
Da nun Capitän Sundewall erklärte, dass Seiner Majestät
Schiff Arkona trotz seinem Leck in einigen Wochen wieder seetüchtig
und zur Fahrt nach dem P e i - h o bereit sein werde, so beschloss
Graf Eulenburg schon nach zweitägigem Aufenthalt in
S h a n g - h a e , zunächst in China sein Glück zu versuchen, und bat
den kaiserlich französischen Vice-Admiral Protêt um Beförderung
des Attache von Brandt auf dem am 9. März nach dem Golf von
P e - t s i - m ahgehenden Postdampfer Feeion. Ein Schreiben, in
welchem der Gesandte dem Prinzen von K u n die Wünsche der
preussischen Regierung und seine bevorstehende Ankunft in T i e n t
s i n meldete, wurde durch die Gefälligkeit der englischen Consular-
heamten in das Chinesische übersetzt. Um Angabe der geeigneten
Wege zu Uebermittelung desselben ersuchte Graf Eulenhurg brieflich
die Gesandten von Russland, England und Frankreich, welchen
Herr von Brandt sich vorstellen sollte, .**- Da in S h a n g - h a e kein
des Mandarinen - Dialectes mächtiger Dolmetscher wohnte, der in
der Lage und geneigt gewesen wäre, in den Dienst des preussischen
Gesandten zu treten, so wurde zu diesem Amte Herr Jose Martinlio
Marques in Macao berufen, - welcher demnächst in S h a n g - i i a e
eintraf.
Von Herrn von Brandt kamen Anfang April Berichte aus
T i e n - t s i n . Der englische und der französische Gesandte, welche
beide noch dort weilten, hielten den Zeitpunct für schlecht geeignet
zu Verhandlungen mit der chinesischen Regierung: von den
Erfolgen der fremden Waffen tief erschüttert, werde sie lange Zeit
brauchen, um ihr Misstrauen zu überwinden; die Gesandten hätten
jetzt die Aufgabe, sie von ihrer friedfertigen Politik zu überzeugen,
und dürften durchaus keinen Druck üben; noch immer herrsche
die Meinung, ■ dass die Anwesenheit fremder Legationen in P e - k i n
das Ansehn der kaiserlichen Regierung beeinträchtigen werde ; nur
längerer freundschaftlicher Verkehr und die äusserste Schonung
könnten dieses Vorurtheil überwinden; vor Allem müssten die Gesandten
sich hüten, neuen Verträgen das Wort zu reden; deshalb
Sollte Graf Eulenburg lieber warten, bis nach Verlauf von acht bis
zehn Monaten die Regierung Vertrauen gefasst hätte. Der Kaiser
sei noch immer von fremdenfeindlichen Räthen umgehen; der Prinz
von K u n und seine Anhänger, welche sich der Wahrheitnicht verschlössen
und nur in der Freundschaft der fremden Mächte Rettung
für China und die T s i n - Dynastie sähen, hätten deren Einfluss
keineswegs überwunden; sie müssten jeden Schritt vermeiden, der
einer Begünstigung der Fremden gliche und dürften gewiss nicht
neue Verträge in Vorschlag bringen. Sie im Amte zu erhalten,
durch Vorsicht und Vermeidung jeden Anstosses allmälig auch das
Vertrauen des Kaisers zu gewinnen, sei jetzt die wichtigste Aufgabe
der Gesandten. — Herr Bruce glaubte, dass Preussen wohl
das Zugeständniss aller den Unterthanen der Vertragsmächte gewährten
commercieilen Vortheile erlangen würde, da die Deutschen
diese ja in allen geöffneten Häfen schon wirklich genössen, und es
China nur nutzen könne, wenn sie unter die Jurisdiction von Con-
snln gestellt würden: zu Abschluss eines politischen Vertrages
aber sei wenig Aussicht, und das Ansinnen, einen preussischen Gesandten
in P e - k in z u empfangen, werde auf zähen Widerstand
stossen. Beiden Gesandten schien sehr ungelegen, dass Graf Eulenburg
die chinesische Regierung durch sein Erscheinen in T i e n - t s in
erschrecken wolle, statt seine Anträge an den kaiserlichen Com-
missär in S h a n g - h a e z u richten und den Eindruck dort abzuwarten.
Wie wenig von solchem Verhalten zu erwarten gewesen
wäre, lehrte die Vergangenheit. Hatte es doch im diplomatischen
Verkehr mit China immer die grösste Schwierigkeit gemacht, die
Bevollmächtigten zu wahrhaftigen Berichten an den Kaiser zu vermögen.
Nicht nur erschwerte das die Verhandlungen, sondern es
machte die Verträge illusorisch, weil die contrahirenden Partheien
von verschiedener Auffassung ausgingen. Vor Allem wusste man
aber, dass die chinesische Regierung niemals ausreichende Voll-
machten zu selbstständigem Handeln nach Instructionen ertheilte,
dass ihre Commissare über jeden irgend wichtigen Punct an den
Kaiser berichten und dessen Entscheidung abwarten mussten. Das
erfuhr nachher Graf Eulenburg reichlich bei den Verhandlungen in
T i e n - t s i n . S o viel Tage er aber durch das Hin und Her zwischen
T i e n - t s i n , P e - k i n und D z e h o l verlor, so viel Monate hätte er in
S h a n g - h a e verloren. Nur persönliche Einwirkung auf die Behörden
in P e - k i n konnte zum Ziele führen. Wie richtig der Gesandte
handelte, bewies der Erfolg, trotz den grossen Schwierigkeiten, die
er zu besiegen hatte; in S h a n g - h a e wären sie unüberwindlich gewesen,
ein politischer Vertrag nie erreicht worden. Den Gesandten
von England und Frankreich musste bei ihrer delicaten Stellung
Graf Eulenburgs Ankunft unbequem sein; denn sie sollten jeden
Anstoss vermeiden und, ohne sich etwas zu vergeben, eine vor