
muss mit He rrn Roberts schwierige Fälle untersuchen und zu endgültiger
Entscheidung an mich berichten. E r soll Unter-Staatssec retär
se in, und der T ite l auf seinem Siegel sei Generalissimus der neun
T h o re , Richter für auswärtige Angelegenheiten unter der himmlischen
Dynastie, die da ist das Reich Gottes. Die Beamten des Ministeriums
der Staatsämter sollen die Siegel anfertigen für den Minister des Aus-
wärtigen, die Richter und die Consuln.«
Dessen bedurfte es nun wohl nicht; denn in N a n - k in , -
das die kaiserliche Regierung im Vertrage von T i e n - t s in freigegeben
hatte, war unter des T i e n - w a n -Herrschaft aller Handel verboten..
Mit dem »Staatssecretär« Roberts scheinen die Engländer
kaum in Berührung gekommen zu sein; sie hörten, dass der T i e n -
w a n ihn mit vier Frauen beglücken wolle, aber zuweilen ohne
Subsistenzmittel lasse. Trotzdem blieb der Baptisten - Missionar
noch bis Januar 1862 in N a n - k in . Folgendes Schreiben beleuchtet
seine Stellung und den Grund seines Scheidens:
»Da ich 1847 Religionslehrer des H u n - s i u - t s u e n gewesen war,
und glaubte, dass aus seiner Erhebung dem Volke in religiöser, com-
mercieller und politischer Beziehung Gutes erwachsen werde, so bin
ich bis je tz t ein F reu n d seiner revolutionären Bestrebungen gewesen
und habe sie mit W o rt und T h a t u n te rstü tz t, so weit ein Missionar
das füglich k o n n te , ohne seine höhere Eigenschaft als Gesandter Christi
zu verletzen. Nachdem ich aber fünfzehn Ja h re unte r ihnen gelebt
un d ihre politischen, commerciellen und religiösen Maassregeln genau
beobachtet, habe ich ein ganz neues Blatt aufgeschlagen, und b in , ich
meine aus guten Gründen, denselben je tz t eben so abhold, als ich
ihnen jemals günstig war. Nicht, dass ich persönlich etwas gegen
H u n - s i u - t s u e n hätte ; e r war immer ausnehmend gütig gegen mich.
Aber ich glaube, dass e r irrsinnig und ganz unfähig is t, ohne organi-
sirte Regierung zu herrschen; auch ist e r mit seinen Kuli-Königen
nicht im Stande, eine Staatsverwaltung zu organisiren, die auch n u r
so vortheilhaft für das Volk w ä re , wie die alte kaiserliche Regierung.
E r ist heftiger Gemüthsart und lässt seinen Zorn schwer auf das Volk
fallen, indem e r Mann und Weib »für ein W o rt zu Verbrechern
macht« und augenhlicks hinmorden lässt ohne Richter und Gericht.
E r ist dem H andel abgeneigt und lie ss, seitdem ich h ie r b in , üb e r ein
Dutzend seiner eigenen Leute morden fü r kein anderes Verbrechen,
als dass sie in d e r Stadt Handel getrieben; auch wies er unbedingt
jed en Versuch von Fremden zurück, hier unter ihnen einen redlichen
Handelsverkehr einzurichten, sowohl innerhalb als ausserhalb der
Stadt. J e tz t zeigt sich, dass seine religiöse Toleranz und die Menge
der Capellen eine Posse sind, ohne Belang für die Verbreitung des
Christenthumes, und schlimmer als unnütz. Es kommt n u r auf eine
Maschinerie heraus zu Förde rung und Verbreitung seiner eigenen politischen
Religion, indem er sich selbst Je sus Christus gleichstellt, der
mit Gott dem Vater, ihm selbst und seinem Sohn einen H e rrn über
Alles ausmacht. Auch ist kein Missionar, der nicht an die göttliche
Bestallung zu seiner hohen W ü rd e glauben und im Einklang damit
seine politische Religion verkünden will, unte r diesen Rebellen sicher
seines eigenen Lebens, seiner Diener und seines Eigenthumes. Bald
nach meiner Ankunft sagte er mir, dass; wenn ich nicht an ihn
glaubte, ich verderben würde wie die Ju d e n , die nicht an den Erlöser
glaubten. Ich dachte aber nicht, dass ich dem jemals so nah kommen
sollte durch das Schwert eines seiner B ösewichter in seiner eigenen
Hauptstadt, wie mir neulich geschah. Der K a n - w a n , beredet durch
seinen älteren B ru d e r, den Ku li, — buchstäblich einen Kuli aus
H o n g -k o n g , — und den Teufel, kam, ohne die F u rc h t Gottes vor
seinen Augen, am Montag, den 13. dieses Monats (13. Jan u a r 1862),
in das von mir bewohnte H au s, und ermordete mit überlegter Bosheit
einen meiner Diener mittelst eines grossen Schwertes in seiner eigenen
Han d , ohne die geringste Vorbereitung und jed en gerechten Grund.
Und nachdem e r meinen güten hülflosen Jungen erschlagen hatte,
sprang e r ganz teuflisch au f seinen Ko p f und stampfte darauf mit dem
F u ss , obwohl ich ihn von Beginn seines meuchlerischen Anfalls gebeten
h a tte , meines armen Knaben Leben' zu schonen. Und nicht n u r
das: auch mich selbst beschimpfte er auf jed e mögliche A rt, die e r sich
ausdenken k o n n te , um mich zu einer Aeusserung oder Handlung zu
reizen, die ihm — wie ich damals dachte u n d noch je tz t d enke; —
zum Vorwand d ien te , mich zu tödten wie meinen lieben Ju n g e n , den
ich wie einen Sohn liebte. E r stürmte auf mich lo s, fasste die Bank,
auf d e r ich sass, mit d e r Gewalt eines W ahnsinnigen und goss mir die
Neige einer Tasse Thee ins Gesicht, fasste mich persönlich an,
schüttelte mich heftig und schlug mich mit der flachen Hand auf die
rechte Backe. Da bot ich ihm nach der Vorschrift meines Herrn,
dessen Gesandter ich b in , die andere auch d a r , und er schlug mir
einen schallenden Streich an meine rechte Backe, so dass mir das Ohr
klang; und dann, als e r sa h , dass e r mich zu keiner thätlichen oder
mündlichen Beleidigung gegen ihn reizen k o n n te , schien e r noch wilder
zu werden u n d fuhr auf mich los wie ein toller H u n d : ich möge
mich aus seiner Gegenwart entfernen. » Wenn sie das am grünen Holze
th u n , was werden sie am trockenen thun!« W en n einem Liebling des
T i e n - w a n , wer kann sich dann als Missionar oder Kaufmann unte r
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