
Elliot bot aucli der chinesischen Obrigkeit seine Mitwirkung zu
völliger Ausrottung des Schleichhandels im Flusse an; da wurde
ihm zum ersten Male das wichtige Zugeständniss eines directen
Verkehrs mit den Mandarinen ohne Vermittelung der Hon-Kaufleute
gemacht. — Die gemeinsamen Maassregeln bewirkten nun zwar in
den nächsten Monaten einen Stillstand im Opiumhandel; der
heraufbeschworene Sturm war aber nicht mehr abzuwenden.
Die chinesische Gesetzgebung steht durchaus auf sittlichem
Boden: das Opiumverbot sollte das Volk vor einem verzehrenden
Gift bewahren, zu dessen Gebrauch es neigte. Freilich wird
auch in China Opium bereitet, der Genuss ist dort wahrscheinlich
nicht auszurotten; ohne Frage beförderte und steigerte ihn aber die
Einfuhr erheblich, die chinesische Regierung war formell und
sittlich berechtigt, demselben entgegenzutreten. Die Frechheit der
Schmuggler beschimpfte sie offen vor den Augen des Volkes, sie
musste sich in ihrer Ehre tief gekränkt fühlen. Sie wurde zudem
beunruhigt durch die steigende Ausfuhr haaren Silbers; denn der
Werth des eingeführten Opium überwog damals bedeutend den
der ganzen Ausfuhr, während heutigen Tages letztere die gesammte
Einfuhr weit hinter sich lässt.25) — Der Hof von Pe - kin zog die
Lage in ernste Erwägung und liess sich Vorschläge machen, wie
dem Uebel zu steuern sei.26) Es gab aber nach chinesischer Anschauung
nur einen Weg. Der Sohn des Himmels vertritt. ohne
Rücksicht auf Zweckmässigkeit und Vortheil die himmlischen Gebote;
der Gebrauch des Opium ist unsittlich und durfte deshalb
nicht geduldet werden. So abscheulich oft die Mandarinen handeln,
die kaiserliche Regierung wird sich principiell immer auf den
Standpunkt der reinsten Sittlichkeit stellen, und muss es, weil sie
25) 1837 und 1838 betrug die Opium-Einfuhr 34,000 Kisten zu 80 Pfund,
im Werthe von 25,000,000 Dollars, die zum grössten Theil baar-bezahlt wurden.
26) Ein Mandarin Hae- natse betrachtete, der chinesischen Auffassung entgegen,
die Sache vom practischen und nationalökonomischen Standpunkt. Er schlug
vor, die Opium - Einfuhr gegen eine Abgabe von 7 Dollars für die Kiste zu erlauben,
während die Kosten des Schleichhandels. etwa 40 Dollars betrugen. Die ^.vermehrte
Strenge des Gesetzes schrob nach seiner Ansicht nur den Betrag des Lohnes in die
Höhe, welchen die Beamten sich für ihre Connivenz zahlen Hessen. »Die durch den
Schleichhandel zur Gewohnheit, werdende Gesetzlosigkeit erziehe eine Bande frecher
Schurken, welche jedem Ansehn der Behörden trotzten und der schlimmsten Verbrechen
fähig seien.« Der Urheber dieser Vorschläge wurde wegen der Unsittlichkeit
seiner Anschauungen in die Tartarei verbannt.
im Bewusstsein des Volkes die sittliche Weltordnung vertritt. Sie
verachtet deshalb ganz besonders die Regierungen christlicher
Staaten, weil diese die Laster des Volkes besteuern und dadurch
legalisireng weil sie daraus Vortheil ziehen, statt sie zu verfolgen;
weil sie den Schranken der Wirklichkeit und des praktischen
Lebens Rechnung tragen, statt aus der idealen Weltordnung heraus
zu regieren. Die extremen Widersprüche dieser Anschauung mit
den Bedingungen der Körperwelt gehen durch alle chinesischen
Verhältnisse und geben dem Volkscharakter jene sonderbare,
zwischen Idealität und Gemeinheit schillernde Färbung.
Man fragte sich in Pe - kin also nicht, ob es möglich sei
das Laster zu unterdrücken und den Schleichhandel auszurotten,
ob aus Legalisirung der Einfuhr dem Reiche nicht grösserer Nutzen
erwachsen könne als aus ihrer theilweisen Unterdrückung und
geheimen Fortsetzung, sondern man hielt es für unbedingt geboten,
sie mit allen Mächten zu befehden. Trug zu diesem Beschluss auch
leidenschaftliche Erbitterung bei, so war sie durchaus natürlich.
Die H o n -Kaufleute kündigten den Ausländern in Kan- ton
einen mit weitgehenden Vollmachten versehenen Special-Commissar
an, welcher gegen den Opiumhandel strenge Maassregeln ergreifen
werde. Im Januar 1839 erschien ein in ganz ungewöhnlicher Form
direct an die fremden Kaufleute gerichteter Erlass, worin unter An- 1839.
drohung von Gewalt schleunige Entfernung der ausserhalb des
Flusses geankerten Opiumschiffe gefordert und das Erscheinen
eines kaiserlichen Bevollmächtigten verheissen wurde, »der, sollte
die Axt in seiner Hand auch brechen oder das Boot unter seinen
Füssen sinken, nicht eher ablassen werde, bis das Werk vollendet
sei.« — Eines Tages wurde plötzlich ein chinesischer Schmuggler
unter starker Bedeckung auf den Platz vor der Factorei geschleppt
und angesichts der Fremden erdrosselt. Diese strichen ihre Flaggen
und richteten an den Vice-König heftige Vorstellungen, welche
unbeachtet blieben. Nun tauchten vielerlei Gerüchte auf und die
Anzeichen des Sturmes mehrten sich. Bei der Bocca Tigris würden
alte Kriegs - Dschunken in Brander umgestaltet. Bei Macao
bezogen chinesische Truppen ein grosses Zeltlager. Man glaubte,
dass der Opium-Commissar seine Operationen dort beginnen werde;
statt dessen erschien er am 22. März 1839 plötzlich in Kan- to n
und verkündete seine Gegenwart durch Maassregeln, die jede Erwartung
übertrafen,