
haben, unter denen er doch Jahre lang lebte. Anderen Missionaren,
die — meist noch immer mit günstigen Vorurtheilen —- kürzere Zeit
unter ihnen weilten, schuldet man denkwürdige Aufschlüsse. Es
wäre unbillig, die Berichte von Augenzeugen hier nicht in ihrem
Sinne wiederzugeben.
Der Missionar Mr. Griffith John, dessen Besuch in S u - tsatj
früher berührt wurde, reiste im November 1860 nach N a n - k in .
Er findet bei den T a e - p in Organisationstalent und die Elemente
einer guten Verwaltung: das von ihnen besetzte Land stehe unter
einem regelmässigen Steuersystem mit etwas niedrigeren Sätzen als
die der kaiserlichen Regierung. Die Gütergemeinschaft sei zu N a n -
k in in voller Wirkung: alle Beamten, Officiere und Soldaten erhielten
dort vom Himmels fürsten ihren Antheil an Nahrung, Geld
und Kleidung; nur im Felde sorgten sie für sich selbst; der
T s u n - w a n sei reicher als selbst der T i e n - w a n . Und doch sei
Alles Gemeingut. Diees Widersprüche kommen auf Rechnung des
Beobachters. Herr Griffith John erklärt sogar das Lästerliche in
des T i e n - w a n Erlassen für metaphorisch. Er erwirkte folgendes
von dessen elfjährigem .Sohne erlassene Religions-Edict, das nachher
andere Missionare in das T a e - p i n - Gebiet lockte.
»Nachdem ich die Befehle meines himmlischen Vaters (Gott),
meines himmlischen Pflegevaters (Christus) und meines Vaters erhielt,
bringe ich dieselben zur Kenntniss aller Civil- und Militärbeamten.
Die wahre Lehre meines Vaters u n d meines Pflegevaters ist die Religion
des Himmels. Die Religion Christi (protestantische Lehre) und die
Religion des He rrn des Himmels (katholische Lehre) sind darin enthalten.
Die ganze Welt, zusammen mit meinem Vater und mir selbst,
sind eine Familie. Diejenigen, welche liebend u n d einträchtig die Vorschriften
der himmlischen Religion beobachten, haben Erlaubniss (uns)
zu besuchen. Nun ersehe ich aus den von meinen Oheimen K a n ,
T s a n , T s u n und Anderen eingereichten Denkschriften, dass der fremde
geistliche L ehrer Griffith Jo h n und sein F re u n d , §p welche das himmlische
Reich schätzen, und glauben an meinen Vater und meinen Pflegevater,
denen wir danken für die uns gewordene Gnade der Herrschaft,
Macht u n d d e r Wunder, von welchen mit Ehrfurcht gehört haben, die
nah und ferne sind, — gekommen sind zu dem ausdrücklichen Zweck,
das Licht zu seh en , Gott u n d Christus zu schauen, und Erlaubniss
nachzusuchen, die wahre Lehre auswärts zu verbreiten, * ln Betrachtung
aber, dass die gegenwärtige eine Zeit des Krieges ist, und dass draussen
nach allen Richtungen Soldaten zerstreut sin d , fürchte ich wahrlich,
dass die Missionare bei dem Soldatenvolk Schaden nehmen, und dass
es ernste Folgen hahen könnte. Aber ich sehe gewiss, dass diese
(Prediger) aufrichtige redliche Menschen sin d , die es für nichts achten,
mit Christus zu leiden. Deshalb schätze ich sie hoch.
Die Könige müssen alle Beamten und Anderen anweisen, gegen
diese Männer liebevoll zu handeln und durchaus keinen Stre it oder
Zwiespalt zu erregen. Alle sollen wissen, dass der Vater, mein Pflegevater,
mein Vater und ich eine Familie sind, und diese M änner müssen
mit ausnehmender Güte behandelt werden.«
Im Januar 1861 ging der Missionar Muirhead zunächst nach
S u - t s a u . Alle Bewohner waren vertrieben, durch die geschlossenen
Stadtthore wurden nur T a e - p in eingelassen; so schalteten sie
in allen genommenen Städten aus Furcht vor Verrath und Ueber-
rumpelung. Von einem Diener des Gouverneurs begleitet predigte
Herr Muirhead in den verwüsteten Strassen. Die Zuhörer schienen
ihm vertraut mit den grossen Wahrheiten und zugänglich für die
Lehren des Christenthums. In allen amtlichen Maueranschlägen
war von der »ausnehmenden Gnade Gottes«, der »vorsorgenden Güte
des himmlischen Vaters« und dem »Werke Christi« die Rede; nur
die Verschmelzung des T i e n - w a n mit der Gottheit machte Herrn
Muirhead etwas stutzig, t— Auf seinem Wege nach N a n - k in fand
er alle Tempel in Trümmern, die Götzenbilder zerschlagen, in den
Städten die gleiche Verwüstung wie in S u - t s a u . In N a n - k in
wohnte er bei Herrn Roberts. Der K a n - w a n 131) empfing ihn sehr
herzlich; »er schien erfreut, eine alte Bekanntschaft zu erneuen,
und schwatzte gefällig über sich selbst und das Werk der Ver-
christlichung seiner Untergebenen«. H u n - d z in war damals erster
Minister; er versprach nachzudenken über Herrn Muirhead’s Vorhaben,
in N a n - k in und der Umgegend zu predigen, und ertheilte
ihm Tags darauf mündlich folgenden Bescheid: Der Zustand der
Stadt und des Landes mache das Predigen kaum rathsam; der Argwohn
des Volkes müsse erst durch Proclamationen beschwichtigt
werden. Unter friedlichen Verhältnissen würde er seine Beamten
zu Aufbietung ihres Einflusses anweisen; er rüste aber grade eine
Armee und wisse nicht, ob der Herrscher die nöthigen Anordnungen
billigen möge; jedenfalls riethe er zum Aufschub, und beson-
131) Der K a n - w a n ist H u n - d z i n , der Vetter des T i e n - w a n , der dessen Bekehrungsgeschichte
schrieb und den Missionaren in H o n g - k o n g mehrere Jahre als
Katechist und Prediger diente. S. S. 270 ff.