
Verträge Kraft gewannen und der Handel eine Reihe von Jahren
ohne Störung blühte.
K i - y i n , welcher den verhassten Frieden schloss und jetzt
zu dessen Aufrechthaltung berufen war, hatte der Bevölkerung von
K a n - t o n gegenüber eine schwierige Stellung. Davis nennt ihn
den schätzbarsten Charakter, mit welchem Vertreter westlicher
Staaten in China jemals in Berührung kamen, und schreibt seine
seltenen Umgehungen der Verträge weit mehr zwingenden Umständen
als seiner Gesinnung zu. Die Liebenswürdigkeit und einfache
Würde seines' Charakters zeigten sich damals bei jeder Gelegenheit
und erleichterten wesentlich den Verkehr; besonders freundlich
gestalteten Sich die Beziehungen, nachdem K i - y in im November
1845 H o n g - k o n g besucht hatte. Mit Staunen betrachtete er dort
die stattlichen Bauten und Kunststrassen, die grossartigen Werfte
und Maschinen der Engländer. Er dankte Davis in warmen Ausdrücken
für den freundlichen, ehrenvollen Empfang und sprach
brieflich die Hoffnung aus auf »ewige Freundschaft zwischen den
beiden Völkern, welche gleichmässigen Antheil haben sollten an
den Segnungen des Friedenswerkes«. Seinem klaren Verstände
konnte die Bedeutung der Cultur des Westens, ihrer sittlichen und
materiellen Kraft nicht entgehen; und wenn er sich in seinen Berichten
an den Hof61) herabwürdigend über die Fremden äusserte,
so mochte dem Kaiser gegenüber, der von seinen Vorurtheilen
kaum geheilt sein konnte und nur so weif er musste dem Zwange
wich, solche Sprache erfordert werden. Auch sein zweideutiges
Auftreten beim Friedensschluss zu T ie n - t s in 1858, welches zu
seinem tragischen Ende führte, mag durch die Unmöglichkeit
seiner Aufgabe und den bösen Ruf veranlasst worden zu sein, den
er als Freund der Fremden am Hofe des H i e n - f u n genoss.62)
61) Diese Berichte wurden mit den Antworten dès T a u - k w a n bei der späteren
Einnahme von K a n - t o n in den Archiven des Yi gefunden..
Merkwürdigen -Aufschluss über des Kaisers Ansichten giebt ein von Meadows
(The Chinese and their rebellions S. 127) mitgetheiltes Gespräch zwischen T a u - k w a n
und P i - k w e i , einem hochgestellten Beamteny der später in K a n - t o n die Macht der
Engländer kennen lernte. Das Gespräch fand im October 1849, also nach Abberufung
des Ki - yiN statt. Der Kaiser redet mit der grössten Geringschätzung von den
Fremden und begreift nicht, wie Jener sieh so habe von ihnen bethören und
schrecken lassen, während man sie jetzt, nachdem unter dem neuen Yice-König
Siu - k w a n - t s i n die Volkswehr so gut organisirt und so viel Geld für die Verfhei-
digung .eingesammelt sei, gar nicht mehr z u fürchten brauche. K i - y i n hatte von
Die Auslegung der Verträge musste auch bei redlichem
Wollen Schwierigkeiten machen. Die Chinesen hielten sich, der
fremden Sprachen unkundig, an ihren eigenen Text; Uebersetzun-
gen sind aber um so ungenauer, als die Begriffe und Anschauungen
des Volkes, in dessen Sprache übersetzt wird, von denen
des anderen abweichen. Davis pflog mit K i - y in über viele wesentliche
Punkte Erörterungen, in welchen der Chinese meist nach
gelindem Widerstande nachgab. So wollte letzterer anfangs die
Gleichstellung der englischen mit den chinesischen Beamten auf
den schriftlichen Verkehr beschränken, drang aber nicht damit
durch. Auch die alte Monopolisirung des Handels durch die
H o n t Kauflerite hätte er gern wieder eingeiührt. Diese schuldeten
dem Kaiser noch die im Lösegelde für K a n - t o n vorgeschossenen
drei Millionen Dollars, welche bei Eortdauer des.Monopoles leicht
ersetzt werden konnten. K i - y in wollte nun statt der früheren
geringen Anzahl hundert H o n -Kaufleute ernennen und schützte
Besorgniss vor, dass bei gänzlicher Freigebung keine Aufsicht über
die chinesischen Händler möglich sei, und dass die Fremden durch
deren Unredlichkeit Verluste erleiden möchten. Davis urgirte dagegen
den Wortlaut des Vertrages, worauf K i - y in seinen Vorschlag
zurückzog.
Sir John Davis zeigte bei jeder Gelegenheit, dass er nicht
nur zum Schutze der englischen Unterthanen, sondern, wo sie
die Eingebornen beschädigten, auch zu ihrer Bestrafung verbunden
sei; und K i - y in liess sich, so schwierig seine Stellung
gegen die von blindem Hass gegen die Engländer erfüllte Bevölkerung
war und so sehr strenge Maassregeln deren Erbitterung gegen
ihn steigerten, niemals antreiben,, wo es sich um Ahndung von
Vergehen seiner Landsleute gegen Engländer handelte. Sein summarisches
Verfahren gegen einige Chinesen, welche in H o n g k
o n g einen Raub verübt und ihre Beute nach dem Festlande geschleppt
hatten, schreckte für alle Zukunft von solchen Versuchen
ab. Den englischen Behörden macliten ihre eigenen Landsleute die
erösste Noth; die »Pioneers of civilisation«Ö ' , welche sich in den
Förderung der -Volksbewaffnung immer abgerathen.— P i - k w e i , der damals zur
Parthei des Siu - k w a n - t s i n gehörter musste nach der Einnahme von K a n - t o n Jahre
lang unter dem Befehl der englischen Behörden als Präfect fungiren. Für die
Echtheit der von ihm niedergeschriebenen Gespräche mit dem Kaiser giebt Meadows
schlagende Gründe.