
12 Die Jesuiten. Ricci. Schall.
Nach dem Eingehen der von Giovanni de Corvino in P e - k in
errichteten Mission zu Anfang des 14. Jahrhunderts scheint in China
das Christenthum nicht wieder gepredigt worden zu sein, bis 1579
die ersten Jesuiten nach K a n - t o n kamen. Miguel Ruggiero und
Matteo Ricci wurden damals die Gründer der katholischen Missionen
in China. Letzterer trat anfangs in Bonzentracht auf, fand aber
darin bei den gebildeten Classen wenig Eingang. Er nahm nun
die Kleidung der Studirten an und erwarb sich schnell deren Gunst
durch seine physikalischen Kenntnisse, Man hörte seine Vorträge
gern und zeigte sich auch zur Annahme des Christenglaubens geneigt,
soweit derselbe zu den Satzungen des Confucius stimmte,
nahm aber Anstoss an den Lehren von der Fleischwerdung, der
Dreieinigkeit, von der Erbsünde und der Hölle. Ricci sah ein,
dass der Versuch, das Vorurtheil der Chinesen gewaltsam zu durch-
brechen, ihre alten Sitten zu ändern, die Todtenopfer und andere
abergläubische Gebräuche als gottlos abzuschaffen, ihm jede Aussicht
auf Erfolg verschliessen würde. Er statuirte deshalb einen Unterschied
zwischen bürgerlichen und kirchlichen Verrichtungen, liess
viele durch uraltes Herkommen geheiligte und im frommen Gefühle
der Chinesen eingewurzelte Gebräuche unangetastet, und sah seine
Bekehrungsversuche bald mit glänzendem Erfolge gekrönt. Nach
siebzehnjährigem Aufenthalt im südlichen China ging Ricci nach
P e - k in und wurde durch Gunst eines Eunuchen dem Kaiser Og enannt,■
der seine Geschenke annahm und ihm eine Wohnung an weisen
liess. Andere Jesuiten kamen nach und gründeten, der Bekehrungsart
des Ricci folgend, Gemeinden in •mehreren Städten zwischen
K a n - to n und P e - k in , In den nächsten Jahrzehnten blühten durch
ganz China christliche Genossenschaften auf; Kirchen soll es um
die Mitte des 17. Jahrhunderts in allen grösseren Städten des
Reiches gegeben haben; die Bekehrten wurden nach Hunderttausenden
gezählt.
In P e - k i n , w o die Jesuiten schon zwei Kirchen hatten, ge-
gewann um die Mitte des 17. Jahrhunderts ein Deutscher, Pater
Adam Schall aus Cöln, bedeutenden Einfluss. Er goss für den
letzten MiN-Herrscher Kanonen, wusste dann auch die Gunst des
jungen Mandschu-Kaisers S u n - t s i zu gewinnen, wurde dessen Lehrer
und Director des astronomischen Bureau. Sein Freimuth und
vielseitiges Wissen, besonders physikalische Kenntnisse, verschafften
ihm grosses Ansehen und seine Erfolge waren so ausserordentlich,
Jesuiten und Dominicaner. 18
dass spätere Jesuiten sie als übernatürliche Gnadenwunder berichten.
Ein anderer Deutscher, Ferdinand Verbiest, wurde ScliaH’s
Amtsgehülfe und Nachfolger.
Wie in Japan, so hatte auch in China die Bekehrung guten
Fortgang, so lange die klugen Jesuiten allein arbeiteten. Bald
folgten aber andere Mönchsorden, deren Wüthen gegen die abergläubischen
Gebräuche der Chinesen Aergerniss erregte. Freilich
gab die Lehre des Ricci ihrer Eifersucht eine bequeme Handhabe,
denn sie vertrug sich keineswegs mit strenger Rechtgläubigkeit.
Die Todtenopfer und andere Gebräuche, welche er als bürgerliche
duldete, wurden von den Dominicanern als götzendienerisch verdammt
und allen chinesischen Christen unter Androhung der Höllen- i644.
strafen verboten. Papst Innocenz X. bestätigte dieses Urtheil, das isss.
Alexander VII. auf Vorstellung der Jesuiten wieder aufhob. Die
Einmischung der Päpste und die erbitterten Angriffe der Dominicaner,
welche sich auch auf andere von den Jesuiten mit grösser
Einsicht der chinesischen Auffassung angepasste Formen der Lehre
bezogen, machten bald die Mandschu-Regierung argwöhnisch gegen
alle Missionare; während der Minderjährigkeit des Kaisers K a n - g i 1662.
wurde ihr Bekehrungseifer als staatsgefährlich verdammt. Schall
soll vor Gram gestorben sein; Verbiest musste sich verstecken.
Letzteren erhob K a n - g i , als er grossjährig die Regierung antrat, zum
Director der Sternwarte; die vertriebenen Geistlichen durften zu
ihren Kirchen zurückkehren. Der Kaiser erklärte sogar 1692 in im.
einem Edicte den Christenglauben für erlaubt und nahm im Lehr-
streit Partei für die Jesuiten; ein Decret vom Jahre 1700 bestätigt, 1700.
dass der Ausdruck T i e n , wörtlich Himmel,' allein den wahren Gott
bezeichne, und dass die von Ricci erlaubten Ceremonieen bürgerlicher,
nicht kirchlicher Art seien. Dem trat aber, trotz Alexander
VH. Entscheidung, ein Bischof Maigrot entgegen, welcher den
Ausdruck T ie n für »Gott« verbot und jene Gebräuche als Götzendienst
verdammte. Papst Clemens X I., welchem das Decret des
chinesischen Kaisers vorlag, entschied wieder zu Gunsten der Dominicaner,
und der zu Schlichtung des Streites entsandte apostolische
Vicar Tournon verbot nach Empfang des päpstlichen Edictes
1705 den chinesischen Christen die Ausübung aller durch dasselbe 1705.
verdammten CeremonieenIs— Nun erliess K a n - g i einen Befehl, nach
welchem die der Lehre des Ricci folgenden Missionare im Lande
geduldet, alle anderen aber mit Verfolgung bedroht wurden. —