
und vor Eingriffen der Provinzial-Behörden sichern möchten,
— zugleich auch den directen Verkehr mit letzteren anzubahnen.
Von diesen wurden alle solche Versuche als Eingriffe in ihre
Rechte angesehen, der Erfolg derselben von vorn herein mit allen
Mitteln hintertrieben. So unumschränkt durch das weite Reich
der Wille des Himmmelssohnes gilt, — welcher jeden Augenblick
frei verfügen kann über Leben und Eigenthum des höchsten Würdenträgers
wie des geringsten Tagelöhners, — so ist doch China in
gewissem Sinne als ein Staaten-Bund unter gemeinsamem Oberhaupte
anzusehen. Die Statthalter sind tliatsächlich unumschränkte
Herren in den Provinzen und werden von Pe-kin aus erst dann zur
Rechenschaft gezogen, wenn ihre Verwaltung zu Aufständen geführt
hat, welche sie nicht selbst bezwingen können. Sie sind für
den fremden Handel in gleichem Maasse verantwortlich, wie für
alle anderen Vorgänge in ihrem Gebiete. So lange die Ausländer
nicht »rebellirteu«, so lange ihre »Auflehnung« von den Statthaltern
unterdrückt werden konnte, mochte die Central-Regierung niemals
eingreifen: sie blieb häufig selbst dann indifferent, wenn die Fremden
durch, gewaltsames Auftreten sich eigenmächtig zu ihrem Rechte
verhalten und von den Statthaltern wichtige Zugeständnisse erzwangen.
Itn sittlichen Bewusstsein der Chinesen ist jede Auflehnung
gegen Unrecht und Willkür gerechtfertigt. Die Conflicte der
Fremden in K a n - t o n hatten keine andere Bedeutung, als die Auflehnung
der eigenen Unterthanen gegen die Behörden: — denn
das Bewusstsein, dass der Himmelssohn der alleinberechtigte
Herrscher der Welt sei. war noch bis in die neueste Zeit so stark
bei den Chinesen, dass es ihnen garnicht einfiel, die Fremden anders
anzusehen, als für Unterthanen ihres Kaisers. So konnten diese in
der späteren Zeit zu K a n - t o n Gewalt üben, welche in jedem anderen
Lande zum Kriege geführt haben müsste. Fand man in P e - k in ihre
Forderungen gerecht oder fühlte man sich zu schwach zum Widerstande,
so wurde, — ganz wie bei Auflehnungen der eigenen
Unterthanen, — der Statthalter abberufen, getadelt, vielleicht
degradirt. Man schickte einen anderen hin, mit dem Aufträge, die
rebellischen Barbaren zu zähmen, zu zügeln; aber an einen Krieg
dachte man eben so wenig, als den Fremden bestimmte Rechte zu
gewähren, welche ja den absoluten Willen des Himmelssohnes
beschränkt hätten. In diesem einen Punkte liegt die grosse, im
früheren Verkehr mit China verkannte Schwierigkeit. So viele Gesandten
nach P e - k in gingen, um feste Zugeständnisse zu erlangen:
keinem scheint eingefallen zu sein, dass jeder Vertrag bei den chinesischen
Herrschern das Bewusstsein der Gleichberechtigung anderer
Souveräne voraussetzte, ein Bewusstsein, das ihnen nicht
durch reiche Geschenke und prächtige Aufzüge, sondern nur dadurch
einzupflanzen war, dass ihre Macht einmal angesichts der
Hauptstadt und des ganzen Reiches gebrochen, ihre Dynastie bedroht
wurde. Das geschah erst 1860. Alle früheren Gesandtschaften
hatten gar keinen, die Kriege nur geringen Erfolg, gleich
localen Aufständen, die den Thron nicht bedrohten. Die Gesandten
wurden, mochten sie sich den von der chinesischen Etiquette geforderten
bedeutsamen Formen der Untertliänigkeit fügen oder nicht,
ohne jedes Zugestäudniss eines Rechtes und höchstens mit gnädigen
Redensarten fortgeschickt, alle Verträge abgelelint. Die Kriege
betrachtete man in P e - k in als Rebellionen gegen die Statthalter; die
erzwungenen Verträge wurden nicht gehalten. Denn wer durfte dem
Willen des Iliminelssolines Gesetze v o r s ch r e ib enD e r Uebergang
zu vertragsmässigen Beziehungen mit China war kaum ein anderer,
als der Uebergang vom Absolutismus zur Verfassung im Leben
europäischer Staaten; der Herrscher entäussert sich zu Gunsten des
Volkes eines Theiles der Rechte, welche seine Vorgänger durch
alle Zeitläufte besessen haben; das Volk, das früher rechtlos seinem
Willen unterworfen war, soll ihm nun in einem Vertragsverhältnisse
gegenüberstehen. So entäussert sich der Himmelssohn durch
jeden Vertrag mit fremden Fürsten der angestammten Oberhoheit.
In China ist das Bewusstsein von der Berechtigung der unumschränkten
Macht des Kaisers, nicht nur über das eigene Reich
sondern über die ganze Welt, eng und unzertrennlich verwachsen
mit der auf zweitausendjähriger Entwickelung fussenden, tief eingewurzelten
Weltanschauung des Volkes. Das Reich der Mitte ist
so gross, seine Gesittung so ausgeprägt, dass alles ausserhalb
Liegende nur Zubehör, alle fremde Cultur nur mangelhaft sein kann.
Von den wirklichen Verhältnissen der Raumvertheilung hatte man
ebensowenig eine Ahnung als von der Bildung anderer Völker.
China ist die Welt, an deren äussersten Grenzen in rauher nebliger
Ferne Barbarenstämme hausen, welche, die Sonne nur düster beleuchtet.
Weit weniger als wir Europäer den Papua, sahen die
Söhne der blumigen Erde den Fremdling aus dem Westen für
Ihresgleichen an; in der öden Ferne, an den Grenzen der Natur
S’