
seine Uebersiedelung dahin vorzubereiten, und richtete sich, da
Seiner Majestät Corvette Arkona einiger Reparaturen bedurfte, auf
mehrere Wochen in S h a n g - h a e ein. Weil aber die Küsten des
nördlichen China weder gastliche Häfen für die Schilfe, noch ein
ergiebiges Feld für die Thätigkeit der Naturforscher boten, so ersuchte
Graf Eulenburg den Cömmodor, die Fregatte Thetis nach
dem Süden zu schicken. Die Capitän Jachmann ertheilte Instruction
dirigirte Denselben zunächst nach H o n g - k o n g , und zu mehrwöchentlichem
Aufenthalt nach Manila; von da war ihm der Weg
nur im allgemeinen, durch die Sulu- und Celebes-See, um den
Süden von Borneo herum nach Singapore vorgezeichnet, und- anheimgegeben,
je nach den nautischen und Witterungsverhältnissen
die Inseln Mindanao, Borneo, Celebes, Gilolu und Java anzulaufen.
Zu seiner Vertretung ertheilte der Gesandte dem Legationssecretär
Pieschel die nöthigen Vollmachten. Mit Diesem schifften sich die
Herren Dr. von Martens, von Richthofen, Regierungsrath Wichura
und die kaufmännischen Mitglieder der Expedition, Herren Jacob
und Grube, welche ihre Geschäfte in China beendet hatten, auf der
Thetis ein, die am 27. März S h a n g - h a e verliess und erst vor B a n k o k ,
wo sie am 22. November Anker warf, wieder mit der Arkona zusammentraf.
In S h a n g - h a e liegt die Niederlassung der Fremden östlich
der mauerumschlossenen chinesischen Stadt am Ufer des W u - s o n .
Eine Reihe palastartiger Gebäude säumt den »Bund«, sö heisst der
breite Quai am Flusse. Die steinernen Häuser der Fremden blicken
kalt und langweilig in die öden Strassen; lebendig ist es nur in
den chinesischen Gassen. — Dort wohnen im Schutz der Barbaren
dichte Haufen betriebsamer Landeskinder, die dafür den höchsten
Grundzins zahlen. — Jeder der Vertragsmächte wurde ein bestimmtes
Terrain zugewjesen, so dass es ein englisches, französisches,
americanisches Viertel gab; die meisten Deutschen wohnten damals
in der englischen Niederlassung. Die Kaufleute erhielten den
Grund und Boden zu bestimmten Normen von den Consular-
Behörden und verpachteten ihn theilweise mit grossem Vortheil an
Chinesen.
Die europäischen Strassen laufen vielfach zwischen Gartenmauern,
über welche die Wohngebäude fortblicken; eine gleicht der
anderen. Zuweilen trabt ein Reiter' auf englischem,' I australischem
oder arabischem Ross durch die todten Gassen; hin und wieder
begegnet man langen Zügen von Kuli’s , I25) die je zwei an schwankem
Bambus aufgehängte Seidenballen in tactmässigem Laufschritt nach
dem Bund tragen. Dort lärmen dichte Haufen fremder und bezopfter
Matrosen. Nah der Chinesen-Stadt bedeckten damals den
W u - s o n - F I u s s , in lange Gassen geordnet, die unzähligen Boote
der geflüchteten Canalbevölkerung von S h - t s a u , das die T a e - p in
noch immer besetzt hielten. Vor der Ansiedlung ankerten malerische
Dschunken, fremde Dampfer, Schooner, Barkschiffe und Kanonenboote,
noch weiter flussabwärts die grösseren Kriegs- und
Handelsschiffe. — Bei schönem Wetter ging Nachmittags die ganze
europäische Bevölkerung auf dem Bund spazieren, wo zuweilen das
Musikcorps der Arkona spielte. Man ahnt hier S h a n g - h a e ’s grossartigen
Handel, welcher in seinen besten Jahren den achtzehnten
Theil des Werthes der gesämmten englischen Einfuhr geliefert haben
soll. Hunderte von Seidenballen lagern, der Einschiffung harrend,
am Bund, jeder Ballen wohl 1000 Dollars werth. In den
Gewinn dieses Handels theilten sich damals wenige deutsche,-englische,
französische und americanische Häuser von ungeschminkter
Opulenz: die Einrichtungen prächtig, auf den Tafeln die Leckerbissen
aller Länder, in den Küchen berühmte französische Köche,
in den Ställen die edelsten Pferde. Die wenigen Kaufläden führten
europäische Artikel aller Art; neben kostbaren pariser Broncen und
Toiletten lagen Yorkshire-Schinken, Streichhölzer und- Stiefeln
neben Goldschmuck und Diamanten. Der ansässige Kaufmann verschmäht
fast nach dem Preise zu fragen: zu Neujahr kommt die
Rechnung. Klein Geld giebt es kaum; denn die chinesischen
Kupfer- und Eisenmünzen cursiren nur unter den Eingebornen.
Selten sieht man englische Drei- und Sechs-Pence-Stücke; die
gangbare-Klein-Münze ist der englische Shilling, der als Viertel-
Dollar gilt. Da es aber auch daran mangelt, so zerhaut man die
mexicanischen Dollars, in vier Theile. Die Schiffsmannschaften,
welche ihren Sold in dieser Münze beziehen, haben nun das
12B) Der Ausdruck Kuli, Coolie bezeichnet bei den Fremden in China die grosse
Classe des Proletariates, die ohne bestimmtes Gewerbe auf jede Weise ihren Lebensunterhalt
zu.verdienen sucht; also Tagelöhner, Lastträger u. s. w.