
inorant und den Tender des englischen Flaggschiffes, Coromandel
über die Barre zu bringen, so dass nun sieben Fahrzeuge zum Einlaufen
in die Flussmündung bereit lagen. Am 30. April kam eine
Meldung von T a u , General-Gouverneur der Provinz T s i - l i , dass
er selbst, der General-Director der Getreidespeicher T s u n - L u e n ,
und Wu, Unter-Staatssecretär im kaiserlichen Cabinet, angewiesen
seien,-mit den fremden Gesandten in T a - k u z u unterhandeln. Auf
die Frage nach ihren Vollmachten erhielt Lord Eigin zur Antwort,
dass dieselben sich auf Uebermittelung der Eröffnungen nach Pék
in beschränkten. Die Botschafter glaubten nun ihre friedfertigen
Anträge erledigt. Am 1. Mai war die Frist abgelaufen und am
Morgen dieses Tages gingen von den Flaggschiffen Befehle aus,
welche unmittelbare Eröffnung der Operationen erwarten liessen.
Die Boote wurden zu Wasser gelassen, die Landungsgeschütze
darin aufgestellt, die Landungsmannschaften abgezählt und mit
Mundvorrath versehen, und die Erwartung war auf das höchste
gespannt, als am Nachmittag die Meldung kam, der Angriff sei auf
unbestimmte Zeit verschoben.
Nun folgte eine dreiwöchentliche Unthätigkeit, während
welcher Hunderte von Getreide - Dschunken in den P e i - h o liefen.
Das Abschneiden dieser Zufuhr war ein wesentliches Moment für
die Aussicht auf Erfolg; die Blockade der Flussmündung durfte aber
nicht erklärt werden, so lange die Admiräle sich nicht stark genug
glaubten, die Werke zu nehmen; denn die grössere Zahl der innerhalb
der Barre geankerten Kanonenboote konnte vor der nächsten
Springfluth nicht hinaus und musste beim Ausbruch von Feindseligkeiten
in die schlimmste Lage gerathen. Jeder Verzug kam den
Chinesen zu gut, welche emsig an Verstärkung der Werke arbeiteten,
die Flussufer auf eine Viertelmeile mit Batterieen säumten
und täglich schweres Geschütz in Position brachten. Politisch
wirkte aber das Zaudern noch schädlicher, denn es gab dem Auftreten
der Botschafter den Anschein schwankender Unsicherheit.
Der Kaiser bestärkte sich im Wahn seiner Unüberwindlichkeit und
befahl damals dem neuen Vice-König von K u a n - t u n , die Fremden
im Süden mit allen Mitteln zu befehden. Unter seiner Autorität
organisirte sich dort ein Comité der National-Vertheidigung, das in
F a - y u n e bei K a n - t o n tagte. Bewaffnete Banden lauerten vor der
Stadt jedem Fremden auf, und innerhalb hausten Meuchelmörder.
Der Commandant General Straubenzee fürchtete einmal ernstlich
K a n - t o n nicht halten zu können, und die kleine Garnison in H o n g k
o n g sicherte keineswegs diese Colonie.
Die Botschafter an der P e i - h o -Mündung suchten ihre materielle
Schwäche vor den Mandarinen durch dilatorische Correspondenzen
zu bemänteln; Lord Eigin schickte ihnen am 6. Mai eine
Abschrift derKi-viN und I - l i - p u für den Abschluss des Vertrages
von N a n - k in verliehenen Vollmachten und ersuchte sie, sich ähnliche
Beglaubigungen zu erwirken. T a u und T s u n - l u e n weigerten
sich aber kurz, darüber nach P e - k in z u berichten, und die Sache
war erledigt. Mit dem russischen und dem americanischen Gesandten,
die auf kleinen Dampfern in die Flussmündung eingelaufen
waren, verkehrten sie unterdessen ganz freundschaftlich.
Bis Mitte Mai traf die erwartete Verstärkung endlich
ein. England war jetzt durch vierzehn Kriegsschiffe vertreten,
darunter elf Kanonenboote100), welche die Barre passiren konnten;
Frankreich durch zwei Fregatten, zwei Dampfcorvetten und vier
Kanonenboote. Die Botschafter beschlossen nun mit den Admirälen,
die Werke an der Mündung zu nehmen und dann ohne fernere
Feindseligkeiten den P e i - h o hinaufzufahren. Sie meldeten den
kaiserlichen Commissaren, dass sie nothwendig fänden nach T ie n t
s in zu gehen, um mit dem Kaiserhofe zu P e - k in in Verbindung
zu treten; vorläufig müssten aber die Werke an der P e i - h ö -Mündung
den Commandeuren der alliirten Streitmacht übergeben werden.
Letztere würden die Zeit bestimmen, innerhalb welcher die
kaiserlichen Truppen abmarschiren müssten. Nach Besetzung der
Werke durch Truppen der Alliirten würden die Botschafter den
Fluss hinaufgehen, in der Ueberzeugung, dass dann die kaiserliche
Regierung angemessen iifinden werde, ohne weiteren Verzug einen
passenden Vertreter für die Verhandlungen zu ernennen. — Der
Nimrod und der Cormorant hatten sich schon einige Tage zuvor
dicht unter die Geschütze der Chinesen gelegt, um diese zu reizen;
die Soldaten der Mitte machten dazu am Ufer drollige Sprünge,
schwenkten Fahnen und brüllten höhnisch, feuerten aber keinen
Schuss.
Als am 19. Mai sechs Kanonenboote der Alliirten die Boote
mit den Landungstruppen über die Barre schleppten, liess der
chinesische Commandeur ihnen durch Graf Putiatine sagen, sie
i°o) Darunter vier »Despateh-govemment-boats«; so heisst eine grössere Art
Kanonenboote, welche den Pöstdienst der englischen Flotte besorgen,
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