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Handels führten; die Vortlieile desselben waren aber auf beiden Seiten
so gross, dass Wege zur Einigung immer wieder gesucht und
gefunden wurden. Wollten die Ausländer willkürlichen Ueber-
griffen entgegentreten und sich des despotischen Verfahrens der
chinesischen Justiz erwehren, so sperrten die Mandarinen gleichfalls
den Handel; der Gewalt gegenüber waren Jene einzig auf
innere Tüchtigkeit angewiesen. Die Rohheit und der Nationalhass
der Schiffsmannschaften in W a m - p o a und K a n - to n erzeugten oft
blutige Händel der Seeleute unter sich und mit der chinesischen
Bevölkerung, aus welchen den Handelsvorstehern schlimme Verlegenheiten
erwuchsen. Vom europäischen Völkerrecht hätten die
Chinesen keine Ahnung; sie betrachteten alle Fremden als Unter-
thanen des Himmelssohnes und glaubten sich berechtigt, gegen
deren Vergehen mit der landesüblichen Grausamkeit zu verfahren,
die Blut für Blut fordert und auch den Schuldlosen trifft. So fiel
in K a n - to n mancher Unschuldige unter dem Schwerte des chinesischen
Henkers, ein Opfer der Habgier und Schwäche seiner Landsleute,
die ihn lieber auslieferten, als den Vortheil des Handels entbehrten.
Am häufigsten fehlten darin die Portugiesen, welche eher
jede Schmach ertrugen, als die Freundschaft der Mandarinen auf
das Spiel setzten.
Die Portugiesen konnten niemals verwinden, dass sie den
Handel mit anderen Völkern theilen mussten, dessen Vortheile sie
so lange allein genossen; ihre eifersüchtigen Ränke, das Con-
spiriren mit den Mandarinen gegen die anderen Nationen dauerten
bis in dieses Jahrhundert. Ganz ist wohl keines der seefahrenden
Völker von dem Vorwurf freizusprechen, dass es in China seine
Ehre dem Vortheil opferte. Den Engländern aber, deren Handel
bald jeden anderen überflügelte, gebührt trotz vielen Missgriffen der
Ruhm, zuerst der Willkür würdig begegnet zu sein und der Gesittung
des Westens die gebührende Stellung in China erkämpft zu haben.
Eine zusammenhängende Darstellung derjenigen Periode,
welche mit dem Jahre 1834 abschliesst, wäre eine dankenswerthe
Arbeit, wenn sie die Verfassung der verschiedenen Handelsgesell-
schaften, die Einrichtung des fremden Gemeinwesens in K a n - t o n ,
seine Beziehungen zu den Chinesen, die Art des Geschäftsbetriebes,
kurz die ganze Gestaltung und die W ;ind 1 uiigeii des Verkehrs in
klares Licht setzte. Vielleicht gingen die wichtigsten Fundgruben
für solche Arbeit beim Brande der Factoreien mit deren Archiven
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unter? Die dem Verfasser zugänglichen Berichte sind fragmentarisch
und lückenhaft; viele Thatsachen entbehren darin der Begründung;
die Einrichtungen stehen fertig da, ohne dass sich ihre
Entwicklung erkennen lässt; so muss denn Manches dunkel bleiben.
Die Fremden verkehrten in diesem Zeitraum mit den Kan-
tonesen ohne den Schutz und Zügel einer legalen Autorität. Die
Unmöglichkeit, auf gesetzlichem Wege Recht zu erlangen, und die
Nothwendigkeit, durch das eigene Auftreten sich Ansehn zu verschaffen,
machte sie schlau und vorsichtig, aber auch willkürlich
und anmaassend. Die verachtete Stellung, welche ihnen durch
Verschliessung der Stadt angewiesen wurde, erhöhte die Reizbarkeit
der Ausländer, die sich, je niedriger ihre Bildungsstufe und
sociale Stellung, desto erhabener wähnten über jeden Sohn der
blumigen Mitte. Die Art der Berührung, wie sie sich zwischen den
Fremden und den Kantonesen gestaltete, musste zu gegenseitigem
Verkennen, zu Hass und Verachtung führen. Wenn auch unter
den Handelsvorstehern und den H on - Kaufleuten immer achtbare
Charaktere waren, die einander schätzen lernten, so konnte dieser
stillere Verkehr doch wenig Einfluss auf die öffentliche Meinung
üben. Die Factorei-Beamten, Süpercargos und Schiffsmannschaften
kamen fast nur mit habgierigen Officianten des Zollamtes und dem
Gesindel der Vorstädte in Berührung. Ihr Auftreten gegen diese, —
das ihrer Gesittung zufolge gewaltsamer und willkürlicher gewesen
sein mag als billig, — und die blutigen Schlägereien der Schiffsmannschaften
unter sich bestimmten vorwiegend den Ruf der Ausländer
bei dem besseren Theil der kantonesischen Bevölkerung. Der
Hass derselben steigerte sich im Laufe der Jahrzehnte zu leidenschaftlicher
Wuth und wurde zu einer Hauptwurzel der späteren Uebel.
Wie aber diese Feindschaft wirklich auf der Absehliessung beruhte,
zeigt in. schlagender Weise der Umstand, dass jede Spur davon
geschwunden ist, seitdem K a n - t o n einige Jahre von einer englischen
Garnison besetzt war, seit die besseren Glassen seiner Bevölkerung
und die Fremden sich im täglichen Umgang kennen lernen mussten.
Die Unmöglichkeit, durch indirecten Verkehr mit einflussreichen
Mandarinen in K a n - to n Abhülfe gegen Unrecht und drückende
Uebelstände zu erlangen, trieb die Fremden zu vielfachen Versuchen,
in Berührung mit dem Kaiserhofe zu treten, durch Gesandtschaften
in P e - k in Einrichtungen für den Handel zu erwirken,
welche ihn auf die feste Basis gesetzlicher Bestimmungen stellen