
zuhalten. Als wir nun über die zu ergreifenden Maassregeln zweifelhaft
waren, bestürmte das Volk uns mit Bitten, durch Friedensschluss
dem Jammer ein Ende zu machen. Nun hörten wir, der
Feind wünsche zu parlamentiren, und schickten einen Officier hinaus.
Als der Dolmetscher die Engländer über die Veranlassung ihrer
Gewalttaten und ihres rebellischen Auftretens befragte, antworteten
sie, sie hätten, so lange schon am Handel und am Austausch
ihrer Waaren verhindert, grosse Verluste erlitten und könnten ihre
Schulden nicht bezahlen; während des Donners der Kanonen hätten
sie ihre Wünsche nicht sagen können, deshalb erflehten sie jetzt
die Fürsprache des Ober - Generals beim Kaiser, damit er ihnen
Gnade angedeihen lasse, und, nach Tilgung ihres Guthabens, die
Fortsetzung des Handels erlaube; dafür wollten sie sofort ihre
Kriegsschiffe zurückziehen und die Festungen herausgeben. Da nun
die H o n -Kaufleute ähnliche Vorstellungen machten und die Bevölkerung
solcher Maassregel Beifall zollte, so. beschlossen wir, sie
durch eine Summe Geldes" abzufinden, da es bei weitem das Wohlfeilste
war. Das Elend des Volkes war entsetzlich, und man konnte
die Folgen nicht berechnen, wenn solcher Zustand länger dauerte.
Wir beauftragten deshalb den Präfecten Ytr, ein solches Abkommen
zu treffen. Sind wir die Barbaren aber einmal los und haben
erst alle Wege nach K a n - to n versperrt, so können wir den Handel
wieder abschneiden und sie in die schlimmste Lage bringen.«
— »Als ich auf Herausgabe von H o n g - k o n g bestand, sagten sie,
die Insel sei ihnen von K i - s e n abgetreten worden, und sie könnten
eine Schrift zeigen, die das bewiese Ich werde aber
Maassregeln treffen, um unser Gebiet von H o n g - k o n g bald wieder zu
nehmen.« — Am ersten Tage des Kampfes hatte Y i - s a n Siegesberichte
nach P b - k in gesandt.
Ein Privatbrief des Oberrichters von K a n - io n malt die wirkliche
Lage in grellen Farben: »Wir hatten ein Heer von siebzehntausend
Mann, gaben alles Geld in unseren Schatzkammern zum
Betrage von mehreren Millionen aus, liessen Bauholz aus K u a n - s i ,
Pulver, Luntenflinten und alles mögliche Kriegsgeräth ausKiAN-su
kommen; und doch sind wir total geschlagen worden, ein Missgeschick,
das mich mit Scham erfüllt und das ich kaum niederzuschreiben
wage. Die Festungswerke, die gleich Schachfiguren
ringsum postirt sind und die zum Schutz unserer Vorfahren ausreichten,
hat diese Generation preisgegeben. Wir fürchteten die
Engländer wie Tiger, gaben unsere Werke auf und zogen uns
schliesslich in die Stadt zurück, um zu capituliren. Wenn die Schiffe
des Feindes Orte passirten, wo Dschunken versenkt' waren, so
zeigte sich kein Soldat, ihnen die Durchfahrt streitig zu machen.
Während zahlreiche chinesische Verräther ihnen als Kundschafter
dienten, wollte nicht ein einziger Barbar uns die Bewegungen der
Engländer verrathen. Das setzte sie in Stand, die Tiefe des Wassers
zu messen, uns überall zu überraschen. Unbegreiflich ist es, wie
wir die Gelegenheit vorübergehen lassen konnten, H o n g - k o n g wiederzunehmen
und ihnen in den Bücken zu fallen, als sie alle ihre
Truppen nach K a n - t o n eingeschifft hatten; aber es unterblieb. Die
Soldaten, welche die Aussenwerke vor den nördlichen Thoren verte
id ig en sollten, verliessen ihre Posten wie Feiglinge. Als die
Barbaren die Stadt bombardirten und mehr als tausend Häuser verbrannten,
öffnete man die Thore, um die flüchtigen Soldaten aufzunehmen;
aber von den Stadtbewohnern durfte Niemand hinaus.
Selbst als das Volk in Massé die Fremden im Rücken angriff, wagten
die zahlreichen Truppen nicht Stellung zu nehmen und von vorn
auf sie einzudringen. — Wie leicht konnte man Elliot im hremden-
Quartier aufheben; aber das wollte Niemand u n te rn ehm en .g | Als
unsere Soldaten in die Stadt getrieben wurden, entbrannte ein wüthen-
der Kampf mit den kantonesischen Truppen; bald, bedeckten zahllose
Leichen die Strassen. Alle Disciplin hörte auf; wildes Geschrei
erfüllte die Stadt; überall sah ich Raub und Mord. Mehrere tausend
Soldaten rannten davon, beladen mit gestohlenem Gut, und
schützten dann vor, ihren Weg bei Verfolgung des Feindes verloren
zu haben. Von der Schmach dieser Ereignisse bin ich ganz
überwältigt und möchte mir das Leben nehmen; aber das würde
wenig helfen. Wir werden für andere Völker fortan ein Gegenstand
der Verachtung sein; das Gesindel des Landes wird Macht gewinnen
und der Regierung Trotz bieten.«
Aehnlich fühlten Tausende aus den gebildeten Ständen; seit
K i e n - l o n , unter welchem China noch in hoher .Macht blühte, waren
ja kaum fünfzig Jahre verflossen.. Die Classe der Studirten ergänzt
sich dort beständig aus der grossen Zahl Derjenigen, welche
Jahre lang für die Prüfung gearbeitet, aber keine Stellung erhalten
haben, entweder weil sie durchfielen, oder weil kein Platz für sie
war. Sie bilden, durch das ganze Reich verbreitet, den Kern der
Bevölkerung, die würdigen Vertreter der in mehrtausendjähriger