
die Herren ihrer Geschicke betrachtet hatten. — Die in chinesischen
Tempeln übliche Anbetung von grossen Männern ver-
urtheilte H u n als unverständig, »da sie ja längst gen Himmel gegangen
seien«.
Gott ist der »himmlische Vater«; alle Menschen sind Brüder
und Gotteskinder. Jesus ist der Erstgeborene, T i e n - h iu n , der
»himmlische ältere Bruder«. Von allen anderen ist H u n - s iu - t s u e n
der grösste; denn er wurde in den Himmel entrückt und sah Gott
von Angesicht zu Angesicht. Er ist Gottes zweiter Sohn, zur
Herrschaft der Welt berufen, also T i e n - w a n der »himmlische
Fürst«, oder T s i n - t s u der »wahre Herr«. In der Vermischung
der biblischen Lehren mit seinen eingebildeten Visionen und im
tiefen Ehrgeiz seiner Gesinnung, welcher «schon in dem leidenschaftlichen
Streben nach literarischer Auszeichnung hervortrat,
liegt wohl der Keim zu H u n - s i u - t s t je n ’s späterem Irrsinn. Er
arbeitete sich beim Lesen der Bibel in die Ueberzeugung hinein,
dass er wirklich in den Himmel entrückt und zum Propheten b e rufen
worden sei. — Vor der Einnahme von N a n - k in legte er das
Beiwort »heilig« nur dem himmlischen Vater und dem himmlischen
älteren Bruder hei, wie das in Y u n - n a n erlassene Decret deutlich
beweist. Er verband damit in chinesischem Sinn den Begriff vollkommener
Reinheit und Güte, alldurchdringender Anschauung der
Wahrheit, nicht aber der Allmacht und Allgegenwart.
Das Sittengesetz der T a e - p in bildeten die zehn Gebote in
folgender Fassung:
1) Du sollst den grossen Gott ehren und anbeten.
2) Du sollst keine falschen Geister anbeten.
3) Du sollst den Namen des grossen Gottes nicht missbrauchen.
4) Am siebenten Tage, dem Tage der Anbetung, sollst du
den grossen Gott für seine Güte preisen.
5) Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass deine Tage
gemehret werden.
6) Du sollst nicht Menschen tödten noch schädigen.
7) Du sollst nicht Ehebruch oder andere Unreinheit begehen.
8) Du sollst nicht rauben und stehlen.
9) Du sollst nichts Falsches sagen.
10) Du sollst kein böses Gelüste haben.
Den einzelnen Geboten sind kurze Erklärungen beigefügt,
welche sich dem Bibeltext anschliessen und echtes Verständniss
des Decaloges beweisen. Unter den »Unreinheiten« ist beim 7. Gebot
der Genuss des Opium angeführt, das ebenso wie der Tabak bei
den T a e - p in verboten war.
Alle Menschen haben die »himmlischen Gebote« verletzt,
und bisher war es unbekannt, wie man von den Folgen dieser Vergehen
befreit werden könne. »Wer aber hinfort für seine Schuld
vor W a n - s a n - t i Busse thut, sich des Götzendienstes, der Sünde
und des Bruches der himmlischen Gebote enthält, wird gen Himmel
fahren und ewige Glückseligkeit gemessen.«S4) Wer es nicht
thut, fährt zur Hölle und leidet ewige Qualen. Um Busse zu thun,
soll man »vor dem Himmel niederknieen und W a n - s a n - t i um Vergebung
seiner Schuld anflehen«. Dann soll man »seinen Körper
mit Wasser aus einem Becken waschen, oder besser, in einem
Fluss baden«. Das ist die Taufe. Dann sollen die Gläubigen
W a n - s a n - t i anbeten Morgens und Abends, ihn um Schutz anflehen
und um die Gabe des heiligen Geistes, um ihre Herzen zu erneuen.
Sie sollen ihm vor jeder Mahlzeit danken, ihn am siebenten, dem
Tage der Anbetung, für seine Güte preisen, jeder Zeit die himmlischen
Gebote befolgen und niemals die fälschen Götter der Welt
anbeten, noch die Schlechtigkeiten der Welt mitmachen. So werden
sie Söhne und Töchter des W a n - s a n - t i werden u. s. w.
Die Menschen, d. h. die Chinesen, haben durch das ganze
Alterthum den wahren Gott verehrt. Allmälich verderbten sie Aberglauben
und Götzendienst, welche unter dem Kaiser T s i - w a n allgemein
wurden. Eine Art Gottesverehrung blieb am Kaiserhofe
dennoch erhalten; aber der Himmelssohn allein durfte die höchste
Wesenheit anbeten. Nach des T i e n - w a n Lehre ist jeder Mensch
dazu berechtigt. Die T a e - p in hatten keinen vermittelnden Priesterstand;
ihr Gottesdienst war patriarchalischer Art. Für das Morgen-,
Mittag- und Abend-Gebet, auch für häusliche Ereignisse, wie Geburtstage,
Hochzeiten, Begräbnisse brauchten sie bestimmte Formeln.
Einige dieser Gebete waren mit Speise- und Trankopfern
verbunden. Kirchen hatten die T a e - p in eben so wenig als Geistliche
; doch scheinen zum sonntäglichen Gottesdienste die politisch
oder militärisch verbundenen Sectionen zusammengetreten zu sein.
84) Aus dem »Buch der himmlischen Gebote«