
Dschunken und einer Batterie auf dem südlichen Ufer, brachten
es aber mit ihrem Feldgeschütz bald zum Schweigen; einige
Matrosen setzten über, vernagelten die chinesischen Kanonen und
verbrannten die Dschunken. Nach einstündigem Bombardement
war auch das Feuer der Umwallung auf der ganzen Linie beruhigt;
die Engländer erstiegen dieselbe bei T a n - k o ; gleich darauf wehte
auf dem linken Flügel die Tricolore von den Schanzen. Die Tar-
taren flohen theils über die Schiffbrücke auf das Südufer, theils in
das innere Fort des Nordufers, zu welchem der Weg jetzt auf
allen Seiten freilag. — Von P e - t a n schafften die Verbündeten in
den folgenden Tagen ihr schweres Geschütz herbei und speicherten
bei S i n - h o den mitgeführten Proviant. Hier fand man eine Anzahl
chinesischer üocumente: eine aus 'den letzten Tagen datirende
Correspondenz zwischen dem General-Gouverneur H a n und dem
Tartarenführer T e , welcher S i n - h o als wichtigsten Punct zu seinem
Hauptquartier gemacht hatte; dann eine Denkschrift des H o - k w e i -
t s in , eingereicht mit dem englischen und dem französischen Ultimatum
; ein nach Empfang der letzteren erlassenes vertrauliches
Schreiben des Grossen Staatsraths an den K o r - t s in - Fürsten S a n -
ko - e in - s in und den General - Gouverneur H a n und die als Antwort
eingereichte Denkschrift der letzteren.
In der Correspondenz zwischen H a n und T e ist deutlich
ausgesprochen, dass ersterer vom Kaiser gemessenen Befehl hatte,
Frieden zu machen. Von Erfüllung der englischen Forderungen
oder anderen Bedingungen ist keine Rede. T e beschreibt die Re-
cognoseirungen vom 3. und 9. August; er konnte den Feind vernichten,
beschränkte sich aber auf Behauptung seiner Position,
weil der Kaiser in seiner Milde die Barbaren zu versöhnen wünscht.
H a n dankt dafür, ermahnt ihn aber, sich durch die Mittheilung
der kaiserlichen Decrete nicht in seinen Operationen stören zu
lassen. »Die Natur der Barbaren ist wie die der Hunde oder
Schaafe. Erst schicken sie eine Friedensflagge und nun wollen sie
nicht zugeben, dass sie das in der Absicht thaten, Frieden zu
schliessen.« T e möge auf wirksame Abwehr bedacht sein; griffen
die Barbaren an, so müsse ihre Frechheit gestraft werden. Der
Statthalter und der Feldherr suchen sich in diesen Schreiben
gegenseitig die Verantwortlichkeit zuzuschieben: »Ich weiss«, sagt
letzterer, »dass der Kaiser den Frieden wünscht; deshalb werde
ich ernstlich bedacht sein, Feindseligkeiten zu vermeiden, welche
den Erfolg unserer friedfertigen Eröffnungen vereiteln könnten.« —
»Ja«, schreibt der Statthalter, »der Kaiser wünscht den Frieden,
verlangt aber auch, dass kein militärischer Vortheil verloren gehe.
Lass deshalb die Sorge um den Erfolg meiner Unterhandlungen
dich nicht in Erfüllung deiner Pflichten als Feldherr beirren.«
Die das Ultimatum der Verbündeten beleuchtende Denkschrift
verbreitet sich zunächst über Verhandlungen, welche
zu Schlichtung der Differenzen zwischen chinesischen und englischen
Kaufleuten gepflogen wären.I13) Die Engländer hätten acht
Puncte aufgestellt, durch deren Annahme Herr Bruce vielleicht
zu gütlichem Vergleich bewogen werden könne; H o - k w e i - t s iñ
finde sie aber unannehmbar und habe den chinesischen Kaufleuten
befohlen, den Engländern einen derben Verweis zu geben. Herr
Bruce sei wüthend und ganz unbezähmbar, »weil er bei T i e n t
s in in die Falle gelockt wurde«. Die beiden Gesandten sind
»unzertrennliche Gefährten in Pflichtvergessenheit und Schlechtigkeit;
ihr Charakter ist in der That blutdürstig und treulos«. Er,
Ho, habe ihnen dem kaiserlichen Befehl gemäss trotzdem mittheilen
wollen, dass sie ihre Verträge unter denselben Bedingungen
auswechseln könnten, wie die americanischen Barbaren; der englische
Häuptling hätte aber, wie man erzählte, zu Schiffe nach
T i e n - t s in gehen wollen, um ein Schreiben zu überreichen,114) und
sich davon nur durch Vorstellungen der englischen Kaufleute
abhalten lassen. Ho commentirt nun das Ultimatum der Gesandten,
das er erbrochen und gelesen habe, nach dem Geschmack
des Hofes von P e - k i ñ , nennt dessen Sprache frech und unbot-
mässig und behauptet, dass die Fremden grosse Angst vor der
Tapferkeit der Tartaren hätten. ¡11«- Die Denkschrift war von Auszügen
aus englischen Zeitungen über die Rüstungen und Pläne der
Alliirten begleitet. — H o - k w e i - t s iñ mochte solche Sprache dem
Hofe gegenüber nothwendig finden; sie liefert freilich einen starken
Beweis für die Doppelzüngigkeit auch der redlichsten chinesischen
Diplomaten, deren unmögliche Stellung zwischen dem europäischen
113) Nach Angabe der Engländer sind diese »Verhandlungen« eine reine Erfindung
, gegründet auf Unterredungen eines chinesischen Kaufmannes mit einem englischen,
welcher sich durch politische Erörterungen und den Schein des Einflusses
bei den Chinesen ein Ansehn geben wollte.
114) Geht auf die frühere Absicht des Herrn Bruce, das Ultimatum an derPEi-Ho-
Mündung überreichen zu lassen.