiben. —■ Am 4. Januar 1857 greifen die Chinesen die bei »Fort
Macao« im Fluss geankerten Schiffe an und versenken viele Dschunken
zu Sperrung des Fahrwassers. — Am 12. Januar lässt Admiral Sey-
mour den Rest der Vorstädte verbrennen, »weil seine Stellung im
Factorei-Garten bedroht ist«. Eine Abtheilung des 57. englischen
Infanterie-Regiments soll die Stadtmauer stürmen, wird aber zurückgewiesen.
Am 14. Januar sieht Admiral Seymour sich gezwungen
seine letzten Stellungen in K a n - t o n - — den Factorei-Garten und
French Folly jgl- zu räumen, und zieht sich flussabwärts auf die
Forts Birdsnest und Macao zurück. — Um diese Zeit ersuchte
er den General - Gouverneur von Ost-Indien um fünftausend Mann
Verstärkung. — Schon am 30. Januar musste auch Birdsnest aufgegeben
werden, und Fort Macao blieb die einzige Stellung der
Engländer im Perl-Fluss; sie hatten dort viele ermüdende Angriffe
auszuhalten.
In den nächsten vier Monaten änderte die Lage sich wenig.
Die Engländer waren auf H o n g - k o n g beschränkt und lebten auch
dort keineswegs in Sicherheit; man entdeckte ein Complott zu
Vergiftung der ganzen Bevölkerung. Verhandlungen wurden nicht
wieder angeknüpft. Die Chinesen fuhren fort, jeden Engländer,
M) Vielfach wurden Matrosen von liederlichen Dirnen in den Hinterhalt gelockt.
dessen sie habhaft werden konnten, fortzuschleppen oder zu morden.
Englische Kriegsschiffe machten Jagd auf kaiserliche und
Piraten-Dschunken und verbrannten Küstendörfer, welche feindselig
auftraten. Zu ernstem Gefecht kam es den Winter über nur
einmal im F a - t s a n - Creek, einem Arm des Perlflusses. Achtung
vor den englischen Waffen konnte die damalige Kriegführung den
Chinesen nicht einflössen; Yi musste sich bestärkt fühlen im Vertrauen
auf seine Hülfsmittel. So schlecht hatten die Engländer in
China noch niemals gestanden. Sie erreichten nichts mit allen Ge-
walttliaten, die unendliches Elend über die Bevölkerung brachten.
Auf H o n g - k o n g wurden sie von Krämern und Gassenjungen gehöhnt
und fühlten sich durchaus nicht sicher vor kopfabsehnei-
derischen Ueberfällen.
Alle Maassregeln Bowrings und des Admirals wurden von
der englischen Regierung gebilligt; im Parlament erregten sie
einen Sturm der Entrüstung.95) Der Sieg der Opposition führte zu
Auflösung des Hauses; bei den Neuwahlen siegte jedoch die Regierung.
Cobden, Layard, Bright, Gibson und andere Vertreter der
Humanität wurden nicht wieder gewählt, Und die Fortsetzung des
Krieges ^ ohne welche England in der That seine Stellung in
China aufgeben musste — war entschieden. Die englische Regie- iss7.
rung dirigirte eine Streitmacht von fünftausend Mann nach China,
ernannte Lord Eigin zum Special- Commissar und Botschafter am
Hofe von P e - k in und schloss mit der kaiserlich französischen Regierung,
welche vorzüglich durch die Misshandlung von Missionaren96)
zur Theilnalime bestimmt wurde, einen Vertrag zu gemeinsamen
Operationen. Russland und America schickten ebenfalls
ausserordentliche Gesandte nach China, um bei den kommenden
Ereignissen vertreten zu sein. — Auf Ceylon erhielt Lord Eigin die
ersten Nachrichten vom Ausbruch des Meuterei-Krieges in Indien,
und kurz nach seiner Ankunft in H o n g - k ö n g wurden die Berichte
von da so ernst, dass er auf eigene Verantwortung einen grossen
Theil der nach China bestimmten Truppen von der Sunda-Strasse
nach der Ganges-Mündung dirigirte und sich selbst nach Calcutta
95) Im Oberhause legten vorzüglich Lord Derby und Lord Ellenborough, im
Unterhausé Sir FÍ Thesiger und Cobden die Motive der englischen Politik im fernen
Osten mit rücksichtsloser Schärfe bloss.
96) Die daraus entspringenden Verwickelungen veranlassten den französischen
Cónsul in K a n - t o n , , am 22. November 1856 seine Flagge zu streichen.
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